Fall Julia Kührer

Das Geheimnis von Pulkau: Neue Tattheorie

Österreich
28.05.2017 16:28

Der "Fall Kührer" gilt längst als geklärt. Dennoch gibt es jetzt eine neue Tattheorie - und neue Verdächtigungen. Auch wegen des mysteriösen Verschwindens einer jungen Slowakin, die einst in Julias Heimatort gelebt hat.

Hübsch renovierte alte Häuser. Felder, Wiesen, Wälder. Hügel, auf denen Bauern Trauben und Kartoffeln anbauen. Zwei Wirtshäuser, eine Konditorei, ein paar kleine Geschäfte. Das ist Pulkau. Diese so friedlich scheinende 1500-Seelen-Gemeinde im niederösterreichischen Weinviertel - über der ein großer Schatten liegt. Seit dem 27. Juni 2006. Als Julia Kührer, ein Mädchen aus dem Ort, plötzlich spurlos verschwand. Am helllichten Tag, auf dem Heimweg von der Schule.

Getötet, verbrannt, versteckt - im Erdkeller
Fünf Jahre hindurch galt der Fall beinahe schon als ein für immer unlösbares Kriminalrätsel. Bis am 30. Juni 2011 im nahegelegenen Dietmannsdorf die sterblichen Überreste der Schülerin gefunden wurden. In einem Erdkeller, auf dem Grundstück von Michael K.

Julias Todesursache konnte nie geklärt werden, aber Gerichtsmediziner fanden heraus, dass ihre Leiche - im Abstand von mehreren Tagen - zweimal angezündet und später in den hintersten Teil des Schachts verbracht worden war. Eingewickelt in eine Decke, auf der sich K.s DNA befand.

Lebenslange Haft für Michael K.
Der nun 56-Jährige wurde im September 2013 bei einem Indizienprozess zu lebenslanger Haft verurteilt. Vor Kurzem hat sein Anwalt Wolfgang Blaschitz eine Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt. Unter Vorlage eines BKA-Berichts aus einer Zeit, in der das Mädchen noch als abgängig gegolten und sein Ex-Freund, Thomas S., im Visier der Fahnder gestanden hatte.

Die These des Verteidigers: Die 16-Jährige sei bei einer Drogenparty gestorben, im Beisein des jungen Mannes und einiger seiner Freunde, und in der Folge hätten die Jugendlichen seinem Klienten die Tote "untergeschoben".

Clique der Toten soll vor Gericht
"Unsinn", sagen einst mit der Causa befasste Ermittler, "denn wie hätten die Burschen zumindest dreimal an den Tatort zurückkehren und Handlungen an dem Opfer - es verbrennen, es umlagern - vornehmen sollen, ohne dabei von Michael K. ertappt zu werden?"

Ein Argument, das für einen der beiden Brüder Julias keine Bedeutung hat - er unterstützt den schuldig Gesprochenen dabei, die frühere Clique seiner toten Schwester vor Gericht zu bringen. Das Motiv dafür dürfte, vermuten Vertraute der Kührers, "die immense Wut der Familie auf Thomas S. sein".

Unter seinem Einfluss hatte das Mädchen damit begonnen, Haschisch und Crystal Meth zu konsumieren. Und durch ihn war es auch in Kontakt mit Michael K. gekommen, in dessen Videothek in Pulkau mit Drogen gehandelt wurde.

Das Rätsel um eine vermisste Verkäuferin
"Dort sind noch viel schlimmere Dinge geschehen", berichtet Pater Jerome Ciceo: "Michaela, eine ehemalige Verkäuferin in dem Geschäft, kam 2005 tränenüberströmt zu mir. Voll der Angst vor ihrem Chef, der Abscheuliches von ihr verlangte." Der Geistliche versteckte sie in der Pfarre, "bis eine Freundin sie abholte und in ihre Heimatstadt Bratislava zurückbrachte". Wenige Tage nach ihrer Flucht wurde sie als vermisst gemeldet: "Ich habe die Behörden darüber informiert."

"Unsere slowakischen Kollegen", so ein Fahnder, "fanden bis dato leider keinen Hinweis darauf, was mit der Frau geschehen sein könnte." Ist Michael K. ein Mörder? Oder sitzt er zu Unrecht in Haft? Was denken die Pulkauer?

"Wir wollen bloß die Wahrheit wissen ..."
Bürgermeister Manfred Marihart erklärt die Verunsicherung der Ortsbewohner: "Julias Drama hat an uns allen Spuren hinterlassen. Zuerst ihr unheimliches Verschwinden. Dann so viele falsche Verdächtigungen. Irgendwann endlich die Klärung des Falls. Und nun eine neue Tattheorie. Dadurch werden natürlich alte Wunden aufgerissen."

Die Eltern des Opfers, was glauben sie? "Sie zweifeln die Arbeitsergebnisse der Polizei und der Justiz nicht an", sagt ihr Anwalt Gerald Ganzger.

Wie reagiert Thomas S. auf die Anschuldigungen gegen ihn? "Er verlässt kaum noch sein Haus", erzählen Freunde des mittlerweile 29-Jährigen, und dass es ihm "ohnehin seit Jahren psychisch sehr schlecht" gehe. Julias Tod habe nämlich auch sein Leben zerstört. Weil er sich mitschuldig an ihrem Schicksal fühle: "Schließlich hat er sie ja einst mit Michael K. bekannt gemacht."

Martina Prewein, Kronen Zeitung

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