Politisches Neuland

Kanzler und Kabinett von Opposition entmachtet!

Österreich
27.05.2019 17:32

Österreich hat politisches Neuland betreten: Der Nationalrat hat am Montagnachmittag der Regierung von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) das Misstrauen ausgesprochen und sie damit des Amtes enthoben (lesen Sie hier alle Ereignisse des Nachmittags nach). Der von der SPÖ eingebrachte Misstrauensantrag wurde von der FPÖ und der Liste JETZT unterstützt und hatte damit die Mehrheit. ÖVP und NEOS votierten dagegen. Nun ist Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Zug.

So minutiös sich Sebastian Kurz auf die Kanzlerschaft vorbereitet hat, so ungewöhnlich ist mit „Ibiza-Affäre“ und Misstrauensantrag ihr Ende. Mit nur 525 Tagen ist Kurz nun der kürzest amtierende Bundeskanzler seit 1945. Die Chancen auf Verlängerung im Herbst stehen aber gut, denn seit Kurz die ÖVP 2017 übernommen hat, liegt sie in Umfragen vorn - und die EU-Wahl verleiht weiteren Schwung.

Video: Der Moment, als das Kabinett Kurz gestürzt wird:

Geschlossen durch Seiteneingang Parlament verlassen
Bei ihrem Abgang bewies die Regierung nach der Sondersitzung noch einmal Geschlossenheit. Gemeinsam verließen die Minister das Ausweichquartier des Parlaments durch einen Seiteneingang und hinterließen Hektik bei Journalisten und Schaulustigen.

Nun ist Bundespräsident Van der Bellen am Zug
Nun ist der Bundespräsident am Zug: Die Bundesverfassung sieht vor, dass kein Regierungsamt unbesetzt bleibt - auch nicht nach einem Regierungssturz, wie er am Montag im Parlament passiert ist. Die wichtigste Rolle in diesem Szenario spielt Alexander Van der Bellen. Der Bundespräsident hat im Falle des Falles nur zwei Möglichkeiten. Er kann die abberufenen Amtsträger, Staatssekretäre oder höheren Beamten für ein paar Tage mit der Weiterführung der Geschäfte betrauen oder gleich eine neue Regierung ernennen.

Die letzte Variante scheint allerdings wenig wahrscheinlich, denn die Ernennung neuer Minister ist nur auf Vorschlag des neuen Bundeskanzlers möglich. Demnach müsste Van der Bellen zunächst einen neuen Kanzler finden und in Absprache mit diesem neue Minister aussuchen.

Video: „Krone“-Chefredakteur Klaus Hermann analysiert die Abwahl des Kanzlers

„Werden der nächsten Regierung sicher keine Steine in den Weg legen“
Unmittelbar bevor die SPÖ wie angekündigt den Misstrauensantrag gegen die Übergangsregierung einbrachte, ergriff in der Sondersitzung Kurz das Wort. In seiner Rede erklärte der ÖVP-Chef, dass er nicht nachvollziehen könne, warum nach dem Triumph bei der EU-Wahl am Sonntag dieser Antrag gestellt wurde. „Das versteht kein Mensch mehr“, sagte Kurz, der versicherte, dass die ÖVP auch weiterhin einen Beitrag zur Stabilität im Land leisten werde: „Wir werden der nächsten Regierung sicher keine Steine in den Weg legen, sondern sie bestmöglich unterstützen.“

Rendi-Wagner: „Kurz hat das Ich vor das Wir gestellt“
SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner hatte Kurz‘ „Griff nach der Macht“ und dass er „das Ich vor das Wir gestellt“ habe als Gründe für den Misstrauensantrag genannt. Sie bezeichnete es wörtlich als „ungeheuerlich“, dass Kurz Zustimmung und Vertrauen einforderte. Verantwortung bedeute, „sein eigenes Scheitern zu erkennen und zuzugeben. Gerade in solchen Situationen zeigt sich wahre Führungsstärke.“ Aber Kurz habe „das Ich vor das Wir gestellt“. Vertrauen könne man nicht erzwingen, das müsse man sich erarbeiten.

Bei der Opposition hatte Kurz das Vertrauen verspielt: Geschlossen stimmten SPÖ, FPÖ und die Liste JETZT für die Abwahl des Kanzlers und seines Kabinetts. Gegen das Misstrauensvotum traten die Abgeordneten von ÖVP und NEOS auf.

„Am Ende entscheidet das Volk, und zwar im September“
Ob Kurz als Bundeskanzler zurückkehrt, wird nicht zuletzt die Neuwahl im Herbst zeigen. Die Chancen stehen zumindest nicht schlecht, denn in den Umfragen liegt die ÖVP seit Mai 2017 kontant vorne. Und die Europawahl vom Sonntag verleiht der ÖVP zusätzlichen Rückenwind. Nicht umsonst hatte Kurz der Opposition schon am Wochenende ausgerichtet, er würde eine Abwahl natürlich zur Kenntnis nehmen, „aber am Ende entscheidet in Österreich das Volk, und zwar im September“.

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