„Die Pflege ist am Limit“ - das betonten am Dienstag Tiroler Pflegekräfte bei Kundgebungen. Auch von einer neuen Pflegestudie war die Rede, die vom Land in Auftrag gegeben wurde. Interessant: Den Zuschlag dafür gab es nicht für die UMIT Tirol, deren Steckenpferd Pflegeausbildung ist, sondern für das Management Center Innsbruck (MCI). Das sorgt für Verwunderung. Die zuständige Gesundheits-Landesrätin Annette Leja erklärt gegenüber der „Tiroler Krone“ diesen Schritt.
Eklatanter Personalmangel, fehlende Nachwuchskräfte, schlechte Entlohnung, viel zu wenig Freizeit, drohende Kündigungswelle – „unser Pflegesystem krankt, die Politik muss endlich handeln“, lautete der Tenor.
Unter den Pflegekräften wurde auch über eine neue Studie diskutiert. „Pflege - Ideen, Perspektiven, Strategien und Zukunft“ lautet der Titel. Gesundheits-LR Annette Leja erteilte den Auftrag zur Ausführung dieser Studie bereits - und zwar an die unternehmerische Hochschule MCI, zu deren Spezialgebieten nicht unbedingt der Pflegebereich zählt.
Viele Gründe, die für UMIT sprechen
Prädestinierter für die Realisierung dieses Auftrages sei laut einigen Pflegekräften die UMIT – Private Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik GmbH. Sie sei immerhin auf die Pflege spezialisiert, bilde Pflegekräfte aus und habe mit Ex-Gesundheits-LR Bernhard Tilg einen Vizerektor, der für Forschung und strategische Entwicklung zuständig sei und die Probleme im Bereich dank seiner früheren politischen Funktion bestens kenne. Hinzu komme, dass das Land Tirol zu 90 Prozent Eigentümer der UMIT sei.
Es muss erlaubt sein, all diese Details zu hinterfragen, denn immerhin sind hier rund 95.000 Euro im Spiel.
Einige Pflegekräfte, die am Dienstag an den Kundgebungen teilnahmen.
Auch die Fachleute der Abteilungen Soziales und Pflege vom Land Tirol seien in die Durchführung dieses Projektes nicht eingebunden – obwohl sie in der Vergangenheit unter anderem den Strukturplan Pflege selbst erstellt haben und im stetigen direkten Austausch mit den Krankenhäusern, Pflegeheimen und Co. seien. „Es muss erlaubt sein, all diese Details zu hinterfragen, denn immerhin sind hier rund 95.000 Euro im Spiel, die das MCI für die Erstellung dieser Studie vom Land Tirol erhält“, betonten die Pflegekräfte.
„Wollen Pflege um Sicht von außen erweitern“
„Die Tiroler Landesregierung hat diese Beauftragung in der Sitzung am 8. Februar 2022 beschlossen. Mit der Pflegestudie wollen wir die Tiroler Pflegepolitik um die Sicht von außen erweitern. Das MCI verfügt bereits über eine umfassende Datenlage und hat sich im Rahmen vorangegangener Studien mit zentralen Aspekten des Pflegebereiches auseinandergesetzt. Damit kennt die Hochschule die Tiroler Pflegelandschaft bestens, ohne dabei als aktiver Akteur selbst involviert oder befangen zu sein. Wir gewährleisten damit einen professionellen Entwicklungsprozess“, sagt LR Leja. Der Auftrag habe ein Volumen von unter 100.000 €, weshalb kein Vergabeverfahren durchzuführen sei. Die landesinternen Richtlinien seien „selbstverständlich eingehalten worden“.
Wir gewährleisten damit einen professionellen Entwicklungsprozess.
Tirols Gesundheits-LR Annette Leja
„Es ist eine faire und entsprechende Entlohnung notwendig“
Prinzipiell wolle LR Leja qualitative Verbesserungen und eine weitreichende, nachhaltige und innovative Weiterentwicklung im Pflegebereich ermöglichen. „Mir ist insbesondere das Berufsfeld Pflege ein großes Anliegen. Neben Verbesserungen und Erleichterungen im Berufsalltag und in der Struktur brauchen wir in den kommenden Jahren auch mehr Pflegepersonal, um die herausfordernde und wichtige Aufgabe auf mehrere Schultern zu verteilen und dem Pflegebedarf der nächsten Jahre gerecht zu werden“, schildert die Gesundheits-Landesrätin und führt weiter aus: „Pflege bedeutet für mich die Arbeit am Menschen, nicht am Computer. Deshalb wollen wir auch den ,angesammelten‘ Verwaltungsaufwand reduzieren. Aber ja, es ist auch eine faire und entsprechende Entlohnung notwendig. Ich bemühe mich um ein Gesamtpaket zur Verbesserung der Rahmenbedingungen im Pflegeberuf.“
„Wir sind nahe genug dran und weit genug entfernt“
Erfreut über den Zuschlag zeigt man sich beim MCI, der Projektstart sei bereits erfolgt. „Es handelt sich um eine wissenschaftliche Aufbereitung dessen, was wir im Bereich der Pflege bisher wissen. Ein Team von Forschern sieht sich an, wo die jeweiligen Positionen aufbauen und ob es eine Evidenz dahinter gibt, damit man umsetzbare Vorschläge entwickeln kann. Und wir möchten eruieren, wie es mit der Bereitschaft aussieht, diese Ideen umzusetzen“, erklärt Projektleiter Siegfried Walch, „wir binden natürlich alle Stakeholder mit ein“. Inhaltlich gehe es nicht nur um die Löhne, sondern etwa auch um die Attraktivierung der Dienstzeiten.
Im Juni 2022 wolle man die Ergebnisse liefern. Warum wurde das MCI damit vertraut? „Man gesteht uns zu, dass wir thematisch zum einen nahe genug dran sind und zum anderen weit genug entfernt sind, um keine eigenen Interessen zu haben. Wir haben keine Pflegeausbildung, so gesehen sind wir auch keine Akteure, die an der Entwicklung der Pflege besondere institutionelle Interessen bilden“, so Walch.
UMIT möchte sich zu dieser Causa nicht äußern
Und was sagt die UMIT dazu, dass sie hier das große Nachsehen hat? Nichts, es heißt: „Wir wollen uns dazu nicht äußern.“
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