Krisenfall Deutschland

„Man kann viel von Österreich lernen!“

Ausland
20.06.2018 06:00

Sie sind seit Jahren unter uns. Die „Krone“ fragte bei den Austro-Deutschen nach, wie es um ihre Gefühlslage in Krisenzeiten steht.

Sie stellen seit 2005 alljährlich die größte Zuwanderergruppe nach Österreich. „Flüchten“ vor der Uni-Zugangsbeschränkung Numerus Clausus, hoher Arbeitslosigkeit oder Labskaus: die Deutschen. Ein Blick auf den aktuellen Zustand unseres vermeintlichen Lieblingsnachbarn liefert noch so einige Gründe mehr: kein Vorwärtskommen in der Politik, die Nationalmannschaft macht sich bei der WM zum Auftakt zum Gespött, und mit Audi ist eine der Vorzeigemarken des deutschen Automarktes nach der Verhaftung von Konzernchef Rupert Stadler in der Krise.

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„Bild“-Zeitung fragt: „Was ist in diesem Sommer nur mit Deutschland los?“
Den „Krisenfall Deutschland“ hat sogar die deutsche „Bild“-Zeitung aufgegriffen und fragt sich: „Was ist in diesem Sommer nur mit Deutschland los?“ Da fühlt man sich in Österreich - gern in jeder Hinsicht vom entfernten Verwandten im Norden belächelt - ja schon fast wie auf einer Insel der Seligen. Wir haben uns bei einigen Zuwanderern umgehört, wie ihr aktueller Blick auf ihre Heimat ist und warum es in Österreich momentan besser ist - oder auch nicht? Aber man muss sagen: So „dufte“ war’s bei uns schon lange nicht. Oida!

Austro-Deutsche im Gespräch mit der „Krone“: 

Franco Foda (52), ÖFB-Teamchef: „In Österreich wird derzeit gut gearbeitet, in Deutschland viel diskutiert. Aber das gehört in der Politik dazu. Wichtig ist, dass man nie das große Ganze aus den Augen verliert, es geht nicht um persönliche Eitelkeiten. Bei der WM hat Deutschland das Auftaktspiel zwar verloren, aber sie werden sich im Laufe des Turniers sicher noch steigern. Wichtig ist, dass sie die Kritik, die jetzt auf sie einprasselt, ausblenden. Qualität hat man ja jedenfalls genug.“

Bettina Ganghofer (54) aus Leipzig, Flughafenchefin in Salzburg:„Wir leben in turbulenten Zeiten. Ich beneide die Entscheidungsträger in der Asylfrage nicht. Es betrifft die Menschen in ganz Europa. Beim Fußball glaube ich, es ist egal, wer gerade auf Siegeskurs segelt. Mich fasziniert die globale Begeisterung.“

Sylke Laebe (41) aus Potsdam, lebt in Gablitz (Niederösterreich): „Die Aufstellung von Löw war sehr seltsam, zu viele alte lustlose Spieler ohne Spielfreude. Die Vorrunde werden die Deutschen überstehen, aber im Achtelfinale ist wahrscheinlich Schluss. Die politischen Turbulenzen kommen erschwerend dazu.“

Ingolf Hofmann (63) aus Coburg (Bayern), lebt in Limbach (Burgenland): „Früher hat man wegen der Stabilität immer nach Deutschland geschaut. Auch sonst hat alles gut funktioniert. Die Zeiten haben sich geändert. Der ,große Bruder‘ steckt in der Krise. Meine Frau und ich weinen Deutschland nicht nach und sind hier sehr glücklich.“

Julia Wittmann (28) aus Garmisch-Partenkirchen, lebt in Klagenfurt: „Es war eine Pleite, und ich habe schwer die Hoffnung, dass sich das in den nächsten Spielen verbessert. Es würde mich treffen, wenn wir in der Gruppenphase rausfallen. Man kann da von einer Krise sprechen, weil die Erwartung an uns als Weltmeister sehr groß ist.“

Markus Schulz (50) aus Darmstadt, lebt in Graz: „Es ist eine schwierige Situation, aber eine Krise sieht für mich anders aus. Nach einem verlorenen Fußballspiel darf man keine nationale Krise ausrufen. Auch in der Politik wird vieles überbewertet und schlechtgeredet. Man sollte eher versuchen, wieder eine positive Stimmung zu bekommen.“

Stefan Ruhl (43) aus Weimar, lebt in Innsbruck: „Österreich jubelte zu Recht über den historischen Sieg gegen Weltmeister Deutschland Anfang Juni. Zeigte es doch, was machbar ist, wenn man als Mannschaft zusammenspielt. Da kann sich Deutschland, nicht nur im Fußball, eine Scheibe abschneiden und noch viel von Österreich lernen!“

Olaf Volkert (53) aus Münster, lebt in Linz: „Dass der Audi-Chef in Haft musste, ist gerecht. Ich bin dennoch stolz, Deutscher zu sein, fühle mich in Österreich aber sehr wohl, schätze das Land und bin dankbar für die Gastfreundschaft. Es bleibt zu hoffen, dass es hier mit oder trotz der derzeitigen Regierung auch so bleibt.“

Jens Stritzel (49) aus Wolfegg (Baden-Württemberg), Rankweil (Vorarlberg): „Unsere Mannschaft ist schlecht gestartet, hat zu Recht verloren. Deutschland ist aber eine Turniermannschaft und wird sich noch steigern. Seehofer und Merkel waren sich noch nie grün. Er will sich doch nur für die nächste Wahl profilieren.“

Denis Luda (26) aus Köln, Wien: „Krise oder nicht. Das Einzige, was die deutsche Nation momentan zu beschäftigen scheint, ist ohnehin das drohende Ausscheiden bei der Fußball-WM. Aber auch da bin ich zuversichtlich, dass wir das Ruder noch rumreißen können und auf jeden Fall ins Achtelfinale aufsteigen.“

Kronen Zeitung

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