Pilotprojekt

E-Medikation hat noch viele “Kinderkrankheiten”

Österreich
16.05.2011 14:06
Eine gemischte Bilanz über das seit sechs Wochen laufende Pilotprojekt zur E-Medikation haben am Montag der Hauptverband der Sozialversicherungsträger und die Wiener Ärztekammer gezogen. Hauptverbands-Chef Hans Jörg Schelling zeigte sich mit der Zahl der Anmeldungen zufrieden, gestand aber "Kinderkrankheiten" am System ein. Deutlich kritischer fiel die Beurteilung des Wiener Ärztekammer-Vizepräsidenten Johannes Steinhart aus, nach dessen Meinung "noch ein paar Transplantationen" notwendig sind.

Mit der E-Medikation werden vom Arzt verordnete oder vom Apotheker rezeptfrei erhältliche Medikamente elektronisch erfasst. Damit können Wechselwirkungen überprüft und Mehrfachverordnungen vermieden werden, um die Sicherheit der Patienten bei der Einnahme von Arzneimitteln zu erhöhen. Beteiligt an den seit 1. April laufenden Pilotprojekten sind Oberösterreich (Bezirke Wels, Wels-Land, Eferding und Grieskirchen), Wien (Donaustadt und Floridsdorf) und Tirol (Bezirke Reutte, Imst und Landeck). Dort nehmen bis jetzt insgesamt 87 Ärzte, 53 Apotheken und in jeder Region mindestens ein Krankenhaus teil.

Für die Patienten ist die Teilnahme kostenlos und freiwillig. Sie müssen beim Arzt oder Apotheker schriftlich in die Teilnahme einwilligen. Das System funktioniert über die E-Card, die Daten werden aber nicht auf der E-Card gespeichert.

"Stetiger Aufwärtstrend" bei der Teilnahme
Bis jetzt haben 3.578 Patienten ihre Zustimmungserklärung unterzeichnet. Von der von Schelling als Ziel genannten Beteiligung von zehn Prozent der rund 500.000 Krankenversicherten in den Testregionen - das wären 50.000 Personen - ist man zwar noch ein großes Stück entfernt. Der Hauptverbands-Chef sprach jedoch von einem "stetigen Aufwärtstrend" bei den Anmeldungen und einer guten Akzeptanz bei den Patienten.

Die praktische Ärztin Barbara Degen berichtete, dass etwa drei Viertel der von ihr gefragten Patienten an dem Pilotprojekt teilnehmen. Steinhart meinte hingegen, dass in Wien ein Drittel der Patienten teilnehmen wollen, ein Drittel nicht und ein Drittel unsicher sei. Seiner Auffassung nach ist noch "große Informationsarbeit" nötig.

Pilotprojekt hält einige Stolpersteine parat
Das Pilotprojekt selbst findet die Ärztin zwar erfreulich, in der Praxis haben sich bei ihr allerdings einige Stolpersteine gezeigt. "Ganz klaglos geht's nicht." Als Beispiel führte sie etwa an, dass mit der Software eine Wiederverschreibung von Medikamenten an eine Frist gebunden sei, was bedeute, dass sie Patienten ihre Arzneimittel manchmal erst in einigen Tagen verschreiben könne. Problematisch sei es auch, dass nicht alle Apotheken in den Pilotversuch eingebunden sind.

Steinhart beklagte, dass einzelne Ärzte von Software-Herstellern abgelehnt worden seien und betonte, das System könne kein "Selbstbedienungsladen" für Software-Firmen sein. Schelling stimmte zu, dass die Teilnahme nicht über die Software-Hersteller definiert werden könne.

Tatsächliche Umsetzung steht auf wackeligen Beinen
Der Vorstandsvorsitzende des Hauptverbandes zeigte sich zuversichtlich, dass der Pilotversuch die nötigen Erfahrungen bringe und die Probleme beseitigt werden können. Noch heuer werde sich eine Arbeitsgruppe mit den nötigen Änderungen am System beschäftigen. Von dieser Warte aus wäre es "überhaupt kein Problem", wie geplant im Sommer nächsten Jahres mit dem österreichweiten roll-out zu beginnen.

Ein größeres Problem ist allerdings das dafür notwendige Gesetz über die elektronische Gesundheitsakte, das in der Begutachtung regelrecht zerpflückt worden ist. Um den Zeitplan einhalten zu können, müsste es spätestens bis Ende des Jahres umgesetzt werden, was aber angesichts der breiten Kritik unsicher scheint. Steinhart bekräftigte auch gleich die entschiedene Ablehnung der Ärztekammer.

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