Mercedes startet im Frühjahr 2020 mit dem Kompakt-SUV GLB in den Markt und sprengt damit gewissermaßen die Grenzen der eigenen Kompaktplattform. So bietet er mehr Platz als sein großer Bruder GLC aus der Klasse darüber. Und irgendwie will er es allen recht machen - inklusive supersportlich ausgerichteten Familienvätern. Und das durchaus erfolgreich.
Mit 4,63 Meter Länge und 2,83 Meter Radstand ist der GLB für Kompaktklassenverhältnisse ein ganz schönes Trumm geworden, immerhin sind das 21 Zentimeter mehr Länge und zehn Zentimeter mehr Radstand als bei der aktuellen B-Klasse. Da geht sich sogar eine dritte Sitzreihe aus - was den GLB zu einem veritablen SUV-Van, also einem SUVan macht.
Den GLB als die SUV-Version der B-Klasse zu bezeichnen, wird ihm auf keinen Fall gerecht. Schon gar nicht optisch. Wo der Daimler bei der B-Klasse versucht hat, die Front kantig zu halten und möglichst tief zu ziehen, ist der GLB vorn ziemlich hoch und rundlich. Er hat auch nicht den Anspruch, so sportlich auszusehen wie seine Kompaktbrüder, er betont die schiere Größe und sein SUV-Dasein. Mercedes-Exterieur-Design-Chef Robert Lesnik sieht GLS und G-Klasse zitiert. Der ziemlich ausladende vordere Überhang sorgt dafür, dass der Anblick vorn von der Seite nicht gerade die Schokoladenseite ist.
Aber das ist Geschmackssache. Fakt ist: Der Mercedes GLB ist kaum kleiner als sein großer Bruder GLC. Dementsprechend opulent geht es im Innenraum zu. Auf der teils serienmäßig, teils optional um 14 Zentimeter verschiebbaren Rückbank herrscht Luxus und Wohlstand und in der optionalen dritten Sitzreihe können es bis zu 1,68 Meter große Mitfahrer durchaus aushalten. Auch dank der elegant kaschierten Dacherhöhung. Nur das Aussteigen wird etwas mühsam, Familien sollten also eher die Kinder als die Großeltern nach ganz hinten verfrachten.
Viel Platz und Infotainment
In Sachen Gepäck warten beim Fünfsitzer 570 bis 1805 Liter Volumen auf Füllung; hat man die versenkbaren Einzelsitze Nummer sechs und sieben geordert, sind es 500 bis 1680 Liter. Hinter die dritte Sitzreihe passen bis zu ihrer Lehnenoberkante noch 130 Liter. Für die ganz großen Transportaufgaben kann man einen umlegbaren Beifahrersitz bestellen. Mercedes-like ist aber wohl eher der Multikontursitz mit Massagefunktion.
Infotainment-technisch ist er GLB voll und ganz eine B-Klasse und damit moderner als der deutlich teurere GLC. Der durchgängige Bildschirm fasst zwei bis zu 10,25 Zoll große Displays zusammen und auch die ziemlich gute Sprachbedienung, die auf Hey Mercedes hört, ist erhältlich. MBUX ist das Stichwort für die große Digitalisierungsfreude. Schade nur, dass ein wesentlicher Teil des tollen Displays teilweise vom Lenkrad verdeckt wird. Das ist vor allem bei Verwendung des Navigationssystems störend.
Apropos: Der MBUX-Bildschirm kann Navigationshinweise in das Live-Bild der Vorauskamera einblenden. Das ist eine nette Technik-Spielerei, aber in der Praxis völlig unbrauchbar.
Offroader für den Familienausflug
Bei aller Familientauglichkeit: Die Anmutung im Innenraum ist mehr Geländewagen als Van, da ist der GLB konsequent. Die Türgriffe sind eher massiv als elegant und die Konsole vor dem Beifahrer ist einem Haltegriff nachempfunden.
Das geht so auch in Ordnung, denn der Mercedes GLB wird im Gelände - vor allem mit Offroad-Technik-Paket - zu einem richtigen Draufgänger. Bei ersten Testfahrten in Südspanien hat er sich ziemlich beeindruckend über heftige Hindernisse steuern lassen, es sind 35-Grad-Schrägfahrten möglich und mit Allradantrieb sind auch staubige, steile Steigungen kein Problem. Bis 70 Grad Steigung verspricht Daimler. Die geringe Bodenfreiheit von nur 14 Zentimetern setzt dann aber doch Grenzen, und ein Luftfahrwerk ist nicht erhältlich.
Hilfreich im Auf und Ab eines Offroadparks (und es werden sich sicher auch reale Einsatzmöglichkeiten finden) ist die Offroad-Kameraunterstützung: So sieht man immer, wie es weitergeht.
GLB als Asphaltschmeichler
Auf Asphalt fährt Daimlers großes Kompakt-SUV auffallend unauffällig und sehr geschmeidig, einschließlich des fast in allen Varianten serienmäßigen Achtgang-Doppelkupplungsgetriebes. Das Fahrwerk ist komfortabel, die Lenkung gefühlvoll und der Innenraum gut gedämmt, also recht leise. Ausprobiert haben wir den 220d, also den 190 PS starken Diesel mit 400 Nm Drehmoment. Der wuchtet seine nach DIN 1660 kg in nur 7,5 Sekunden auf Tempo 100. Die einzige der insgesamt sieben Motorisierungen, die dafür mehr als zehn Sekunden braucht, ist übrigens der frontgetriebene 180d mit 11,3 Sekunden. 116 PS für 1,6 Tonnen sind aber auch eine Gemeinheit.
AMG GLB - alle Achtung!
Aber wenden wir uns dem anderen Ende des Portfolios zu: Fast schon eine Überraschung ist die AMG-Version, mit vollem Namen Mercedes-AMG GLB 35 4matic. Weil eigentlich passt so eine Sportvariante nicht zwingend zu dem eher braven Familien-SUV. Könnte man meinen. Tatsächlich fährt sich das Topmodell ganz hervorragend. Klar, mit seinen 306 PS reißt der GLB 35 ordentlich an, und die 100 stehen schon nach gut 5 Sekunden am Tacho. Aber das Besondere ist, wie gut das doch ziemlich hohe Auto in schnellen Kurven liegt, wie verbindlich das adaptive Fahrwerk arbeitet und was für einen guten Kontakt zur Fahrbahn die variabel übersetzte Lenkung bietet.
Einziger Nachteil der AMG-Version: Im Alltag nervt das hier etwas hektische Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe. Der Motorsound hält sich aber angenehm zurück.
Preise und Motoren
Gebaut wird der GLB in Mexiko, außerdem in Peking exklusiv für China. Die Preisliste beginnt bei 41.650 Euro für den 116 PS starken, frontgetriebenen 180d, die Version 220d 4matic fängt bei gut 52.000 Euro an. Der Einstiegsbenziner GLB 200 holt 163 PS aus seinem 1,3-Liter-Motörchen; er muss als Einziger mit dem Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe auskommen. Weitere, hier noch nicht genannte Motoren: GLB 220d mit 150 PS und GLB 250 mit Zweiliter-Benziner und 224 PS.
Eine rein elektrisch angetriebene Version ist auch geplant.
Unterm Strich:
Wer nicht den Komfort und den Auftritt des GLC braucht, aber trotzdem ein Mercedes-SUV mit viel Platz will, ist hier richtig. Der GLB ist zwar kein Schnäppchen, im Preisvergleich geht sich aber noch richtig viel Ausstattung aus. Sechszylindermotoren, Luftfahrwerk und ein Eck mehr sportliche Noblesse bleiben aber dem GLC vorbehalten. Das alles braucht der GLB nicht - als Familien-SUVan.
Warum?
Richtig viel Platz
Angenehmes Fahrverhalten
Warum nicht?
Die Optik des Vorderwagens in der Seitenansicht wirkt klobig
Für ein SUV mit optionalem Offroad-Programm zu geringe Bodenfreiheit
Oder vielleicht …
… VW Tiguan Allspace, Skoda Kodiaq, Seat Tarraco
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