Ministerin im Gespräch

Raab: „Die Vereinbarkeit ist die größte Hürde“

Niederösterreich
06.05.2022 06:11

Noch bevor sich Frauenministerin Susanne Raab auf den Weg nach Polen machte, schaute die ÖVP-Politikerin anlässlich des nahenden Muttertages in der „Krone“-Redaktion in St. Pölten vorbei.

„Krone“:  Am Sonntag ist Muttertag. Was wünschen Sie sich als Mama an so einem Ehrentag?
Susanne Raab: Es ist ja mein erster Muttertag, und ich bekomme sicher ein Frühstück. Der Sonntag ist für die Familie reserviert – so wie sonst auch. Ich möchte wie jede andere auch eine gute Mama sein. Das ist mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht immer so leicht. Jede Mutter, die berufstätig ist, weiß selber, dass man da immer zwischen den Welten hin und her springt.

Wie macht man das in so einer Spitzenposition?
Mein Mann ist noch in Karenz, da geht es ganz gut. Ich bin nach zwei Monaten wieder in den Beruf eingestiegen – und so ehrlich muss man sein, das war sehr hart. Wenn ich mir denke, dass in anderen Ländern alle Frauen nach drei Monaten wieder in den Beruf einsteigen, bin ich schon sehr froh, dass wir in Österreich andere Möglichkeiten haben.

Die fünfjährige Tochter eines Kollegen hat eine Frage, die ich gern weiterleite: Was tun Sie für die Frauen von morgen in Österreich?
Zwei Dinge: Das Wichtigste ist die Bildung. Hier verhandeln wir gerade eine 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern zum Ausbau der Kinderbetreuung – auch in den Flächenbundesländern. Zum anderen muss man schon sehr früh Schwerpunkte setzen, was die Selbstbestimmung und den Selbstwert von Mädchen betrifft. Aber auch das mögliche Interesse punkto Berufswahl: Wir haben viele Mädchen, die noch nicht an technische, naturwissenschaftliche, digitale Berufe denken. Das sind Männerbranchen, aber auch die Berufe der Zukunft.

Es braucht noch immer besondere Tage, um Frauen vor den Vorhang zu holen - wie etwa den Equal Pay Day oder Weltfrauentag. Warum müssen Frauen noch immer so hart für ihre Rechte kämpfen?
Tatsächlich ist es so, dass wir die volle Gleichberechtigung noch nicht erreicht haben. Was die Bezahlung betrifft, wird es allerdings von Jahr zu Jahr besser. Aber dennoch verdienen Frauen noch immer weniger als Männer.

Mit welchen Hürden oder Vorurteilen hatten Sie in Ihrem Leben zu kämpfen?
Wenn man als Ministerin Mama wird und nach zwei Monaten wieder einsteigt, gibt es auch unterschiedliche Meinungen dazu. Jede Frau muss selbstbestimmt entscheiden können, wie sie ihr Leben lebt. Meine Aufgabe ist es, Rahmenbedingungen zu schaffen, wie die Kinderbetreuung, damit die Wahlmöglichkeit gegeben ist.

Stichwort: Gewalt gegen Frauen - hier ist jede fünfte Frau betroffen. Was kann man tun, um das zu verhindern?
Hier ist die Dunkelziffer leider sehr hoch. Viele Frauen trauen sich noch immer nicht, ihr Leiden und ihr Schicksal jemandem anzuvertrauen. Häusliche Gewalt ist mit sehr viel Scham verbunden. Hier möchte ich jede Frau ermutigen, sich helfen zu lassen. Denn die eigenen vier Wände sind kein rechtsfreier Raum.

Die Regierung hat ein großes Gewaltschutzpaket mit 25 Millionen Euro budgetiert. Für Kritiker ist das zu wenig. Was antworten Sie denen?
Wir haben das größte Paket aller Zeiten verabschiedet. Die Gewaltschutzzentren sind ausfinanziert. Sie können jeder Frau helfen, das ist gut so. Die Bundesländer leisten hier Unglaubliches, etwa was die Frauenhäuser, die Bewusstseinsbildung und den Opferschutz betrifft. Wir werden uns auf dem nicht ausruhen. Wir arbeiten derzeit intensiv daran, an der Forensik etwas zu ändern. Wie kann die Beweissicherung stattfinden, damit es zu einer Verurteilung des Täters kommt.

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Wir haben in Niederösterreich ein gut ausgebautes Netzwerk an Einrichtungen, die Hilfe in Notlagen bieten, und es gibt umfangreiches Informationsmaterial zu Anlaufstellen. Der Verein „wendepunkt“ hat im Auftrag des Landes auch einen Folder erstellt, wie Menschen die Zeichen von häuslicher Gewalt gegen Frauen erkennen und darauf reagieren können.

Landesrätin Christiane Teschl-Hofmeister

Vor Kurzem haben wir 25 Jahre Gewaltschutzgesetz gefeiert. Braucht es hier gesetzliche Nachschärfungen?
Es ist ein Tag, an dem wir Resümee ziehen. Mit der Einführung waren wir international Vorreiter. Damals wurde verankert: Wer schlägt, der geht! Die Polizei kann Betretungsverbote und Wegweisungen aussprechen. Das war die Basis von allem, was wir jetzt tun.

Stichwort: Ukraine-Krieg. Wie ist da die derzeitige Lage?
Wir haben derzeit rund 65.000 registrierte Vertriebene in Österreich. Als Integrationsministerin habe ich da zusätzliche Aufgaben. Wir setzen mit Deutschkursen und Arbeitsmarktmaßnahmen an. Mit den Servicepoints bekommen sie unbürokratisch Unterstützung bei allen Erledigungen.

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Wir haben ein gut ausgebautes Netzwerk an Einrichtungen, die hier anonym, kostenfrei und unkompliziert helfen. Es ist wichtig, dass alle relevanten Einrichtungen in der Region vernetzt sind, das reicht von der Gemeinde und der Polizei bis hin zu Opferschutzeinrichtungen oder Krankenhäusern.

Landesrätin Christiane Teschl-Hofmeister

Gewaltschutz in Niederösterreich
Allein heuer gab es in vier Monaten neun Frauenmorde - zwei davon in Niederösterreich. Vergangenes Jahr wurden insgesamt rund 13.700 Betretungs- und Annäherungsverbote (2400 in Niederösterreich) ausgesprochen und knapp 11.000 Wegweisungen (1900 in Niederösterreich). Seit September 2021 gibt es eine verpflichtende Beratung für Gefährder - hier fanden in Niederösterreich bis Jahresende rund 1900 Beratungen statt. Sechs Frauenhäuser, zehn Frauenberatungsstellen, das Gewaltschutzzentrum und der Frauennotruf bieten Hilfe in Notlagen. 

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