EU-Gipfel in Brüssel

Abschied für Merkel, Premiere für Schallenberg

Ausland
21.10.2021 20:30

Für Alexander Schallenberg ist es der erste EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs, für Angela Merkel dürfte es der letzte sein. Ein friedlicher Abschied wird es für die deutsche Langzeit-Kanzlerin nicht - beim Gipfel wird heftig über steigende Energiepreise sowie um den Umgang mit dem Sorgenkind Polen gestritten.

„Wer hätte gedacht, dass Angela Merkel länger im Kanzleramt sitzt als Sebastian Kurz?“ Dieses Witzchen macht in politischen Kreisen derzeit die Runde. Das Verhältnis von Kurz und Merkel war nicht ungetrübt, in vielen Fragen, von der Migration über Transit bis zur Debatte um die Corona-Impfstoff-Verteilung, hatte man unterschiedliche Meinungen. „Mit Angela Merkel tritt ein Ruhepol der europäischen Politik von der Bühne ab“, würdigte Kurz’ Nachfolger Alexander Schallenberg die deutsche Kanzlerin, die 16 Jahre lang regiert hatte. Beim kommenden EU-Rat Mitte Dezember dürfte wohl bereits Olaf Scholz (SPD) die Regierungsgeschäfte übernommen haben.

Für Schallenberg ist der Gipfel hingegen eine Premiere, rein formal zumindest. Denn Schallenberg war als Diplomat schon bei unzähligen Gipfeln dabei, außerdem kennt er beinahe alle seine jetzigen Kollegen aus seiner Zeit als Außenminister. Zur Unterstützung und für bilaterale Gespräche ist Europaministerin Karoline Edtstadler mit nach Brüssel gereist. Auch für Schallenberg stehen mehrere Vier-Augen-Termine auf dem Programm, so frühstückt er etwa am Freitag mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.

Milliardenschwere Corona-Hilfen blockiert
Damit war der harmonische Teil des EU-Treffens dann aber auch schon wieder vorbei. So wurde etwa über staatliche Eingriffe wegen der steigenden Energiepreise diskutiert. Dabei kam einmal mehr das Thema Atomkraft auf, vor allem Frankreich wirbt für Nuklearenergie als nachhaltige Energiequelle. Darauf antwortet Schallenberg: „Atomkraft darf nicht salonfähig durch die Hintertür werden.“ Das ist auch die Auflösung der Frage, warum der Bundeskanzler die Finger kreuzt (siehe Bild unten).

Überstrahlt wurde der Gipfel jedoch vom Konflikt der EU mit Polen, obwohl oder vielleicht gerade weil dieses Thema gar nicht offiziell auf der Tagesordnung stand und man im Vorfeld zu bemüht war, den Streit nicht anzusprechen. Worum es geht: Laut einem Urteil des polnischen Verfassungsgerichts sind Teile des EU-Rechts nicht mit der polnischen Verfassung vereinbar. Im Klartext heißt das: Polen will nur, wenn es dem Land passt, EU-Recht anerkennen, sonst nicht. Dazu kommt, dass Polen seit Jahren wegen umstrittener Justizreformen in der Kritik steht.

Schon im EU-Parlament hatten sich Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki einen heftigen Schlagabtausch geliefert. Derzeit sind die milliardenschweren EU-Corona-Hilfen für Polen blockiert, und zwar so lange, bis das Land bestimmte Teile der Justizreform zurücknimmt. Geld sei das einzig wirksame Druckmittel, war am Donnerstag in EU-Kreisen zu hören.

Morawiecki denkt aber nicht daran einzulenken, er spricht von Erpressung. Er lässt sich auf das Machtspiel ein und droht nun seinerseits, das europäische Klimaprojekt zu boykottieren. Unterstützung erhält er vom anderen europäischen Sorgenkind, Ungarns Premier Viktor Orban. Dieser ortet eine „Hexenjagd“ gegen Polen. Andere Staaten, wie etwa die Benelux-Länder, drängen auf einen härteren Kurs gegenüber Polen. Kanzler Schallenberg macht klar, dass die EU-Werte nicht verhandelbar seien, betont aber, ebenso wie Merkel, dass die Dialogbereitschaft aufrechtbleiben müsse.

Merkel: Staatlicher Menschenhandel in Belarus
Auch bei einem anderen Thema wurde gedroht, und zwar mit weiteren Wirtschaftssanktionen gegen Belarus. Denn Alexander Lukaschenko, Europas letzter Diktator, hat Flüchtlinge in organisierter Form aus Krisenregionen an die europäische Außengrenze bringen lassen. Angela Merkel warf Lukaschenko nun staatlichen Menschenhandel vor.

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