Electro-Topstar

Jon Hopkins: Meditation gegen den Alarmismus

Musik
02.04.2019 07:00

Mit seinem fünften Studioalbum „Singularity“ hat sich der britische Electro-Musiker Jon Hopkins auch abseits seiner Produzenten- und Remix-Tätigkeit in den Mainstream gespielt. Vor seinem umjubelten Auftritt in der restlos ausverkauften Wiener Arena, redeten wir mit dem 39-Jährigen über notwendige Tapetenwechsel, Simplizität im Techno, Magic Mushrooms und Survival-Skills.

(Bild: kmm)

Eigentlich ist Jon Hopkins kein großer Fan des gleißenden Rampenlichts. Der britische Electro- und House-Topseller legt lieber ohne große Vorbewerbung Songs anderer Künstler in der Pratersauna auf oder stürzt sich mit einer großen Runde anderer Menschen auf einem Meditationstrip ins eiskalte Wasser Islands. „Ich mag die kleinen Clubs lieber, fühle mich dort viel wohler“, bestätigt er im Gespräch mit der „Krone“ am Rande seines Auftritts in der Wiener Arena. Diese platzte letzte Woche aus allen Nähten, als er mit seinem 2018 erschienenen Album „Singularity“ und einer visuellen Bombastshow für Begeisterung sorgte. Sein fünftes Studioalbum war die kommerzielle Krönung einer Karriere, die einen rasanteren Fortschritt machte, als es dem Protagonisten selbst eigentlich recht ist.

Underground und Mainstream
Hopkins ist kein introvertierter Eremit, aber ein Klangtüftler, der sich völlig seinem Nerdtum im Studio hingeben kann. Er kann solange mit Synthesizern, Sounds und Programmen experimentieren, bis ihm sprichwörtlich die Luft ausgeht. Experimentierfreudigkeit und scheuklappenfreies Denken durchziehen die einzigartige Vita des Londoners, der schon seit Jahren so erfolgreich und beinahe unerkannt wie kaum jemand anderer zwischen Mainstream und Underground hin- und herspringen kann. Auf der einen Seite steht seine Liebe für die Club-Kultur, für House-Partys und Klangtüfteleien, andererseits brillierte er mit dem Soundtrack zum Science-Fiction-Drama „Monsters“ und Kooperationen mit A-Liga-Künstlern wie Ambient-Papst Brian Eno oder Coldplay, für die er zuletzt 2014 „Ghost Stories“ mitproduzierte.

„Nach außen hin klingt das immer so großspurig, aber im Endeffekt war ich selbst ganze drei Tage an dem Projekt beteiligt“, lacht er im Gespräch. Mit seinem vierten Album „Immunity“ gelang ihm 2013 der erste breitflächige Durchbruch als Solokünstler. Damit wurde Hopkins außerhalb der Dance-Charts wahrgenommen, füllte immer größere Hallen und konnte sein Budget dementsprechend aufstocken, um auf der Bühne noch stärker zu paralysieren. Stress war dabei ein Fremdwort. Nach „Ghost Stories“ schrieb er 2015 fast ausschließlich an Songs und zog dann für ein Jahr temporär von London nach Los Angeles. „Ich wollte einfach eine andere Kultur kennenlernen und mich in einer neuen Umgebung aufhalten. Nach zwölf Jahren im selben Studio in London war es Zeit für einen Tapetenwechsel. In L.A. hast du auch mehr Platz. Wenn du raus willst, bist du in wenigen Minuten in der Wildnis, weil das Umland und der Stadtkern wirklich nah beieinanderliegen.“

Unterbewusstseinssuche
Die unberührte Natur hat auf Hopkins und seine Kunst einen gewichtigen Einfluss. Beim Schreibprozess und den Aufnahmen zu „Singularity“ experimentierte er vielfach mit Magic Mushrooms, um das Unterbewusstsein herauszufordern. Die schon einige Jahre davor begonnene transzendentale Meditation verstärkte er, die Natur diente ihm stets als Hort der Inspiration. „All das war für mich extrem wichtig. Ich hatte Erfahrungen, die mich in eine andere Dimension beförderten und aus dieser heraus arbeitete ich dann wieder an Songs. Natürlich war nicht jeder Einfall im meditativen Zustand daheim in London dann sofort greifbar, aber das Unterbewusstsein vergisst nichts. Man darf sich nur nicht stressen und die fünf Jahre zwischen den beiden letzten Alben klingen dann eigentlich länger als sie sich eigentlich anfühlten.“

Für den Perfektionisten Hopkins war es in den letzten Jahren auch ein Lernprozess, Simplizität zuzulassen. „Ich will nicht immer zu verkopft an die Dinge rangehen und habe mich wirklich bemüht, die Sounds auf das Wesentliche zu reduzieren. Ich hinterfrage zu oft, ob etwas gut und richtig klingt und verzettle mich dann schnell. Auf ,Singularity‘ habe ich alles eliminiert, was möglich war und das war definitiv der größte Unterschied zu den älteren Alben.“ Hopkins ist ein großer Fan von zugänglicher Musik, die sich nicht in Komplexität und technisierter Angeberei verliert. „Zu meinen Songs kann man den Kopf abschalten und tanzen. Niemand hat was davon, wenn ich wie ein Wahnsinniger an Nummern schraube, die man dann beim Hören nicht genießen kann.“

Geduld und Ruhe
Durch die transzendentale Meditation hat sich Hopkins laut Eigenbekunden zu einem ruhigeren Individuum entwickelt. „Wenn du dich im Moment befindest und auf die Gegenwart fokussiert bist, dann bist du am Glücklichsten. Die ganze Zeit am Smartphone zu hängen, Facebook- und Instagram-Storys anzuschauen und die E-Mails zu checken ist eigentlich Müll - auch wenn ich das natürlich selbst immer so machte. Ich habe mir beigebracht, das Handy wegzulegen, mich gedanklich auf etwas ganz Bestimmtes zu konzentrieren oder einfach ein Buch zu lesen, um dieser Dauerschleife des Alarmismus zu entkommen.“ Auch in der Arbeit erkennt der 39-Jährige große Unterschiede zu früher. So sei ihm eine gewisse Form von kompositorischer Besessenheit nicht mehr so wichtig. Geduld, Ruhe und richtig kanalisierte Emotionen haben stattdessen überhandgenommen.

Bis ins Jahr 2020 hinein wird Hopkins noch „Singularity“ betouren und Electro-Fans auf der ganzen Welt zum Tanzen bringen. Danach peilt er eine längere Pause an, die ruhig auch wenig mit Musik zu tun haben kann. „Es gibt im Leben mehr, als nur Musik zu machen und auf Tour zu gehen. Man muss nicht immer arbeiten. Ich möchte mehr Zeit in der Natur verbringen und meine Fähigkeiten im unberührten Raum stärken. Vielleicht kann ich mir Surivival-Skills aneignen und mich stärker an das wahre Leben da draußen anschmiegen.“ Ganz ohne Sound geht es aber trotzdem nicht - Ideen für die nächsten Karriereschritte sind da. „Ich stelle mir zum Beispiel einen großen Raum vor, in dem die Menschen von verschiedenen Songs oder Songstrukturen von mir beschallt werden. Dafür muss ich physisch gar nicht anwesend sein. Die Leute könnten sich dazu hinlegen und sich den Soundkulissen hingeben. Möglicherweise kann ich damit etwas Meditatives weitergeben.“

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