876-Stunden-Stopp

So sieht der Anti-Demo-Plan des Innenministers aus

Österreich
06.02.2017 15:34

Zahlreiche Stunden blockieren jährlich Demonstranten Österreichs Straßen - weil sie sich wie am vergangenen Freitag gegen den Wiener Akademikerball oder bereits tags darauf gegen ein etwaiges Kopftuchverbot starkmachen. Geht es nach Innenminister Wolfgang Sobotka, soll dies schon bald Geschichte sein: So will er unter anderem 876 Stunden Demo-Zeit schlichtweg untersagen.

Am Montag sickerte Sobotkas Begutachtungsentwurf, den er der SPÖ zugeleitet hatte, an die Öffentlichkeit. Darin wird erläutert, dass gehäufte Versammlungen an bestimmten Plätzen nachhaltige Auswirkungen etwa auf den Geschäftsbetrieb dort etablierter Gewerbebetriebe oder den Personenverkehr haben sowie auch für Lärmbelästigung von Anrainern sorgen.

Daher wird vorgeschlagen, dass der Innenminister an gewissen Plätzen oder Straßenzügen gesamt 876 Stunden Demo-Zeit pro Jahr untersagen kann. Freilich könne aber nicht eine ganze Region, also beispielsweise die Innenstadt, als Demozone verboten werden, wird betont.

Mehr Vorbereitungszeit für Exekutive
Geht es nach den Plänen des Innenministers, soll die Exekutive künftig auch mehr Zeit erhalten, sich auf Demonstrationen vorzubereiten, konkret 72 Stunden. Zusätzlich soll die Anzeige der Veranstaltung detaillierter ausfallen müssen. Beschwichtigt wird, dass laut Judikatur sogenannte Spontanversammlungen ohnehin weiter möglich sein müssen.

Angestrebt wird vom Ministerium auch eine stärkere Trennung von Demonstrationen und Gegenkundgebungen. Angepeilt werden 150 Meter. Diese Grenze kann laut Erläuterungen nur dann unterschritten werden, wenn keine Sicht- oder Schallverbindung zu einer anderen Versammlung besteht, wie dies etwa im eng verbauten Stadtgebiet der Fall sein kann.

Ausweitung von Verboten
Was die Adjustierung von Demonstranten angeht, werden die Verbote ausgeweitet. Neu hinzu kommt, dass Versammlungsteilnehmer auch keine Gegenstände bei sich haben dürfen, die geeignet sind, im Falle "des erforderlich werdenden Einsatzes von Zwangsmaßnahmen" diese abzuwehren oder unwirksam zu machen, beispielsweise Schutzbekleidung, Schutzhelme oder Schutzschirme. Zuwiderhandeln wird zur Verwaltungsübertretung erklärt. Weiters wird das Nichtverlassen des Versammlungsorts nach einer Auflösung der Versammlung oder einer Wegweisung unter Strafe gestellt.

Mehr Verantwortung für Versammlungsleiter
Aufgewertet werden soll die Funktion des Versammlungsleiters. Dieser hat für die Wahrung der Ordnung in der Versammlung zu sorgen. Er hat Gesetzesverstößen sofort entgegenzuwirken und die Versammlung aufzulösen, wenn seinen Anordnungen nicht Folge geleistet wird. Ist kein Leiter bei der Demo anwesend, treffen laut Gesetz dessen Aufgaben jenen Teilnehmer, der etwa durch Vorangehen und Aufforderungen, ihm zu folgen, die Route der Versammlung bestimmt. Kommt es bei einer Versammlung zu mehreren gerichtlich strafbaren Handlungen oder zu einer mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung, kann der Leiter bei schuldhaftem Verhalten mit bis zu 10.000 Euro pönalisiert werden.

Definiert wird im Gesetz der Begriff der Versammlung als "vorübergehende Zusammenkunft mehrerer Menschen, wenn sie in der Absicht veranstaltet wird, die Anwesenden zu einem gemeinsamen Wirken durch die Erörterung von Meinungen oder die Kundgabe von Meinungen an andere zu bringen, sodass eine gewisse Assoziation der Zusammengekommenen entsteht". Explizit nicht darunter fallen "öffentliche Belustigungen", also beispielsweise Spaß-Demos, die demnach dem Veranstaltungs- und nicht dem Demonstrationsrecht unterlägen.

Sobotka: "Selbstverständlich" verfassungskonform
In einer Stellungnahme betonte Sobotka, dass das neue Versammlungsrecht "selbstverständlich" verfassungskonform und entsprechend den Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention erarbeitet worden sei. Das Recht auf Versammlungsfreiheit werde auch nicht eingeschränkt. Um diese Grundrechte wirksam schützen zu können, brauche man aber moderne, auf die Herausforderungen von heute abgestimmte neue gesetzliche Regelungen. Ob der Entwurf genau so umgesetzt wird, ist für Sobotka offen. Man stehe derzeit am Anfang des Diskussionsprozesses.

Dass das Versammlungsrecht überhaupt geändert wird, hängt nach Angaben des Innenministeriums auch mit der stark gestiegenen Zahl an Demonstrationen zusammen. Waren 2011 nur knapp 8300 Demos angezeigt gewesen, stieg die Zahl seither deutlich an und erreichte 2015 einen Wert von 16.202. Die Daten für 2016 liegen noch nicht vor.

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