Naturgenuss

Tschechien und Waldviertel: Grenzenlos Rad fahren

Reisen & Urlaub
08.10.2018 09:00

Weite Landschaft, Baustil, Geschichte, deftige Küche - Südböhmen und das Waldviertel haben viel gemeinsam. Die EuroVelo-13-Trasse verbindet die benachbarten Gebiete jetzt genau dort, wo der Eiserne Vorhang sie mehr als 40 Jahre lang fast unüberwindbar getrennt hatte.

Nur ein paar Schilder zeigen heute noch, in welchem Land wir gerade sind: In Tschechien steht vor Kreuzungen „Pozor“, in Österreich „Achtung“. In dieser idyllischen sanft hügeligen Landschaft zwischen endlosen Wäldern, weiten Feldern, einsamen Dörfern und schmucken Kleinstädten lässt fast nichts mehr erkennen, dass hier nach dem Zweiten Weltkrieg eine undurchlässige, strengstens bewachte Grenze verlief, der Eiserne Vorhang, der Europa jahrzehntelang in zwei verfeindete Blöcke teilte. Im Niemandsland und Todesstreifen mit Stacheldraht, Wachtürmen und Minenfeldern hat sich eine intakte Natur bewahrt, durch sie führt neuerdings der Iron Curtain Trail als längster EuroVelo-Radweg, fast 10.000 km, von der Barentssee zum Schwarzen Meer.

Das Teilstück zwischen Südböhmen und dem Waldviertel lässt sich in zwei Tagesetappen locker bewältigen - ein in jeder Hinsicht lohnender Ausflug. „Tschechisch-Kanada“ und das nördliche Waldviertel, die unberührte Natur, die historischen Städte, Schlösser und Burgen, die vielen Teiche, die Gaststätten mit ihren Wild-, Fisch- und Knödelspezialitäten sowie traditionellen Mehlspeisen bieten reichlich Natur- und Kulturgenüsse für jeden Geschmack. Auf diesem besonderen Grenzlandweg sollte aber auch die jüngere Geschichte nicht ausgeklammert werden. Unzählige menschliche Geschicke sind mit dem Eisernen Vorhang verbunden, unbedingt sehenswert ist deshalb die Ausstellung „Schauplatz Eiserner Vorhang“ im prächtigen Barockschloss der Waldviertler Stadt Weitra.

„Mahnende" Jugendzimmer
Während Ältere vor den eindrucksvollen Modellen des Grenzstreifens, den vielen Zeitungsausschnitten über abenteuerliche Fluchten in die Freiheit, den Beispielen für Propaganda, Spionage und Widerstand sofort höchst persönliche Erinnerungen an die Zeit vor 1989 austauschen, stehen jüngere Besucher staunend und sogar fassungslos vor den Exponaten und Erklärungen. Dass Mitteleuropäer, wie zwei liebevoll gestaltete typische Jugendzimmer aus den 1980er-Jahren zeigen, praktisch in zwei verschiedenen Welten lebten, können sie kaum noch verstehen.

Unterschiede schwinden
Diese Differenzen sind mittlerweile kaum noch zu sehen: In Slavonice (bis 1945 Zlabings), im 16. Jahrhundert die erste und wichtigste Poststation auf dem Weg zwischen Wien und Prag, glänzen die Renaissance-Fassaden der Bürgerhäuser wieder in alter Pracht, Galerien und Kaffeehäuser locken Besucher an. In Trebon (früher Wittingau) sind das historische Schwarzenberg-Schloss und die schon 1379 gegründete Bohemia-Regent-Brauerei ebenso Besichtigungen wert wie die berühmte, riesige Karpfenzucht.

Aber auch österreichische Orte haben profitiert. Litschau mit dem Herrensee, dem großen Hauptplatz und eindrucksvollen Stadtmauer-Resten, lag jahrzehntelang am „Ende Westeuropas“ - jetzt pilgern jährlich viele Tausende zu seinem Theater- und dem Schrammelklang-Festival. Der Vater der legendären Brüder Schrammel, ohne die die Wiener Volksmusik heute kaum denkbar ist, kam im 19. Jahrhundert aus Litschau nach Wien. Und die Wiener Küche wäre ohne die vielen böhmischen Köchinnen nicht, was sie ist ...

So zeigt schon eine kurze Reise auf dem EuroVelo-13-Weg, wie willkürlich und sinnlos die “eiserne Trennung" Europas über Jahrzehnte war. Die fast grenzenlose Freiheit (Pass oder Personalausweis müssen Sie schon bei sich haben!) ist ganz offensichtlich ein Gewinn, nicht nur für Ausflügler und Radfahrer!

Brigitte Egger, Kronen Zeitung

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