Finanzminister Brunner

„Müssen Mut haben, an großen Schrauben zu drehen“

Tirol
11.06.2022 13:29

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) traf sich im Rahmen seines Tirol-Besuchs mit der „Krone“. Beim Interview in einem Innsbrucker Hotel sprach er mit „Tiroler Krone“-Chef Claus Meinert über die aktuelle Teuerung, das Ziel der Abschaffung der Kalten Progression, die Verschuldung von Gemeinden und Ländern sowie weitere Herausforderungen.

„Krone“: Herr Finanzminister Brunner, gehen wir gleich mittenrein ins Thema, das zwar die Sorgen der Pandemie kurzfristig verdrängt hat – aber fast alle betrifft: die Teuerung. Hunderttausende Österreicher haben finanzielle Sorgen, fürchten, dass es sich nicht mehr ausgeht. Was sagen Sie diesen Menschen außer tröstenden Worten, von denen sie nicht runterbeißen können?
Magnus Brunner: Die steigenden Kosten bereiten vielen Menschen Sorgen. Sorgen, die wir sehr ernst nehmen und die wir den Menschen auch so gut wie möglich nehmen wollen. Als Staat haben wir Möglichkeiten, zu entlasten und Auswirkungen abzumildern. Das haben wir bisher mit zwei Paketen in Höhe von vier Milliarden Euro gemacht: Wir haben einen Teuerungsausgleich für besonders Betroffene bereits ausbezahlt, haben einen Energiekostenausgleich an die Haushalte geschickt. Wir haben die Pendler mit der Erhöhung der Pendlerpauschale und Vervierfachung des Pendler-Euros unterstützt. Aber ja, es braucht weitere und strukturelle Maßnahmen – die sind aktuell in Verhandlung.

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Genau deswegen bin ich ja für strukturelle Maßnahmen. Eine wäre die Abschaffung der Kalten Progression.

Finanzminister Magnus Brunner

Der sogenannte Mittelstand sind jene Menschen, die gut verdienen, weil sie sich weniger der bequemen sozialen Hängematte des Staates zuwenden, als vielmehr fleißiger Arbeit. Bei Ihnen zu Hause, in Vorarlberg, würde man sagen „Schaffe schaffe, Häusle baue“. Das geht sich für viele, um nicht zu sagen für die allermeisten jungen Menschen, speziell in Tirol, nicht mehr aus. Da läuft doch etwas völlig falsch?
Genau deswegen bin ich ja für strukturelle Maßnahmen. Eine wäre die Abschaffung der Kalten Progression. Dann rutschen die Menschen nicht mehr automatisch in höhere Steuerklassen. Wir sind mit großen Herausforderungen konfrontiert, daher müssen wir auch an den ganz großen Schrauben drehen.

Zurück zur Teuerung. Zeit meines schon längeren Daseins kann ich mich nicht erinnern, dass man in Italien billiger tanken kann als in Österreich. Wenn ich jetzt an die Adria fahre, denke ich nicht mehr an den vollen Autotank, sondern daran, diesen günstiger – sogar an der Autobahn – in Italien, wo die Treibstoffkosten immer ein Albtraum waren, zu befüllen. Was aber keine Sorge weniger ist. Was läuft hier falsch, was kann man hier tun, Herr Minister?
Das Beispiel Deutschland zeigt – übrigens genauso wie die Beispiele in Ungarn und Slowenien –, dass ein Preisdeckel beim Treibstoff nichts bringt. In den Markt einzugreifen hat nicht einmal in den 1970er-Jahren funktioniert. Wir haben daher die Pendlerinnen und Pendler entlastet und werden mit weiteren Entlastungen die Teuerung dämpfen.

Wir haben vom Mittelstand gesprochen. Man sagt ja immer, dass diese Klientel den klassischen ÖVP-Wähler darstellt. Nun rutschen immer mehr Mittelständler in die Abstiegszone, um es sportlich auszudrücken. Hat die ÖVP nicht Angst, diese Wähler an SPÖ und FPÖ zu verlieren?
Die Auswirkungen der Inflation treffen alle Menschen – auch die Unternehmerinnen und Unternehmer. Ich kann mich hier nur wiederholen: Wir müssen strukturelle Maßnahmen setzen, um den Menschen zu helfen. Dabei schiele ich nicht auf Wählergruppen. Es geht um die Entlastung breiter Teile der Bevölkerung. Mein Ziel ist es, eine Lösung noch vor dem Sommer auf den Weg zu bringen.

Apropos Wähler verlieren. Kaum eine Woche, in der nicht ein Skandal aufpoppt, in der die ÖVP genannt wird. Sicher, manche sind gut inszeniert. Aber die Inseratenaffäre in Vorarlberg, die Corona-Zahlungen für den Seniorenbund auch in Tirol usw. Wie geht es denn dem Finanzminister, wenn er das hört?
Wo Fehler passiert sind, gehören sie auch aufgezeigt und die Lehren daraus gezogen. In meiner Zuständigkeit, im Finanzministerium, führe ich deshalb in den kommenden Monaten eine Re-Organisation durch. Neu wird zum Beispiel eine Abteilung mit den Kernkompetenzen Recht und Vergabe etabliert und die derzeit im Generalsekretariat gebündelten Abteilungen werden in eine neue Präsidialsektion eingegliedert. In weiterer Folge braucht es die Funktion des Generalsekretärs im BMF in Zukunft nicht mehr, auch das ist ein klares Signal, dass wir bereit für Veränderung sind.

Wenn wir kurz in die Kristallkugel blicken: Was glauben Sie, wo Österreich da in zwei Jahren steht? Gibt es eine SPÖ-Regierung ohne jede Schuldenbremse? Oder doch wieder Schwarz-Blau? Sind wir Österreicher dann wieder sorgenfreier?
Die türkis-grüne Koalition arbeitet bei den großen Themen gut zusammen. Unsere Aufgabe ist es nun, mit Sachpolitik das Vertrauen der Menschen wieder zurückzugewinnen. Dafür leiste ich meinen Beitrag.

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In Summe haben wir mehr als 3,3 Milliarden Euro für Länder und Gemeinden zur Verfügung gestellt. Aktuell erhalten die Länder einen weiteren Investitionszuschuss von 500 Millionen Euro – der Bund kommt seiner Verpflichtung wirklich nach.

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Herr Minister, Kernaufgabe des Bundesministeriums der Finanzen ist es, die finanzielle Handlungsfähigkeit des Bundes langfristig zu sichern. Haben Sie dieses Ziel stets im Auge, denn einige Länder und viele Gemeinden sind verschuldet, zum Teil finanziell bereits handlungsunfähig.
Die Auswirkungen des Corona-Virus waren für alle Gebietskörperschaften spürbar. Es stimmt: Besonders unsere Gemeinden und Bundesländer hätten ohne Unterstützung des Bundes enorme finanzielle Einbußen erlitten. Die Bundesregierung hat daher in großem Ausmaß geholfen. In Summe haben wir mehr als 3,3 Milliarden Euro für Länder und Gemeinden zur Verfügung gestellt. Aktuell erhalten die Länder einen weiteren Investitionszuschuss von 500 Millionen Euro – der Bund kommt seiner Verpflichtung wirklich nach.

Abschließende Frage: Ich nehme an, dass Sie nicht Zeit Ihres Lebens Politiker bleiben wollen, zumal Sie eine Topausbildung haben. Sie haben Rechtswissenschaft an der Uni Innsbruck studiert und beendet sowie auch am King‘s College in London, einer der weltweit anerkanntesten Unis. Sie könnten in der Wirtschaft wesentlich mehr verdienen als derzeit?
Ich bin sehr gerne in der Politik und habe noch einige Projekte vor mir. Aktuell sind wir in der Endphase der Verhandlungen, um die Auswirkungen der Inflation abzudämpfen. Und im Regierungsprogramm haben wir uns noch zahlreiche Aufgaben vorgenommen: Ich arbeite beispielsweise daran, die steuerliche Behaltefrist bei Aktien wieder einzuführen. Denn dass das Sparbuch in der derzeitigen Niedrigzinssituation nicht mehr attraktiv ist, ist uns allen bewusst. Daher ist es mein Ziel, die private Altersvorsorge und den langfristigen Vermögensaufbau zu attraktivieren.

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