Radikale Islamisten

Razzien in Deutschland – warum nicht auch bei uns?

Österreich
15.11.2016 12:14

Am Dienstag ist bei einer Großrazzia in zehn deutschen Bundesländern Jagd auf das IS-nahe Netzwerk "Die wahre Religion" gemacht worden, die mit Gratis-Koran-Verteilaktionen seit längerer Zeit für Wirbel sorgt. Ihren Hintermännern wird vorgeworfen, dem radikalen Salafismus anzugehören und junge Leute anwerben zu wollen. Während in unserem Nachbarland die Vereinigung mittlerweile verboten ist, ist sie in Österreich weiterhin erlaubt. Wiens FPÖ-Vizebürgermeister Johann Gudenus fordert nun ein bundesweites Verbot sowie eine "Aktion scharf" gegen verdächtige Vereine und Gebetshäuser.

Zwar wurden in Österreich Info-Stände der Organisation, die unter dem Motto "LIES!" laufen, bereits aus Wiener Neustadt und Graz verbannt - ein offizielles Verbot gegen "Die wahre Religion" wie in Deutschland gibt es hierzulande aber nicht.

Gudenus: "Für radikalen Islamismus darf es keinen Platz geben"
Das stößt Gudenus sauer auf: "In Deutschland wird die Koran-Verteilaktion der Organisation verboten, das ist löblich. Aber wann geschieht das endlich in Österreich? Für radikalen Islamismus darf es keinen Platz geben", so Gudenus gegenüber krone.at. Ihm zufolge sei die Organistaion österreichweit schon seit mehr als einem Jahr aktiv.

Der freiheitliche Politiker fordert daher nicht nur ein sofortiges Verbot der Organisation, sondern auch - nach dem Vorbild Deutschlands - eine "Aktion scharf" gegen alle Vereine und Gebetshäuser, die in Verdacht stehen, IS-Gedankengut zu verbreiten. "Vor allem Wien ist mittlerweile eine Drehscheibe der Salafisten geworden, in der sie in aller Ruhe Menschen für den Dschihad anwerben können. Dagegen muss man rigoros vorgehen. Wir wollen, dass alle rechtlichen Maßnahmen ergriffen werden, dass solche Organisationen von vornherein verhindert werden", sagt Gudenus. Allerdings gibt es noch keine rechtliche Handhabe, um gegen die Vereinigung vorzugehen.

Innenministerium: "Verteilen religiöser Schriften nicht strafbar"
Das Innenministerium ist hingegen um Beruhigung bemüht. "Die bisherigen Verteilaktionen sind vom Verfassungsschutz aufmerksam beobachtet worden. Strafbare Handlungen in direktem Zusammenhang mit den Verteilaktionen sind nicht festgestellt worden", so Ministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck. Die Frage, ob der Verein in Österreich verboten wird, müsse man "auf Grundlage der österreichischen Rechtslage" beurteilen. Das Verteilen religiöser Schriften an sich sei nicht strafbar. Das Vorgehen der deutschen Sicherheitsbehörden gegen die salafistische Koranverteiler-Organisation werde auch im Innenministerium "aufmerksam verfolgt". Man sei in Kontakt mit den deutschen Behörden, sagte Grundböck. Neben Wien, Graz und Wiener Neustadt gab es auch schon in Klagenfurt und Vöcklabruck (OÖ) Koran-Verteilaktionen.

Korane der "LIES!"-Organisation in Österreich gedruckt
Nach Freundeskreis, Moscheen und Internet sei die Kampagne "LIES!" der IS-nahen Salafisten laut österreichischen Verfassungsschützern bereits der vierthäufigste Dschihad-Köder. Einer Studie deutscher Experten zufolge seien rund 40 Prozent der Mitglieder der Organisation IS-Kämpfer geworden. Interessant: Die übersetzten Korane ließ die Organisation 2014 in Österreich produzieren. Die Exemplare für den rot-weiß-roten Markt sollen aus einer Druckerei bei St. Pölten kommen, jene für die Schweiz und Deutschland aus Salzburg und Tirol. "Finanziert werden die Drucke hauptsächlich von Katar, teils aber auch durch angebliche Spendenaktionen", so ein Insider vor zwei Jahren zur "Krone".

Islamistischer Hassprediger als Führungsfigur des Netzwerks
Mit einer Großrazzia in zehn deutschen Bundesländern ging die Polizei am Dienstag gegen die radikal-salafistischen Vereinigung vor. Hunderte Polizisten durchsuchten mehr als 200 Wohnungen und Büros von Organisatoren und Anhängern.

Führungsfigur der 2005 gegründeten Vereinigung ist der islamistische Hassprediger Ibrahim Abou-Nagie (52) aus Köln. Laut Zählung des deutschen Innenministeriums hat "Die wahre Religion" bislang mehr als 2000 Propagandavideos ins Internet eingestellt. Abou-Nagie war laut Informationen aus Sicherheitskreisen vom Dienstag während der Durchsuchungsaktionen nicht in Deutschland, Ermittler vermuteten den gebürtigen Palästinenser zuletzt in Malaysia. Die von Abou-Nagie organisierten Koran-Verteilaktionen gab und gibt es nicht nur in Deutschland und Österreich, sondern in insgesamt 15 Ländern. Weitere Staaten sind etwa Frankreich, Großbritannien, Schweden, Bahrain und seit Juni auch Brasilien. Bis Mitte des Jahres sollen allein in Deutschland rund 3,5 Millionen Gratis-Korane verteilt worden sein.

Videos: Reden des Hasspredigers Ibrahim Abou-Nagie

Deutschland: 140 Menschen von Organisation für IS angeworben
Deutschlands Innenminister Thomas de Maiziere verteidigte am Dienstag im Zuge der Großrazzia das Verbot der Organisation. Laut ihm handelt es sich nach dem Verbot des Kalifatstaates 2001 um das zweitgrößte Verbotsverfahren des Bundesinnenministeriums überhaupt. Der Rechtsstaat setze damit ein klares Zeichen gegen den Missbrauch der Religion durch Personen, die terroristische Organisationen unterstützten. "Die wahre Religion" erkläre die Ablehnung der Demokratie zur Pflicht für jeden Muslim. Rund 140 junge Menschen seien von den Extremisten mit der scheinbar harmlosen Verteilung von Koranen radikalisiert und für den "Heiligen Krieg" rekrutiert worden und in die Kampfgebiete des IS ausgereist. "Wir trocknen diese Szene aus", verteidigte auch Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger die Großrazzia.

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