Interview

Pflege in Not: „Hört den Pflegekräften besser zu“

Tirol
26.07.2018 17:36

Mehr als 25 Jahre arbeitete die Innsbruckerin Margit Kern in der Pflege und in der Pflegeausbildung. Sie verfolgt die aktuelle Entwicklung mit Stationsschließungen wegen fehlender Mitarbeiter mit Sorge. Und sie weiß aus Erfahrung, warum viele den Berufswunsch Pflege wieder verwerfen. Die „Krone“ traf Kern zum Interview. 

Hunderte Pflegekräfte fehlen. Das Land kommt mit dem Ausbilden nicht nach, startet nun (wie berichtet) ein neues Pflege-Studium. Auch eine Lehre wird angedacht. Aber das heißt noch nicht, dass es genug Bewerber gibt. Warum glauben Sie, dass der krisensichere Pflegeberuf offenbar nicht attraktiv genug ist?
Da sind wir beim Wesentlichen. Für mich war es immer der schönste Beruf der Welt. Aber du musst mit Herz dabei sein. Ich sage Berufung dazu. Das heißt nicht, Mutter Teresa zu spielen. Es bringt nichts, wenn man junge Leute in diese Branche drängt. Das ist kein Job, den man nur des Geldes wegen erledigen kann. Eine Lehre halte ich für absurd. Mit 16 weißt du nicht, wo deine Belastungsgrenzen sind. Und die werden in Häusern mit Personalmangel schnell erreicht. Für mich wird zu wenig auf die geschaut, die Pflege im zweiten Bildungsweg ins Auge fassen. Ich kenne viele Frauen, die das mit 30 oder 40 gerne machen würden. Aber die Ausbildung ist zu wenig flexibel gestaltet.

Ist die Ausbildung nicht mehr zeitgemäß?
Grundsätzlich hat unsere Ausbildung hohes Niveau. Wenn ich aber die Forderung höre, Ausbildungen aus anderen Ländern leichter anzuerkennen, schrillen bei mir die Alarmglocken. Das kann doch wohl nur heißen: Lücken füllen mit weniger Qualität.

Der Beruf gilt als sehr fordernd und dafür nicht überbezahlt. Schreckt das viele ab?
Ein weiterer Hauptgrund ist das Image. Pflegekräfte werden immer noch als Diener ohne große Ansprüche verstanden. Ärzte haben sich immer gewehrt, Pflegekräfte sind nie auf die Straße gegangen. 80 Prozent der Attacken in Krankenhäusern sind gegen Pflegekräfte gerichtet. Das sagt doch was über mangelnden Respekt und fehlende Anerkennung aus. Zu mir hat einmal ein Angehöriger einer pflegebedürftigen Frau gesagt, als ich beim Roten Kreuz gearbeitet habe: „Fürs ,Hintern putzen’ zahle ich nichts.“ Das sagt doch alles.

Was würde den Pflegekräften helfen?
Die Politik muss ihnen vor allem viel besser zuhören. Einen weiteren Aspekt möchte ich nennen: Wer zum Beispiel mit unheilbar Kranken oder mit Demenzpatienten arbeitet, sollte die Möglichkeit, vielleicht sogar die Verpflichtung haben, das Fach nach einigen Jahren zu wechseln. Das sind schwierige Aufgaben, ein Burnout ist vorprogrammiert.

Wenn mich jemand danach fragt, was Pflege bedeutet, dann sage ich immer folgenden Spruch: Ein Primar kann ein Jahr weg sein, aber die Station funktioniert trotzdem, ein Oberarzt einen Monat, ein Assistenzarzt eine Woche, eine Pflegekraft keinen Tag.

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