Im Brennpunkt

Wovor sich Schüler am meisten fürchten

Leben
05.03.2020 10:17

Immer mehr Schüler leiden unter Druck, ausgelöst durch teils zu hohe Erwartungen - auch seitens der Eltern. Experten erklären.

Schule ohne Prüfungen klingt wie Gefängnis ohne Mauern. Das hätten viele Betroffene – da wie dort – wohl gerne. In Bezug auf die Schule lässt sich dies aus einer aktuellen Studie von „LernQuadrat“ ablesen (Details siehe rechts): Demnach fürchten sich mehr als die Hälfte der befragten Schüler, wenn eine Prüfung ansteht, 37 Prozent empfinden den Schulalltag als eine heftige Belastung. „LernQuadrat-Gründer“ Konrad Zimmermanns Tenor: „Schule könnte so schön sein – wenn es keine Prüfungen gäbe“

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Schule könnte so schön sein – wenn es keine Prüfungen gäbe.

Konrad Zimmermann

Prüfungskonsequenzen machen Angst
Viele kennen das. Lampenfieber. Angstschweiß. Sprachlosigkeit. Alles Gelernte plötzlich weg. Woher kommt die Angst? Die langjährige Bildungsexpertin und ehemalige Gymnasiumsdirektorin Christa Koenne glaubt, des Übels Wurzel zu kennen. „Es sind nicht die Prüfungen, es sind die Konsequenzen daraus, die Angst machen. Wir brauchen eine andere Feedback-Kultur. Den Noten wird zu viel Gewicht beigemessen. Und die Lehrer geraten dadurch auch unter Druck, weil sie mit Benotungen Kategorisierungen vornehmen. Etwa wenn es darum geht, ob ein Kind in die Hauptschule oder in ein Gymnasium gehen soll.“

Andreas Ferner ist Lehrer und Kabarettist in Wien (gerade mit seinem Programm „Chill amal, Fessor!“ unterwegs), verfolgt trotz seines humoristischen Zuganges eine harte Linie. „Noten müssen sein, auch Prüfungen. Wir müssen die Jugendlichen auf die Arbeitswelt vorbereiten. Dort müssen sie auch im Wettbewerb bestehen.“ Ängste seien normal. „Man kann scheitern, aber man muss sich mit seinen Ängsten auseinandersetzen und sich ihnen stellen. Wenn man das nicht tut, hat man schon verloren.“

Die Schulpsychologen wollen mehr Personal
Apropos Angst. Das gefürchtetste Fach ist laut Studie Mathematik. Weil so trocken? Jürgen Bell, Leiter der schulpsychologischen Abteilung Wiens, sagt nein: „Es hängt nicht vom Fach ab, sondern von der Art der Vermittlung des Stoffes.“ Bell und sein rund 30-köpfiges Team beraten anonym, haben jedenfalls alle Hände voll zu tun. 700 Schulen, 230.000 Schüler, 26.000 Lehrer. Zentrale Problemzonen sind Gewaltprävention, Radikalisierung, Beratungen bei Schülern mit Versagensängsten. „Oft ausgelöst durch den Druck der Eltern. Wir bräuchten mehr Aussprachen mit Eltern und Lehrern. Und auch mehr Personal. Bundesweit.“

Übrigens: Drei von zehn Schülern haben laut Studie schon die Schule geschwänzt. Das allerdings muss nicht unbedingt furchterregend sein. Selbst der einstige Musterschüler Sebastian Kurz hat das „Stangeln“ zugegeben. Es hat ihm nicht geschadet.

Mobbing und andere Medikamente
Mehr als 631 Jugendliche von 10 bis 19 wurden von LernQuadrat befragt - demnach fürchten sich 55 Prozent fast immer, wenn eine Prüfung ansteht.Das bedeutet eine Steigerung gegenüber der letzten Untersuchung vor einigen Jahren. Konrad Zimmermann, ehemaliger Lehrer, ist seit 1996 um eine Verbesserung des Schulsystems bemüht.

Er ist frustriert. „Es wird nicht besser. Im Gegenteil. Wir verkaufen keine Autos, wir reparieren nur. Es gibt so viele Schwachstellen. Vor allem beim Thema Angst. Lernen unter Angst bringt nichts.“ Seine Studie hat jedenfalls einige von diesen ans Licht gebracht.

Versagen als Grund, sich zu schämen
Mädchen sind von Prüfungsängsten deutlich öfter betroffen als Burschen, ältere Schüler häufiger als jüngere, schlechte Schüler eher als gute. Zusätzlichen Stress mache der Zeitdruck bei Prüfungen, den 38 Prozent als sehr belastend bezeichnen. Jeder Fünfte empfindet das Versagen bei einer Prüfung als Grund, sich zu schämen: vor den Lehrern, den Eltern und ganz besonders vor den Mitschülern. Die Folgen dieser Prüfungsängste sind bedenklich: 31 Prozent der Befragten schlafen in der Nacht vor einer Prüfung meistens schlecht, 19 Prozent leiden an solchen Tagen unter Appetitlosigkeit. Rund 12 Prozent bekämpfen ihre Angst mit Kaffee und Energy Drinks, knapp sechs Prozent nehmen sogar Beruhigungs-Medikamente. Typische Symptome für Schulangst sind Schlafstörungen, Übelkeit, Kopf- oder Bauchschmerzen, allgemeine Lustlosigkeit.

Hinzu kommen Versagensängste, Angst vor Strafen, vor Demütigung und Mobbing. Die daraus resultierenden Folgen können laut Zimmermann physischer und psychischer Natur sein. Einhergehend mit dem Verlust an Selbstvertrauen.

Erich Vogl, Kronen Zeitung

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(Bild: kmm)



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