Wachsende Bedrohung

So gefährlich sind die Staatsverweigerer

Österreich
17.04.2017 17:47

Sie lehnen den Staat samt Behörden und deren Vertreter ab. Sie versuchen, mit skurrilen Begründungen eigene Strukturen aufzubauen. Bis zum "Pseudo-Gerichtshof", wie ein Prozess im niederösterreichischen Krems zeigte. Egal ob souveräne Bürger, Freemen, Reichsbürger oder Staatsverweigerer, wie sie in Österreich genannt werden - derartige Bewegungen erfreuen sich steigenden Zustroms. Bei uns gab es noch keine Gewalttaten, im Ausland ist das anders.

Ihren Ursprung haben die unterschiedlichen Vereinigungen in den 1970er-Jahren in den USA. Das "Sovereign Citizen Movement" ging aus weißen Extremistengruppen hervor. Heute schätzt das FBI die Zahl der Mitglieder in den USA auf 300.000 und spricht von einer möglichen nationalen Terrorbedrohung. Auch Terry Nichols, der 1995 am Bombenanschlag auf ein Bundesgebäude in Oklahoma City beteiligt war (168 Menschen starben), gehörte den souveränen Bürgern an.

Reichsbürger als Bedrohung in Deutschland und Schweiz
In Deutschland und in der Schweiz sind die Reichsbürger zu einer Plage - und Gefahr - geworden. Sie werden als rechtsextrem eingestuft und sind überzeugt, dass das "Deutsche Reich" noch immer existiert. Im Oktober 2016 wurde ein Polizist eines Sondereinsatzkommandos erschossen - ein Reichsbürger hatte die Durchsuchung seines Hauses in Georgensgmünd in Bayern verhindern wollen und zur Waffe gegriffen. 30 Pistolen und Revolver wurden bei ihm sichergestellt.

Allen gemein ist die skurrile Ideologie: Staaten seien nur Firmen, behaupten sie. Österreich gehöre in Wirklichkeit sieben Banken, die eine "Staats-Simulation auf höchstem kriminellem Niveau betreiben" (Originalzitat). Das behauptet eine Vertreterin des "Staatenbundes Österreich" in Vorträgen in Wirtshaus-Hinterzimmern. Kernaussage: Der Mensch als Lebewesen habe mit der vom Staat geschaffenen rechtlichen Person nichts zu tun. Also: Geburtsurkunde oder Meldezettel seien bedeutungslos.

Neuer Gesetzesentwurf nötig
Rechtlich war es bisher sehr schwierig, den Staatsverweigerern beizukommen. Es gab zwar Anklagen wegen Erpressung, Nötigung oder Amtsanmaßung, doch das geht am Problem vorbei. Deshalb möchte Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) eine spezielle Bestimmung schaffen. In Anlehnung an den bisher schon existierenden Paragrafen 246 (staatsfeindliche Verbindungen) soll dieser den neuen Gegebenheiten angepasst werden.

Ein neuer Gesetzesentwurf war bis Anfang April in der Begutachtung. Es gab besonders viele Stellungnahmen, die nun einzeln geprüft werden. Viele Organisationen befürchten, dass dadurch auch harmlose Vereinigungen kriminalisiert werden könnten.

Seltsames Verhalten vor Gericht
Auffällig ist das seltsame Benehmen von Staatsverweigerern, die bislang wegen verschiedenster Delikte vor Gericht gelandet sind. "Ich bin ein Mensch aus Fleisch und Blut", schreien sie den Richtern entgegen. "Sind Sie mein Schöpfer?", stellen sie die rhetorische Frage. "Sind Sie der Treuhänder meines Namens?" Der Richter wird nur als Vertreter der "Firma Österreich" gesehen, die rechtliche Autorität wird ebenso wenig anerkannt wie die des Anklägers.

Weitere Besonderheit: Hinsetzen vor dem Richter gilt quasi als Kapitulation. Die Autorität des Senats wird damit anerkannt, der Betroffene zum Paket auf einem Frachtschiff. Noch irgendwelche Fragen?

Behördenvertreter in US-Schuldenregister eingetragen
Das alles könnte man als kauzig bis skurril abtun, doch Staatsverweigerer haben weitere Tricks gefunden, wie sie Vertreter von Behörden ärgern und auch verängstigen: durch Einträge in ein US-Schuldenregister. Minister Brandstetter war dort etwa mit 35 Millionen Euro im Minus. Das alles hat zunächst keine Bedeutung, doch die Löschung aus dem Register ist mühsam. Behörden veröffentlichen sogar eigene Leitfäden, wie das funktioniert.

Im Gedächtnis bleiben muss die Einschätzung eines hohen Polizeibeamten: "Wer sich aus welchen Gründen auch immer latent vom Staat zurückgesetzt und ausgegrenzt fühlt, kann irgendwann auch einmal gefährlich werden." Bei uns ist das zum Glück noch nie wirklich passiert.

Kronen Zeitung

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