Andi Felder:

So tickt der neue Cheftrainer der ÖSV-Adler

Oberösterreich
30.09.2018 09:13

Andi Felder (56) über seinen Start als Coach der ÖSV-Skispringer, den Rückstand auf andere Nationen, seine Erwartungen und sein eigenes Ablaufdatum.

„Krone“: Herr Felder, wir fahren gerade in einem 280 PS starken Test-Audi Q8 zum Training. Wie fühlt sich‘s an?
Andi Felder: Ich hab‘ fast ein schlechtes Gewissen, wenn ich mit so einem so teuren Auto fahre! Ich bekomme zwar ab und zu einen Strafzettel, wenn ich unaufmerksam bin, bin aber grundsätzlich ich eher ein gemütlicher Autofahrer. Für mich ist ein Auto ein Mittel zum Zweck. Wobei ich als 20-Jähriger gemeinsam mit Ernst Vettori einen GTI brutal zerlegt habe. Da hat’s uns sechzig Meter runterg’haut und zehnmal überschlagen, ich hatte einen dreifachen Beckenbruch und bin fast eine ganze Saison ausgefallen.

„Krone“: Heute sind Sie fitter Neo-Trainer der ÖSV-Adler. Wie legen Sie’s an?
Andi Felder: Ich höre mir speziall an, was der Athlet beim Sprung spürt, das ist für mich das Wichtigste. Ich will ihm nicht nur meine Meinung aufs Auge drücken, sondern ihn einfach in die richtige Richtung beraten. Was mir noch wichtig ist, ist ein konsequentes Training. Das ist bei vielen nicht selbstverständlich, obwohl man das in der Nationalmannschaft nicht glauben sollte. Wenn ich sehe, dass die Trainingseinstellung nicht hundertprozentig passt, dann mach‘ ich meinem Ärger auch Luft!

„Krone“: Morgen steigt der Sommer Grand Prix in Hinzenbach. Sind Sie viel unterwegs in Oberösterreich?
Andi Felder: Zum Teil. Aber ich habe schon einen Bezug zu Oberösterreich, weil ich Verschwandtschaft hier habe. Meine Oma und meine Mama kommen aus Steyr, da war ich als Junger viel dort. Jetzt werden die Verwandtschaftsbesuche aber leider immer seltener. Ansonsten bin ich ab und an bei Wettkämpfen in Hinzenbach.

„Krone“: Sind sie zufrieden mit dem Nachwuchs, der in Oberösterreich herauskommt?
Andi Felder: Die Oberösterreicher leisten sehr gute Arbeit im Nachwuchsbereich, es kommen immer wieder bei Damen wie Herren Leute nach. Bei den Kombinierern ist es eher weniger, da haben die Salzburger die größere Tradition. Aber generell wird in Oberösterreich sehr gut gearbeitet und es kommen eigentlich schon seit Jahrzehnten immer wieder gute Springer heraus.

„Krone“: Ein „Talent“ ist Markus Schiffner. Wie ist der Stand der Dinge bei ihm im Moment?
Andi Felder: Es wäre langsam Zeit, dass er sich für den Weltcup einmal richtig empfiehlt und aufdrängt, so jung ist er mit 26 nicht mehr. Er ist sicherlich ein gutes Talent, aber er hat den Sprung noch nicht richtig geschafft, sich oben zu etablieren. Das ist eben oft der große Schritt - im Conti Cup geht’s oft sehr gut, aber der Weltcup ist dann noch einmal ein Riesenschritt, weil das Niveau noch um einiges steigt.

„Krone“: Was ist vom fünffachen Weltcupsieger Michael Hayböck heuer zu erwarten?
Andi Felder: Ich hoffe mehr als letzte Saison! Er hat sicher mehr drauf, wenn man die Hebel richtig ansetzt. Er muss natürlich seinen Sprung auch ein bisschen adaptieren. Ihn hat es in der Beziehung genauso getroffen wie einen Schlierenzauer, einen Fettner oder einen Kofler, die sich eigentlich einmal einen guten Sprung aufgebaut haben. Dieser gehört aber etwas adaptiert! Das Material ist nicht mehr das selbe, die Anzüge sind enger geworden, die Ski sind kürzer geworden, das ganze Regelwerk wird immer mehr auf die Reduktion des Materials ausgelegt  - da muss man natürlich anders skispringen. Damit haben die Springer, die vor einiger Zeit an der Weltspitze waren, zu kämpfen. Aber diesen Schritt müssen auch sie jetzt machen. Die Jungen tun sich da oft ein bisschen leichter. Wenn es der Michi schafft, die Feinheiten wieder abstimmt und das zum Laufen bringt, wird er wieder ziemlich vorn mit dabei sein. Das zeigt er ja immer wieder mit Einzelsprüngen.

„Krone“: Bei Ihrem letzten Hinzenbach-Gastspiel waren sie noch Cheftrainer der ÖSV-Damen. Sind die Herren einfacher zu coachen?Andi Felder: Das würde ich nicht sagen. Die Trainingsarbeit ist immer die gleiche, aber beim Herren-Weltcup hast du natürlich um einiges mehr Aufmerksamkeit, auf diese mediale Präsenz musst du dich halt einstellen. Im Umgang musst du auch bei den Herren aufpassen, da ist jeder Einzelne individuell. Du kannst bei Damen wie Herren nicht jeden gleich anreden, da hat jeder seinen eigenen Charakter und jeder verträgt nicht die gleiche Sprache. Grundsätzlich ist es wie im normalen Leben: Wenn Frauen dabei sind, dann drückst du dich ein wenig anders aus als in einer Männerrunde, da redet es sich natürlich ein bisschen lockerer. Aber wenn‘s ans Eingemachte geht - und das ist etwa wegen Ängsten beim Skispringen öfter der Fall - musst du schon sehr sensibel sein. Zum einen Springer kannst du sagen „Was ist los, hast dich jetzt angsch…" und er lacht darüber. Wenn du das aber zu einem anderen sagst, bricht er zusammen weil das ein moralischer Tiefschlag ist. Das kann bei den Herren genauso passieren.

„Krone“: War es bei Ihnen als Damen-Coach im Hinterkopf, dass der nächste Schritt Herren-Chef sein könnte?
Andi Felder: Nein, ich hab‘ mit dem Job überhaupt nicht spekuliert. Erstens wirst du mit 56 nicht mehr leicht gefragt, dass du eine komplette Mannschaft als Chef-Trainer übernimmst. Für mich war das schon eher überraschend, als man an mich herangetreten ist bei der Saisonanalyse. Und es war ein Schritt, den man überlegen muss! Bei diesem Job kannst du dich in die Brennessln auch setzen! Medial wird alles auf die Spitze getrieben. Man muss bei seinen Aussagen irrsinnig aufpassen, weil alles für bare Münze genommen wird - das ist wie bei einem Politiker. Man wird mehr zur öffentlichen Person, dabei war ich eigentlich ganz froh, mehr im Hintergrund zu agieren. Aber einer muss den Job machen und es braucht natürlich einen mit Erfahrung. Wobei es aber im Endeffekt nicht nur auf mich ankommen wird, sondern auf das ganze Team. Ich hab’ wirklich in allen Bereichen gute Mitarbeiter. Im Endeffekt müssen aber die Athleten Vollgas geben. Wir sind nichts anderes als die Berater und Wegbereiter.

„Krone“: Hat das erste halbe Jahr Spaß gemacht?
Andi Felder: Es war sehr abwechslungsreich. Es ist interessant: Das ganze Kennenlernen, bis man sich richtig heraussen hat und bis sich auch die Leute wieder eingestellt haben auf einen anderen Führungsstil. Ich habe sicher einen anderen Stil als Alexander Pointner oder ein Heinz Kuttin. Mir sind gewisse Dinge wichtig, die anderen wieder weniger wichtig waren.

„Krone“: Zum Beispiel?
Andi Felder: Ein geregelter Tagesablauf ist mir extrem wichtig. Am Anfang haben die Jungs ein bisschen geschluckt, als ich gesagt habe: Wenn wir Trainingskurs haben, dann gehen wir um 7 Uhr zum Frühsport! Das war für viele eine Umstellung, aber das bringt jedem Einzelnen etwas und ist auch für den Teamgeist gut. Genauso beim Training: Ich habe keine Probleme dass ich fürs Training etwas zurückreihe - und das erwarte ich auch von meinen Athleten. In erster Linie sollten sie einmal Skispringer sein, davon leben sie und das müssen sie auch so praktizieren. Es geht dann sehr schnell wenn man ein bisschen berühmt ist. Dann werden viele Termine wahrgenommen, aber du musst in erster Linie das Training durchziehen und die Termine reduzieren. Das ist meine Philosophie, die ich auch als Sportler durchgezogen habe. Ich glaube wenn man sich über Jahre an der Spitze halten will, dann muss man da sehr vorsichtig sein, die richtigen und wichtigen Termine wahrnehmen und nicht jeden.

„Krone“: Stichwort Teamgeist: Ist das einer der Bereiche mit Aufholpotential?
Andi Felder: Teamgeist kannst du nicht trainieren und du kannst ihn auch nicht erzwingen, er muss sich von selbst ergeben. Die Voraussetzung ist, dass man miteinander respektvoll umgeht. In einem Team, in dem halbwegs positive Stimmung ist, in dem man sich gegenseitig den Rücken stärkt und gegenseitig unterstützt, wird sich ein Teamgeist entwickeln. Wenn du die anderen aber immer nur als Konkurrenten siehst und Angst hast, dass der andere besser sein könnte, dann wird sich kaum ein Teamgeist entwickeln. Der aber wichtig ist! Ich glaube es ist für jeden einfacher, in einem funktionierenden Team zu agieren.

„Krone“: Unter Ihnen gibt’s heuer weniger Individualtraining...
Andi Felder: Es war im Grunde genommen der Gregor Schlierenzauer, der ein Individualtraining hatte. Ich habe ihm gesagt was ich mir vorstelle im Training und ihm unsere Philosophie erklärt. Er sagte das klingt gut und er möchte mit dem Team mittrainieren. Im Endeffekt hat er’s in den letzten Jahren immer wieder auf eigenen Wegen probiert, aber in den letzten vier Jahren ist auch nicht wirklich etwas weitergegangen. Er ist auch in der Situation, dass er einfach ein bisschen etwas umstellen muss - er kann jetzt nicht mehr gleich springen als damals, als er in einer Saison fünf Weltcups gewonnen hat. Das Ganze ist natürlich auch für ihn eine Herausforderung und er ist schon ein eigener Typ, weil er natürlich sehr ehrgeizig ist und seinen Stolz hat. Diese Leute sind oft nicht so einfach, aber wenn sie einmal Lunte riechen, dann bekommst du auch als Trainer etwas zurück. Es ist wichtig, dass man sich dieser Leute annimmt und dass man sie im Boot hat und ich glaube auch der Gregor selbst fühlt sich wohler, wenn er mit der Mannschaft zusammen trainiert, als wenn er alleine herumtingelt.

„Krone“: Ist das Team aktuell auf dem Stand, auf dem Sie es haben wollen?
Andi Felder: Natürlich geht’s immer besser. Aber wir haben jetzt einmal versucht, die alten Kinderkrankheiten, die wir entdeckt haben, auszumerzen. Wir haben am Gletscher sehr früh angefangen mit Basic-Training: Springen ohne Spur auf einer kleinen Schanze. Da hat man schon viele Knackpunkte gesehen, wo Probleme aufgetreten sind - fast die gleichen, die sie voriges Jahr im Winter bei den Wettkämpfen hatten. Es ist dann der Sommer Grand Prix noch dazugekommen, da hatten wir auch die internationalen Vergleiche. Wir haben gesehen. wie die anderen Nationen arbeiten: die Norweger, die Deutschen, auch die Russen, die einen großen Schritt gemacht haben. Und wir haben gesehen, dass die alle gemeinsam an einer gewissen Technik arbeiten, die eigentlich sehr einfach ist und bei der wir Österreicher nicht mehr ganz auf dieser Welle waren in den letzten Jahren. Es kommt nicht von ungefähr, dass zu den anderen Nationen so ein Loch entstanden ist. Da haben wir versucht anzusetzen, das müssen wir optimieren, da sind wir aber sicher noch nicht hundertprozentig stabil.

„Krone“: Ist es jetzt, Ende September, schon abschätzbar, wie weit man die Lücke zu den anderen Nationen schließen konnte?
Andi Felder: Ich glaube es ist ein Prozess, der nicht so schnell geht. Dem einen oder anderen trau‘ ich schon jetzt zu, ganz vorne zu landen. Mit Stefan Kraft haben wir einen Springer, der, wenn er normal springt, ganz vorne dabei ist. Die anderen müssen ein wenig aufholen, sie waren auch im Weltcup weiter hinten letzten Winter. Da kann man sich nicht erwarten, dass sie von heute auf morgen ganz vorne reinspringen. Es kann passieren, aber es ist eher unwahrscheinlich und braucht schon eher einen Prozess.  Es hat auch bei anderen Nationen länger gedauert.  Ich habe auch mit Stefan Horngacher, Alexander Stöckl und Werner Schuster gesprochen. Sie haben ein Konzept aufgestellt und es hat zwei, drei Jahre gedauert, bis es angefangen hat zu greifen. Wir haben jetzt heuer zum ersten Mal überhaupt ein Konzept aufgestellt! Bevor die Arbeit losgegangen ist, haben wir uns zusammengesetzt und geschaut: Wo haben wir Boden verloren? Haben wir überhaupt eine einheitliche Marschrichtung? Einen Leitfaden, an dem man sich anhalten, hat es eigentlich in Österreich nie gegeben. Bisher hat jeder Trainer oder jeder Stützpunkt nach seinem Ermessen trainiert und die Sprungtechnik auch ein wenig anders aufgefasst. Jetzt haben wir erstmalig etwas zu Papier gebracht, das wir auch nach unten zu den Landesskiverbänden weitergeben können - damit wir nicht bei den Jungen, die in die Nationalmannschaft kommen, Kinderkrankheiten ausmerzen müssen. Wir sind das ganze Problem heuer einmal angegangen, wir sind heuer erst am Anfang. Das Leitbild wird ab Herbst oder Anfang Winter weitergegeben. Man kann nicht erwarten, dass das gleich super funktionieren wird. Aber ich nehme einmal an, dass es besser wird und würde mich natürlich freuen, wenn der ein oder andere Sieg dabei ist. 

„Krone“: Wie lange plant der ÖSV mit Ihnen?
Andi Felder: Ich bin vorgesehen für den Zyklus bis zu den nächsten Olympischen Spielen 2022. Dann wird’s für mich sowieso Zeit, dass ich ein bisschen zurücktrete, zumindest von der oberen Trainerebene. Dann bin ich auch schon 60 und es wird Zeit für andere. Ich bin ohnehin der Meinung, dass man den Trainerstab nach spätestens vier Jahren wechseln sollte. Weil’s einfach für alle gut ist! Meistens sind doch Leute dabei, die schon fünf, sechs Jahre in einem Kader sind. Irgendwann stumpft es einfach ab, man kann sich nicht ständig neu erfinden.

„Krone“: Was muss heuer passieren, damit Sie am Ende von einer guten ersten Saison sprechen?
Andi Felder: Ich erwarte mir eine Steigerung im Vergleich zum Vorjahr, aber keine Wunder. Ich möchte das Ganze auch nicht in erster Linie von Ergebnissen abhängig machen. Natürlich stehen wir unter Druck mit der Heim-WM, jeder erwartet sich da eine Medaille. Wir werden natürlich versuchen eine zu gewinnen und so gut es geht trainieren. Ob es reicht, kann man ohnehin nicht sagen. Mich würd’s natürlich freuen, wenn wir heuer generell öfter am Stockerl landen und einen oder zwei Springer haben, die konstant ganz vorne mithalten können. Dann weiß man einmal, dass man auf dem richtigen Weg ist. 

„Krone“: Haben Sie heuer generell die üblichen verdächtigen Nationen wieder am Radar?
Andi Felder: Es kommen immer wieder andere dazu. Die Russen und Japaner haben im Sommer beispielsweise gute Leistungen gebracht, die Polen sind im Sommer sowieso immer stark und werden es auch im Winter wieder sein. Und die Norweger und die Deutschen hat man sowieso immer auf dem Radar.

„Krone“: In Hinzenbach waren die Polen auch letztes Jahr tonangebend, Stefan Kraft als bester Österreicher Neunter. Was erwarten Sie heuer?
Andi Felder: Der Bewerb ist sehr stark besetzt, nur die Norweger sind nicht mit der ersten Trainingsgruppe unterwegs, weil sie die kleinen Schanzen etwas meiden. Es wird sicher ein harter Wettkampf und auf der kleinen Schanze geht’s sowieso immer knapp her. Wenn wir uns im Vergleich zu den letzten Sommer Grand Prix‘ steigern können, dann weiß ich, dass wir auf dem richtigen Weg sind und einfach dran bleiben müssen. Ich wäre sehr zufrieden, wenn wir einen Springer unter den Top-5 hätten und uns allgemein gut präsentieren.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele