Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat Dienstagabend in Alpbach dazu aufgerufen, hinsichtlich der Orientierung Österreichs in der EU „ein bisschen mehr wie das Baltikum“ zu sein, „weil diese Länder in wichtigen Fragen das tun, was Not tut“. Die Menschen in Lettland seien „wahre EU-Fans“, und ein Enthusiasmus für Europa wie dort „würde uns hier in Österreich auch guttun“, sagte Van der Bellen in Anwesenheit seines lettischen Amtskollegen Edgars Rinkevics.
Alpbach als Ort, „wo Menschen zusammenkommen und über die Zukunft nachdenken“, sei ein „Wegweiser“. Die Frage sei allerdings, in welche Richtung man blicken und gehen wolle. In der einen Richtung sehe man beispielsweise „ein Nachbarland, in dem die Medienfreiheit zunehmend beschnitten“ werde sowie Rechtsstaat und Justiz untergraben und Grundrechte eingeschränkt würden, „ein Land, das keine liberale Demokratie mehr ist“.
Lettland hingegen grenze direkt an Russland und damit an ein Land, „das einen brutalen Angriffskrieg führt“ und von einem Großreich träume. „Wer eine so große Gefahr direkt vor der eigenen Haustüre sieht, weiß, dass es eine schlechte Idee ist, ihr ganz alleine gegenüberzustehen.“ In Lettland sei den meisten Menschen klar, „dass man starke Bündnisse schafft, dass man sich Freunde an die Seite holt, dass man innerhalb der EU zusammenhilft“.
Europäische Union „starkes Bündnis“
Das Baltikum spiele eine entscheidende Rolle für die Sicherheit der EU, umgekehrt gelte das aber ebenfalls. Die Europäische Union sei „ein starkes Bündnis, egal, welche Gefahr vor der Haustüre steht, und die Menschen in Lettland wissen das glaube ich“. Dort sei „ein Drive nach vorne“ und „ein Schub in der Digitalisierung, der Landesverteidigung und vielen anderen Bereichen“ zu spüren.
Auf die großen Fragen wie den Umgang mit dem Klimawandel, der Künstlichen Intelligenz, Migrationsbewegungen oder der „Verteidigung gegen Kriegstreiber“ gebe es keine einfachen Antworten, so Van der Bellen. „Was aber auf jeden Fall substanzieller Teil dieser Antworten sein muss, ist Europa.“ Orientierung sei freilich nicht alles, das sage er auch als „alter Bergfex“: „Man muss sich schon auch auf den Weg machen.“ Europa sei nicht nur die Idee von Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit. „Europa ist, was wir aus dieser Idee machen.“
„Schmerzhafte Reformen“ vor Beitritten 2004
Der lettische Präsident Rinkevics verwies in seiner Rede zur Eröffnung der „Austria in Europe Days“ beim Europäischen Forum Alpbach auf die EU-Beitritte beider Länder. 2004 habe man in Lettland 20 Jahre EU- und NATO-Beitritt gefeiert. Wenn man nun auf die mitunter „herausfordernden Entscheidungen“ und „schmerzhaften Reformen“ im Zuge der damaligen EU-Erweiterungen zurückblicke, dann sehe man, dass „diese Entscheidungen richtig und korrekt waren“.
Die Europäische Union sei sehr stark, was die Kompromissfähigkeit angehe. Leider sei sie gleichzeitig aber auch sehr prozess- und nicht ergebnisorientiert genug. Das führe dazu, dass die EU in manchen Bereichen ins Hintertreffen gerate, warnte Rinkevics. „Wir müssen auf die sich verändernde Umwelt reagieren, die wir global sehen.“ Der lettische Präsident rief dazu auf, „ein starkes Europa“ zu entwickeln. „Damit meine ich die Verteidigung Europas.“ Lettland verfolge ein Fünf-Prozent-Ziel bei den Verteidigungsausgaben. „Und wir haben gute Gründe dafür, das zu tun.“
Erhöhung „keine einfache Übung“
Die Erhöhung der Verteidigungsausgaben sei freilich „keine einfache Übung“, gestand der lettische Präsident bei der folgenden Podiumsdiskussion ein. Sie erfordere schwierige Entscheidungen – mit möglichen Folgen für den Sozial-, Gesundheits- oder Bildungsbereich.
Befragt zum Thema Neutralität hielt Van der Bellen fest, er teile die mitunter sentimentalen Gefühle vieler Österreicher in dieser Frage bis zu einem gewissen Grad. Er würde auch nicht dazu raten, dass Österreich ausgerechnet jetzt um eine NATO-Mitgliedschaft ansuche, sondern im Moment eher abwarten. Van der Bellen wies in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass Österreich seit seinem EU-Beitritt in der Gemeinschaft nie als Blockierer bei militärpolitischen Initiativen aufgetreten sei.
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