Fall fürs Parlament

Causa Hygiene Austria: „Spitze des Eisbergs“

Politik
09.03.2021 11:27

Am Dienstag startet der „kleine Untersuchungsausschuss“ im Parlament, der Beschaffungsvorgänge und Auftragsvergaben der türkis-grünen Regierung für Schutzkleidung in der Corona-Pandemie unter die Lupe nehmen wird. Großes Thema ist die Hausdurchsuchung beim Maskenhersteller Hygiene Austria vergangene Woche. Das sei aber nur die „Spitze des Eisberges“, so die SPÖ-Abgeordnete Karin Greiner. Im Ausschuss hätte heute Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) Rede und Antwort stehen sollen - er hat aber krankheitsbedingt abgesagt.

„Absprachen in dunklen Hinterzimmern“ nicht tolerieren, das ist die erklärte Ansage der Oppositionsparteien SPÖ, FPÖ und NEOS vor dem Start des „kleinen Untersuchungsausschusses“. Im ständigen Unterausschuss des Rechnungshofausschusses, wie er offiziell heißt, wollen die Abgeordneten wesentliche Fragen zur Beschaffung von Corona-Schutzausrüstung näher beleuchten. Auffällig sei jedenfalls, dass oft Firmen in Beschaffungsvorgängen zum Zuge gekommen seien, die eine „Nähe“ zu ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz aufwiesen, so SPÖ-Fraktionsführerin Karin Greiner. Eine Reihe von parlamentarischen Anfragen, die Licht ins Dunkel bringen sollten, blieben mehr oder weniger unbeantwortet. Daher müsse man für Transparenz sorgen, sagte Greiner.

ÖVP „nicht an Aufklärung interessiert“
Größtes Thema ist freilich die Razzia bei Hygiene Austria vergangene Woche und die zahlreichen ans Licht gekommenen Vorwürfe. NEOS-Abgeordneter Douglas Hoyos findet es „unbegreiflich“, dass das Gesundheitsministerium zwar im direkten Kontakt mit dem Unternehmen war, sich aber nie jemand die Frage gestellt habe, ob die FFP2-Masken qualitativ hochwertig seien. Hier gebe es eine „Achse ÖVP-Palmers“, die nicht an Aufklärung interessiert sei, so Hoyos.

Er will auch durchleuchten, wo an anderer Stelle Steuergeld für Schutzmaßnahmen ausgegeben wurde. Zwar müsse der Schutz der Gesundheit an erster Stelle stehen, aber auch hier müsse man effizient arbeiten. Hoyos rechnete vor, dass bisher 700 Millionen Euro ausgegeben wurden, was 80 Euro pro Österreicher entspricht. In Deutschland seien es nur 24 Euro pro Kopf.

Der FPÖ-Abgeordnete Wolfgang Zanger übt heftige Kritik an der Bundesbeschaffung Gmbh (BBG). BBG könne auch für „Blackbox-Gesellschaft“ stehen, kritisierte er „in völliger Intransparenz“ getroffene „nicht nachvollziehbare Entscheidungen“. So hätten sich etwa Unternehmen gemeldet, die an Ausschreibungen teilnehmen wollten, aber die Auskunft bekamen, sie könnten sich nicht listen lassen, da sie bisher keine Ausschreibung gewonnen hätten - obwohl ihr Produkt völlig neu war.

„Großer“ U-Ausschuss gefordert
Zanger fordert einen echten Untersuchungsausschuss, bei dem es mehr Spielraum gebe, was die Ladung von Auskunftspersonen, weitere Aktenlieferungen und mehr Termine angehe. Derzeit ist das Ende des kleinen Untersuchungsausschusses mit 29. Juni fixiert. Trotzdem werde der Ausschuss im Rahmen seiner Möglichkeiten ganze Arbeit leisten, betonten die drei Abgeordneten. In der jetzigen Situation vermutet Zanger allerdings, dass „die ÖVP uns behindert, wo es nur geht“ - etwa was Ladungen bestimmter Personen angehe.

Prominente Namen auf der Liste der gewünschten Auskunftspersonen sind der Corona-Sonderbeauftragte der Bundesregierung, Clemens Martin Auer (ÖVP), der Leiter des Krisenstabs, Gerald Schimpf, der Chef des Roten Kreuzes, Gerry Foitik, sowie der Medienbeauftragte des Bundeskanzlers, Gerald Fleischmann.

Anschober erkrankt
Unklar ist, ob die für Dienstag geplante erste Sitzung stattfindet. Denn der einzige Tagesordnungspunkt wäre eine Befragung von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) gewesen. Dieser hat seine Teilnahme krankheitsbedingt abgesagt, wie Parlamentssprecher Karl-Heinz Grundböck auf Nachfrage von krone.at bestätigt. Die Abgeordneten waren am Vormittag davon noch nicht offiziell informiert und konnten daher auch noch nicht sagen, ob die Ausschusssitzung stattfindet. Es sei jedenfalls „sehr spannend“, dass man noch nicht informiert sei. Der Termin soll jedenfalls nachgeholt werden.

Fragen an den Minister hätten die Abgeordneten einige. SPÖ-Abgeordnete Greiner will Anschober zu den Pressekonferenzen befragen, wo es „nur Ankündigungen“ gebe, aber keine klaren Ansagen. Sie kritisierte zugleich, dass die Mittel der Regierung für die Eigen-PR im Vergleich zu den Ausgaben in der Pandemiebekämpfung „viel zu hoch“ seien. Zudem soll er dazu befragt werden, warum es für den Versand von FFP2-Masken an Über-65-Jährige einen geheimen Ministerratsbeschluss gebraucht habe. Die NEOS vermuten, dass so indirekt versucht worden sei, den Auftrag einem heimischen Anbieter zukommen zu lassen.

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