Steuerakte

Die Wahrheit über Grassers „Geheimprozess“

Wien
13.06.2022 16:34

Ausschluss der Öffentlichkeit noch vor Verlesung der Anklage: Dazu haben Beschuldigte im Steuerrecht Anspruch, der Richter konnte gar nicht anders entscheiden.

Selten, streng genommen fast nie, herrscht im Gerichtssaal Einigkeit zwischen den Anwälten von Angeklagten und der Staatsanwaltschaft. Beim Steuerprozess von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und seinem ehemaligen Steuerberater Peter H., der am Montag in Wien startete, war es aber so weit. Die Verteidiger Norbert Wess (KHG) und Gerald Ruhri (Peter H.) beantragten den Ausschluss der Öffentlichkeit.

Höchstpersönlicher Lebensbereich“ betroffen
Die Vertreter der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Alexander Machart und Gerald Denk hatten keine Einwände - und so flogen die zahlreich erschienenen Medienvertreter aus dem Saal. Richter Michael Tolstiuk konnte nämlich gar nicht anders entscheiden, weil die Anklage das Finanzstrafgesetz betrifft. Und da geht es um den „höchstpersönlichen Lebensbereich“ der Angeklagten. Dementsprechend machte man bei den Personalien auch keinerlei Angaben über Einkünfte, Vermögen - oder Schulden ...

Verzweigtes Konstrukt
Nun ist es eigentlich so, dass im Zivilverfahren, das Steuerberater H. gegen seinen einstigen Klienten Grasser angestrengt hat, die Karten auf dem Tisch zu legen. Bekanntlich geht es um Grassers Provisionen aus seiner Manager-Zeit bei Meinl Power (MIP). Dafür wollte der Ex-Finanzminister laut Anklage Steuern „schonen“. Sein Steuerberater soll daraufhin ein verzweigtes Konstrukt aus Stiftungen und Firmen von Liechtenstein bis in Steueroasen wie Zypern und Panama entworfen haben.

Doch - so der Vorwurf des Steuerberaters im derzeit ruhenden Zivilverfahren - dieses „Konstrukt“ habe Grasser verändert. Seine Steuererklärung hielt einer Finanzprüfung nicht stand, es erfolgte die Anzeige wegen Steuerhinterziehung.

Fakten

Der § 213 Abs. 1 des Finanzstrafgesetzes besagt, dass die Öffentlichkeit auszuschließen ist, wenn höchstpersönliche Lebensumstände der Angeklagten besprochen werden, die der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht unterliegen. Das gilt auch für die Urteilsbegründung.

Urteil unter Ausschluss
Und jetzt noch dazu das Strafverfahren, das Grasser Millionen kosten - und ihn auch hinter Gitter bringen könnte. Ob das so sein wird, erfährt man frühestens am 4. Juli nach acht Verhandlungstagen. Auch das Urteil - vor allem die Begründung - fällt übrigens unter „Ausschluss der Öffentlichkeit“.

Gabriela Gödel
Gabriela Gödel
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