Simpler, aber cleverer

Fadenwurm dient als Vorbild für neuronales Netz

Web
14.10.2020 08:30

Der Fadenwurm „C. elegans“ kann mit seinem nur 302 Neuronen zählenden Nervensystem recht komplexe Aufgaben meistern. Nach dem Vorbild des kleinen Wurms haben nun österreichische Forscher künstliche neuronale Netze verbessert. Mit einem einfacheren, kleineren Netz bestehend aus nur 19 Zellen lassen sich Aufgaben wie das Spurhalten eines autonomen Fahrzeugs effizienter und zuverlässiger lösen lassen als bisher.

Lern- und anpassungsfähige Programme, die man als künstliche Intelligenz bezeichnet, können durch Analyse großer Datenmengen und Erfahrung lernen. Das ist etwa bei der Sprachsteuerung am Handy, Suchmaschinen, Übersetzungsprogrammen oder selbstfahrenden Autos bereits Realität. Angetrieben wird die Entwicklung vor allem durch große vorhandene Datenmengen und immer höhere Rechenleistung.

Das Forscherteam der Technischen Universität Wien, des Institute of Science and Technology Austria (IST) in Klosterneuburg und des Massachusetts Institute of Technology hat sich in seiner Arbeit überlegt, wie man die Komplexität künstlicher neuronaler Netze reduzieren kann. Orientiert haben sie sich dabei an der Natur - konkret am Fadenwurm. Der zeigt mit einer verblüffend kleinen Zahl von Nervenzellen interessante Verhaltensmuster. „Das liegt an der effizienten und harmonischen Art, wie sein Nervensystem Information verarbeitet“, erklärte Radu Grosu, Leiter der Forschungsgruppe „Cyber-Physical Systems“ an der TU Wien, in einer Aussendung.

Mathematische Modelle von Natur inspiriert
„Inspiriert von der Natur haben wir neue mathematische Modelle für Neuronen und Synapsen entwickelt“, so der Informatiker Thomas Henzinger, Präsident des IST Austria. Das Netz des neuen KI-Modells sei viel einfacher, weil nicht jede Zelle mit jeder anderen verbunden wurde. Zudem gehorche die Verarbeitung der Signale innerhalb der einzelnen Zellen anderen mathematischen Regeln als bei bisherigen Deep-Learning-Modellen.

Nach Ansicht des Forscherteams hat das System entscheidende Vorteile gegenüber bisherigen Modellen: Es kommt viel besser mit gestörten Eingaben zurecht und aufgrund seiner Einfachheit kann seine Funktionsweise im Detail erklärt werden.

Getestet haben die Forscher ihr Modell beim Spurhalten eines autonomen Fahrzeugs. Für solche Aufgaben würden heute oft Deep-Learning-Modelle mit Millionen an Parametern verwendet, „unser System kommt mit 75.000 trainierbaren Parametern aus“, so Mathias Lechner, PhD-Student am IST Austria.

Zweiteiliges System
Das neue System besteht aus zwei Teilen: Ein Netzwerk verarbeitet den Kamera-Input und entscheidet, welche Teile des Bildes wichtig sind. Es gibt dann Signale an das Kontrollsystem des neuronalen Netzwerks weiter, welches das Fahrzeug lenkt. Das Kontrollsystem besteht dabei nur aus 19 Zellen, das sei „um drei Größenordnungen kleiner als es mit bisherigen State-of-the-art-Modellen möglich wäre“, so Lechner.

Um zu testen, wie robust das neue System im Vergleich zu bisherigen Deep-Learning-Modellen ist, haben die Forscher die Bilder künstlich verschlechtert. Während andere Netzwerke mit einem solchen Bildrauschen nur schwer zurechtkommen, „ist unser System sehr widerstandsfähig gegenüber Artefakten beim Input. Diese Eigenschaft ist eine direkte Folge des neuartigen Modells und seiner Architektur“, erklärte Lechner.

Das neue Modell hat noch weitere Vorteile: Bei jeder einzelnen Entscheidung des Systems lässt sich die Rolle jeder einzelnen Zelle identifizieren. So lässt sich die Funktion der Zellen verstehen und ihr Verhalten erklären, während größere Deep Learning-Modelle dagegen eine „Black Box“ darstellen. Zudem ermöglicht die Methode, die Dauer des Trainings zu reduzieren, und schafft die Möglichkeit, künstliche Intelligenz in relativ einfachen Systemen zu implementieren, betonen die Forscher.

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