Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hat am Mittwoch Armenien besucht. Neben mehreren Programmpunkten kam es auch zu einem außerplanmäßigen Aufenthalt. Schallenberg und sein armenischer Amtskollege Ararat Mirsojan saßen in einem Aufzug fest, der steckengeblieben war. Schallenberg nahm den Vorfall mit Humor: In solchen Momenten, in denen man einander sehr nahekomme, zeige sich sehr schnell, ob die persönliche Chemie stimme. „Ich kann Ihnen versichern, dass sie in diesem Fall stimmt“, scherzte er.
Der Aufzug-Vorfall legte die Spitze der österreichischen Außenpolitik für eine Viertelstunde lahm, danach konnte Schallenberg gemeinsam mit Mirsojan wie vorgesehen ein Kooperationsbüro der Austrian Development Agency (ADA) in der armenischen Hauptstadt Jerewan offiziell eröffnen. Die ADA wickelt die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit (OEZA) ab. Armenien ist ein armes, von hoher Arbeitslosigkeit und Auswanderung geprägtes Land. Es gehört seit 2011 zu den OEZA-Schwerpunktländern, vor 30 Jahren nahmen Österreich und die frühere Sowjetrepublik im Südkaukasus diplomatische Beziehungen auf.
Das Büro in der armenischen Hauptstadt ist bereits seit August 2021 in Betrieb. Es solle „Armenien in Österreich auch mehr auf die politische und wirtschaftliche Landkarte bringen und umgekehrt“, sagte Schallenberg bei der Eröffnung. Er war mit einer Unternehmerdelegation aus 20 Mitgliedern angereist, die am Donnerstag an einem bilateralen Wirtschaftsforum teilnehmen. Mirsojan hoffte auf eine „neue Ebene der bilateralen Beziehungen“ durch das Kooperationsbüro.
Jahrzehntelange Hilfe im Kaukasus
Die österreichische Entwicklungshilfe in Armenien entstand 1988 aus Nothilfe nach einem schweren Erdbeben. Damals starben rund 25.000 Armenier, Zehntausende wurden obdachlos. Seit Mitte der 90er-Jahre flossen mehr als 40 Millionen Euro an Entwicklungshilfe von Österreich nach Armenien. Allein im Vorjahr waren es drei Millionen, dieses Jahr sind 3,3 Millionen veranschlagt. 2021 gab es zusätzliche Hilfen in Millionenhöhe zur Bekämpfung der Corona-Pandemie und zur Bewältigung der Folgen des von Armenien verlorenen Krieges gegen Aserbaidschan um die Region Berg-Karabach aus dem Auslandskatastrophenfonds (AKF).
Der langjährige Konflikt war im Herbst 2020 eskaliert, bei Kämpfen zwischen Armenien und Aserbaidschan wurden mehr als 6500 Menschen getötet, rund 90.000 flohen. Aktuell herrscht ein Waffenstillstand. Von einem Friedensvertrag sind die beiden Staaten weit entfernt. Nach roten Linien für einen möglichen Friedensschluss gefragt, nannte Außenminister Mirsojan die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts der Völker und den Verzicht auf Gewaltanwendung. Er kritisierte jüngste „anti-armenische Rhetorik“ des aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Aliyev: „Das trägt nicht zu einer konstruktiven Atmosphäre bei.“
Armenien „nicht anderen überlassen“
Schallenberg betonte das Interesse Österreichs und der EU an einem „friedlichen, stabilen und prosperierenden“ Südkaukasus. „Wir sind bereit, dieser Region zu helfen.“ Die Karabach-Frage sei eine „offene Wunde“, sagte Schallenberg im Gespräch mit mitgereisten, österreichischen Journalisten. Er strich auch gegenüber Mirsojan hervor, dass beide Seiten auf einen Frieden hinarbeiten müssten. „Sowohl Armenien als auch Aserbaidschan müssen willens sein.“ Mit Blick auf Russland wollte Österreichs Außenminister mit seinem Besuch auch ein Zeichen setzen, dass die EU Armenien „nicht aufgebe und anderen überlasse“. Armenien lehnt sich aufgrund von Sachzwängen stark an Russland an. Es ist sowohl militärisch als auch, was die Energieversorgung betrifft, von Russland abhängig.
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