Impfgegner, KPÖ feiern

So geht es nach den Denkzettel-Wahlen weiter

Politik
27.09.2021 06:00

Nach der dunkelroten Sensation in Graz und einer veritablen Impfgegner-Überraschung in Oberösterreich steht die heimische Politlandschaft unter Schock - derart, dass in Graz sogar der langjährige ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl abtrat. Wie es in Oberösterreich und in der steirischen Landeshauptstadt jetzt weitergeht - und welche Auswirkungen diese Denkzettel-Wahlen auf den Rest Österreichs haben.

GRAZ: Elke Kahr am Weg zur Stadtchefin
Die Wahl hat die politischen Verhältnisse in Graz auf den Kopf gestellt. Aber es bleibt spannend: Welche Koalitionen sind möglich, welche Variante ist am wahrscheinlichsten?

Siegfried Nagl und Elke Kahr (Bild: Christian Jauschowetz)
Siegfried Nagl und Elke Kahr
  • Rot-Rot-Grün? Im Vorfeld der Wahl wurde viel über eine linke Mehrheit spekuliert. Erste Anbahnungsgespräche soll es Gerüchten zufolge bereits im Wahlkampf gegeben haben. Offen zur Schau stellen wollte man das nicht - so weigerten sich die Spitzenkandidaten Elke Kahr (KPÖ), Judith Schwentner (Grüne) und Michael Ehmann (SPÖ) am Wahltag, sich für ein Foto zusammenzustellen. Die linke Mehrheit ist jedenfalls Wirklichkeit geworden: 56 Prozent. Alles geht jetzt davon aus, dass Rot-Rot-Grün kommt. Mit etwas Verhandlungsgeschick könnten die „Sozis“ doch noch einen Stadtrat stellen.
  • Schwarz-Blau? Siegfried Nagl hätte am liebsten mit der FPÖ weiterregiert. Und auch Mario Eustacchio (FPÖ) wäre dazu bereit gewesen - obwohl Nagl auch ihn, seinen Koalitionspartner, mit dem Wahltermin überrumpelt hatte. Allein, es geht sich rechnerisch nicht aus, und zwar bei Weitem nicht: 36,6 Prozent - die ÖVP verliert mehr als zehn Prozent, Eustacchio fünf.
  • ÖVP-KPÖ? ÖVP und KPÖ hätten eine komfortable Mehrheit: 55 Prozent. Nagl hat im Wahlkampf eine Koalition mit den Kommunisten dezidiert ausgeschlossen. Die Weltanschauungen der Parteien seien zu unterschiedlich. Dass Nagls logischer Nachfolger Kurt Hohensinner das anders sieht, ist nicht anzunehmen.
  • Schwarz-Grün? Schwarz-Grün galt im Vorfeld der Wahl als die wahrscheinlichste Koalitionsvariante. Judith Schwentner formulierte bereits ihre Bedingung: Es müsse eine „Klimaschutz-Koalition“ sein, sagte sie im Interview mit der „Krone“. Dieser Arbeitstitel hätte wohl auch Nagl gut gefallen, entspricht er doch dem Zeitgeist. Nach der ersten Hochrechnung hatte sich das Thema ohnehin erledigt. ÖVP und Grüne haben keine Mehrheit - daran können auch die Wahlkarten nichts mehr ändern.
  • Freies Spiel der Kräfte? Eine Möglichkeit ist, dass es keine fixe Koalition gibt und die Parteien in Sachfragen Mehrheit suchen. Kahr kann sich das vorstellen, die anderen Parteien sind skeptisch - der Tenor: Es braucht stabile Verhältnisse. 

OBERÖSTERREICH: Heikle Koalitionsfrage aus Bundessicht
In Oberösterreich bleibt die Frage: Mit wem wird Landeshauptmann Thomas Stelzer nun koalieren? Mehrheiten gingen sich für ihn mit Blauen, Roten oder Grünen aus, der ÖVP-Mann hat also die Wahl - und die ist aus Bundessicht heikel.

Bundeskanzler Sebastian Kurz und Landeshauptmann Thomas Stelzer mit seinem Team im ÖVP-Wahlzentrum (Bild: APA/TEAM FOTOKERSCHI)
Bundeskanzler Sebastian Kurz und Landeshauptmann Thomas Stelzer mit seinem Team im ÖVP-Wahlzentrum
  • Schwarz-Blau? Trotz des längst völlig entgleisten Corona-Dauerkonflikts der Türkisen mit den Blauen in Wien deutet nicht wenig darauf hin, dass Stelzer trotzdem weiterhin mit den nun geschwächten Freiheitlichen regieren wird. So warb etwa der blaue General Michael Schnedlitz für eine Neuauflage von Schwarz-Blau in Linz. Die bestehende Koalition in Oberösterreich ist auch jene, die sich die meisten Oberösterreicher wünschen: 27 Prozent möchten, dass Stelzer und FPÖ-Landeschef Manfred Haimbuchner wieder zusammenarbeiten.
  • Schwarz-Grün? Die Grünen - immerhin Koalitionspartner der ÖVP auf Bundesebene und in Oberösterreich mit Stefan Kaineder von einem Bürgerlichen mit Jungschar-Vergangenheit angeführt - erklärten nach der Wahl einmal mehr, unbedingt mitregieren zu wollen. Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer sieht im Ergebnis einen „klaren Auftrag, Regierungsverantwortung zu übernehmen“, auch Vizekanzler und Parteichef Werner Kogler sprach sich klar dafür aus. „Möglich ist es“, so Kogler, „aber es liegt nicht an uns.“ Jedenfalls wäre eine schwarz-grüne Koalition mit Klima-Schwerpunkt seiner Ansicht nach „verantwortungsvoller und stabiler“ als ein Bündnis von ÖVP und FPÖ.
  • Schwarz-Rot? Die SPÖ hält es selbst für ausgeschlossen, gefragt zu werden: „Ich rechne nicht damit“, erklärte Abgeordneter Alois Stöger. Schwarz-Blau hält er für eine „ausgemachte Sache“.

Türkis-Grün hat jetzt die Mehrheit im Bundesrat
Letztlich hat diese Oberösterreich-Wahl - krone.at berichtete - auch unmittelbare Auswirkungen auf die Bundespolitik, und zwar auf die Mehrheitsverhältnisse im Parlament: Denn mit den herben Verlusten der Freiheitlichen bei der Landtagswahl geht einher, dass die Partei einen Sitz im Bundesrat an die ÖVP verliert - womit die beiden Regierungsparteien im Bund nunmehr auch über eine Mehrheit in der Länderkammer des Hohen Hauses verfügen. Das bedeutet: Die Opposition kann künftig nicht mehr wie bisher türkis-grüne Ansinnen verzögern - oder gar verhindern, so es sich um Länderfragen handelt.

Menschen - Freiheit - Grundrechte
Und dann wären da noch die Impfskeptiker, die jetzt - krone.at berichtete - in den OÖ-Landtag einziehen dürfen. Bundesobmann Michael Brunner wurde damit bekannt, dass er mehrere Verfassungsbeschwerden gegen die Covid-Maßnahmen eingebracht hat. Spitzenkandidat Joachim Aigner ist Inhaber einer Steuerberatungskanzlei und stammt aus Ried im Innkreis. Er wurde im Juli zum Chef der Partei gewählt und war, wie auch die anderen Proponenten der Partei, in der politischen Landschaft bisher weitgehend unbekannt.

Die Partei startete einen Aufruf an die Braunauer: Jene, „die von der Abriegelung im Bezirk in ihren Grundrechten direkt verletzt sind“, könnten sich bei MFG melden. Die Partei würde dann eine weitere Verfassungsbeschwerde einbringen.

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