SPÖ-Wunschkandidat

ORF: Fritz Dittlbacher neuer TV-Chefredakteur

Österreich
20.10.2010 19:17
Fritz Dittlbacher ist am Mittwoch von ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz zum neuen Chefredakteur der ORF-Fernsehinformation bestellt worden. Das eindeutige Votum der Redakteursversammlung der Fernsehinformation für Dittlbacher sei ein "klares Signal, dass mit seiner Bestellung auch nach Meinung der Redaktion der Weg der Unabhängigkeit und Professionalität des Journalismus konsequent fortgesetzt wird", so Wrabetz.

Der 47-jährige Dittlbacher galt zuletzt als haushoher Favorit für die Nachfolge von Karl Amon und als kolportierter SPÖ-Wunsch für den Posten. Die geltende Geschäftsverteilung in der Fernsehinformation bleibt laut Wrabetz aufrecht. Hans Bürger ist weiter stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Ressorts Inland. "Nach dem Ausscheiden von Waltraud Langer und Stefan Ströbitzer wird das Team der Chefredaktion jedoch zu ergänzen sein", so Wrabetz. "Über entsprechende Vorschläge, auch des neuen Chefredakteurs, sollten wir möglichst rasch Einvernehmen erzielen."

Armin Wolf, der sich ebenfalls um den Posten des Chefredakteurs beworben hat, sei laut Wrabetz als Chefmoderator der "ZiB 2" unverzichtbar. Der ORF-Chef hält es aber für wichtig, ihm in den Bereichen Innovationsmanagement und Neue Medien zusätzliche Verantwortung zu übertragen. "Dies soll in die Überlegungen zur Bildung eines Führungsteams der Fernsehinformation einbezogen werden."

"Journalistisch und kollegial untadelig"
Dass Dittlbacher sein Handwerk versteht, spricht ihm im ORF niemand ab: Organisatorisch habe er in jedem Fall das Zeug dazu, wird ihm von langjährigen Wegbegleitern - auch aus der konservativen Ecke - zugestanden. Journalistisch und kollegial sei Dittlbacher ebenso untadelig, ist allerorts zu hören. "Er kann gut mit Leuten umgehen", heißt es.

Der bisherige stellvertretende Innenpolitikchef wird von der Kollegenschaft denn auch heftig gegen Punzierungsversuche und politische Attacken von außen in Schutz genommen: Wiewohl er als roter Parteiwunsch gilt, sei Dittlbacher gegen politische Einflüsse immun, betonen die ORF-Kollegen, die ihn in einer Redakteursversammlung mit eindrucksvoller Mehrheit unterstützten. Dittlbacher selbst bezeichnet sich als "sozial denkend".

ÖVP gegen Dittlbacher
Die ÖVP ging schon im Vorfeld gegen Dittlbachers Bestellung auf die Barrikaden, weil dieser einst bei SPÖ-Parteiblättern das journalistische Handwerk lernte. "Die ORF-Führung hat sich offenbar mit Haut und Haaren der SPÖ-Führung unterworfen. Sie fällt offenbar keine Entscheidung ohne Rückfrage am Ballhausplatz", meinte etwa ÖVP-Klubobmann und -Mediensprecher Karlheinz Kopf nur wenige Stunden vor der erwarteten Bestellung Dittlbachers.

ORF-Chef Alexander Wrabetz empfehle sich damit nicht für eine Wiederwahl. Wrabetz selbst bezeichnete Dittlbacher unterdessen als "klares Signal" für den weiteren Weg der Unabhängigkeit des ORF.

Studium in Wien
Der künftige Fernseh-Chefredakteur wurde am 16. März 1963 in Kirchdorf an der Krems geboren, absolvierte die Höhere Technische Lehranstalt in Wels, die er mit der Matura für chemische Betriebstechnik abschloss.

Danach übersiedelte der Oberösterreicher nach Wien, wo er das Studium der Geschichte und Publizistik belegte. Dittlbachers Dissertation behandelte Bauernräte in der Ersten Republik und trug den Titel "Die Revolution auf dem Lande". Journalistisch sozialisiert wurde Dittlbacher bei früheren SPÖ-Parteizeitungen.

Journalistisches Handwerk bei SPÖ-Parteiblättern gelernt
Während des Studiums startete er seine schreiberische Laufbahn zunächst als freier Mitarbeiter beim sozialdemokratischen "Oberösterreichischen Tagblatt", 1984 wechselte er dann zum SPÖ-Parteiorgan "Arbeiterzeitung". Innenpolitikchef des Blattes wurde Dittlbacher freilich erst, nachdem dieses verkauft, parteiunabhängig als linksliberales Projekt geführt wurde und der legendäre "Zeit im Bild 2"-Moderator Robert Hochner dort kurzzeitig die Chefredaktion übernommen hatte.

Nach der Einstellung der Zeitung wechselte Dittlbacher 1992 als Innenpolitik-Redakteur zum ORF-Radio. Zwischenzeitlich als EU-Korrespondent in Brüssel eingesetzt, landete er 1997 in der "Zeit im Bild"-Redaktion des ORF-Fernsehens. Seit 1999 ist Dittlbacher Chefreporter und stellvertretender Leiter des Innenpolitik-Ressorts. Daneben moderierte er in der "Pressestunde".

"Acht-Sekunden-Affäre"
In der ÖVP hält man Dittlbacher noch immer die "Acht-Sekunden-Affäre" vor. Im Nationalratswahlkampf 1999 war er einer jener diensthabenden Redakteure, die dafür gesorgt haben sollen, dass in einem "ZiB"-Beitrag über die Euroteam-Affäre eine Passage, in der der Sohn des damaligen SP-Kanzlers Viktor Klima vorkommen sollte, wieder herausgenommen wurde. Als "Acht-Sekunden-Schneider" wird Dittlbacher deshalb in ÖVP-Kreisen bezeichnet.

Dittlbacher ist auf die Geschichte zwar nicht besonders stolz, wies Kollegen gegenüber aber darauf hin, dass er und andere sich damals dafür eingesetzt hätten, dass es überhaupt eine Geschichte zur für die SPÖ unangenehmen Euroteam-Affäre gegeben hat. Man habe damals eine Grundgeschichte ohne Kanzler-Sohn gegen den expliziten Wunsch der damaligen Geschäftsführung aufgestellt, die nach SPÖ-Interventionen der Meinung war, die ganze Causa sei keine Geschichte. Kollegen meinen denn auch, man habe sich damals im Nachhinein an Dittlbacher abgeputzt.

Interne "Ehe-Regelung" hält Dittlbacher nicht auf
Privat ist Dittlbacher mit "ZiB 2"-Moderatorin Lou Lorenz-Dittlbacher verheiratet. Sie wäre fast zum einzigen "Stolperstein" auf dem Weg zum Chefredakteur geworden, hätte die ORF-Führung nicht über eine frühere interne ORF-Regelung, wonach verheiratete Paar im ORF nicht in der gleichen Abteilung hierarchisch untereinander tätig sein dürfen, großzügig hinweggesehen. Er würde seiner Frau sicher nicht die Karriere vermasseln. Dann würde er den Posten eben nicht anstreben, soll Dittlbacher ORF-intern erklärt haben.

In der Chefredaktion der aktuellen Fernseh-Information hat Dittlbacher nun einige Herausforderungen vor sich. Nachdem der Großteil der bisherigen Führungsmannschaft in neue Funktionen abhanden gekommen ist, muss ein neues redaktionelles Führungsteam gebildet werden. Daneben gilt es mit den zuletzt von "ZiB"-Redakteuren massiv kritisierten Sparzwängen zu leben. Und Dittlbacher ist offenbar nicht der Wunschkandidat von Informationsdirektor Elmar Oberhauser, der "ZiB 2"-Chefmoderator Armin Wolf für den Job vorgeschlagen hatte.

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