"Wissen Sie, dieses Glas an der Vorder- und Rückseite des Telefons wird auch im ICE verbaut", erzählt Georg Albrecht. Sagt's, und lässt sein iPhone 4 aus einem Meter Höhe auf den Tisch knallen - oder "bumpern", wie man auf gut Österreichisch sagen würde.
Der Apple-Pressesprecher für Deutschland, Schweiz und die Alpenrepublik hat im Laufe des Montags wahrscheinlich zwei Dutzend Presseleuten grinsend beim Zusammenzucken zugeschaut, als er drei Tage nach den heimischen Mobilfunkern "seine" Testgeräte mit dem entsprechenden Schwung austeilte. Das Test-iPhone, das der Mobilfunk-Provider T-Mobile von Freitag bis Montag zur Verfügung gestellt hatte, "bumperte" übrigens genauso famos auf der Schreibtischplatte.
"Bumper" kann, wenn man's Englisch ausspricht, auch Stoßstange oder Prellbock bedeuten; im Fall des iPhone 4 bezeichnet es eine in mehreren Farben erhältliche Gummi/Plastik-Umrandung, die der Apple-Kunde aufgrund von "Antennagate" - krone.at sowie praktisch alle Medien von "Wallstreet Journal" bis "Radio Mitzitant" berichteten umfassend - nun gratis zum Handy dazu bekommt. Bei diesem "Bumper" grinsen die Technik-Redakteure wiederum Georg Albrecht an. "Alles, was es dazu zu sagen gibt, finden Sie auf der Apple-Website", beendet er das Thema, ganz Cupertino-like, kurz angebunden.
Eine Frage der Haltung
Um gleich zu Beginn zum wohl spannendsten Teil des Testberichts zu kommen: Ja, die Sende- und Empfangsleistung des iPhone 4 kann sich verschlechtern, wenn man es an der entscheidenden Stelle links unten anfasst und die durch eine Millimeter-Lücke auseinander liegenden Enden der Stahlrahmen-Antennen - die linksseitige Umrandung ist WiFi, Bluetooth und GPS, die längere rechtsseitige GSM - per Hautkontakt verbindet, laut einigen Berichten angeblich kurzschließt. US-Blogger tauften das den "Death Grip", dessen angeblich so schreckliche Wirkung durch besagte "Bumper" verhindert wird.
Im normalen Telefonierbetrieb mit dem Handy am Ohr passiert dieser Todesgriff eher nur Menschen mit besonders großen Händen - oder Linkshändern, die Apple damit übrigens gleich doppelt "diskriminiert", weil man beim iPhone 4 die Plätze für Mikro und Lautsprecher an der Unterkante ausgetauscht hat. Der Rechtshänder hat das Mikro beim Telefonieren jetzt näher zum Mund, beim "Leftie" schaut es Richtung Hals. Doch zurück zum "Antennagate": In eine Kurzschlusslage kommen kann auch, wer dem mobilen Internetvergnügen frönt und das Handy in der linken Hand hält, die kritische Lücke mit dem Handballen schließend, und mit der Rechten bedient. Hierbei neigt der Linkshänder seltener zum Todesgriff.
Im Test nur mit "Anbumperer"-Griff
Was man an vier Tagen mit ein paar Telefonaten bewerkstelligen kann, heißt aber noch lange nicht, dass Apple nicht doch einen peinlichen Konstruktionsfehler beim iPhone 4 verbrochen hat bzw. umgekehrt, dass dem Gerät tatsächlich Unrecht getan wurde. Laut Apple beschwerten sich weniger als zwei Prozent der US-iPhone-Kunden. Weil hier so viele Faktoren wie Netzqualität, Zellengröße, Auslastung, Handyhaltung, Störquellen und dann auch noch die Situation des Gesprächspartners mitspielen, würde wohl nur eine anständige Versuchsreihe mit Messinstrumenten Klarheit verschaffen. So eine umfangreiche Studie hat es bis dato auch in den USA nicht gegeben, wo Apple aufgrund der Proteste das "Bumper"-Programm starten musste. Am nächsten kommen dem noch die Tests von Consumer Report, die das ganze Debakel ursprünglich auslösten, und der interessante Testbericht des Bloggers Anand Shimpi, der aus seinen Messungen schlussfolgert, dass das iPhone 4 zwar in Sachen absoluter Signalstärke bedeutend schlechter als der Vorgänger dasteht, dafür aber bei der Performance in schwacher Empfangsumgebung den Vorgänger und auch andere Smartphone schlägt (Links zu beiden Artikeln siehe Infobox).
Generell heißt es außerdem, dass österreichische Handynetze mit amerikanischen nicht direkt vergleichbar sind. Abgesehen vom schlechten UMTS-Ausbau in den "U.S. of A" heißt es bei den heimischen Mobilfunkern, dass dort vor allem die Größe der Zellen für Telefonatsabbrüche sorgt. Dort müssten nämlich ungleich mehr Netzteilnehmer in derselben Zelle telefonieren, während man hier, quasi im Land der unbegrenzten Handymasten, vergleichsweise luxuriöse Empfangszustände vorfinde. Das Fazit muss also eigentlich lauten: Ein echtes "Antennagate" mit gehäuften Telefonatsausfällen lässt sich mit zwei iPhone-4-Testgeräten im heimischen "Luxus-Netz" auf die Schnelle nicht reproduzieren. Bleibt abzuwarten, was die schätzungsweise rund zehn- bis zwanzigtausend iPhone-4-Besitzer, die es bis zum Herbst in Österreich geben wird, an die Provider bzw. in Internetforen zurückmelden. Wer ein iPhone 4 kauft, wird aber dem ersten Eindruck nach zu urteilen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch damit telefonieren können. Im Zweifel gilt halt: Gummi ("Bumper") drüber!
Material-Zeitreise zurück zur ersten Generation
Jetzt kommt es mit eingangs erwähntem Edelstahlrahmen, der gleichzeitig die Antennen darstellt, und zwei Glasplatten an Vorder- und Rückseite aus einem Aluminosilikat genannten Industrieglas, das u.a. bei Helikopter-Cockpits und Hochgeschwindigkeitszügen eingesetzt wird. Zusätzlich ist eine fettabweisende Beschichtung aufgetragen, die mit der Zeit aber ihre Wirkung verliert, wie man seinerzeit schon beim iPhone 3Gs feststellte. Die Haptik ist hervorragend, für einen alltäglichen Gebrauchsgegenstand wie ein Handy wirkt es fast schon zu edel. Man fürchtet anfangs ständig, es könnte runterfallen und zerbrechen, obwohl die Verwindungssteifigkeit ihresgleichen sucht und - wie Montags erlebt - die Apple-Mitarbeiter ja offenbar gern damit herumwerfen.
Es ist jetzt einsam auf dem Display-Thron
Im Alltag erspart man sich durch das ultrascharfe Display das ständige Reinzoomen beim Durchblättern von Websites. Schlägt man die normale krone.at-Website auf, sind die Schlagzeilen unterhalb des Meldungsblockes praktisch ohne Zoomvorgang lesbar. Stundenlanges Lesen bleibt aber dennoch anstrengend, da die Maße des Displays ja trotz höherer Auflösung unverändert blieben und sich die Augen weiterhin auf ein nur 7,5 mal 5,3 Zentimeter großes Kasterl konzentrieren müssen, das ihnen noch dazu entgegenleuchtet. Apropos leuchten: Im Vergleich mit dem iPhone 3Gs wirkt das LED-hintergrundbeleuchtete Retina-Display von der Farbtemperatur her etwas kühler, die Systemschrift wirkt eher Anthrazit als Schwarz, zudem etwas schlanker. In Sachen Outdoor-Tauglichkeit hat sich nichts geändert. Bei direkter Sonneneinstrahlung spiegelt das Glas, nur wenn man die Displayhelligkeit auf den höchsten Wert einstellt - der Lichtsensor übernasert das nicht immer gleich und geht auch selten ins Maximum -, lässt sich das halbwegs kompensieren. Andere Display-Technologien wie AMOLED haben hier die Nase vorn, protzen halt aber auch (noch) nicht mit der Auflösung des Retina-Displays.
Neue Kamera: Hauptsache schnell
An ein Sony-Ericsson-Handy mit Cybershot-Kamera und so manches Upper-Class-Smartphone anderer Hersteller kommt die neue iPhone-4-Kamera trotzdem nicht heran (iPhone-4-Alternativen siehe Infobox). Die fünf Megapixel reichen immerhin aus, um das Rauschen zu verstecken und der Sensor kommt mit einem Tick weniger Umgebungslicht aus. Outdoor-Bilder sehen perfekt aus. Der integrierte Digitalzoom ist dafür zum Vergessen, wenn man halbwegs Ansprüche an das Ergebnis stellt. Fokussieren funktioniert wie gehabt mit einem Tipp auf das Display. Der eingebaute Blitz ist - wie bei den meisten Handys - natürlich kein Blitz im fototechnischen Sinne, sondern eine LED, die vom Zoom-Vorgang bis zum Auslösen das Motiv mit recht engem Lichtkegel ausleuchtet. Immerhin kompensiert das Post-Processing im iPhone 4 durch ein paar Farbveränderungen die Weißabgleich-Probleme, die bei der bläulich strahlenden LED zwangsläufig entstehen müssen.
Großer Pluspunkt der Kamera: Sie ist Schnappschuss-tauglich wie kaum ein anderes Handy. Vom Entriegeln über das Starten der Kamera-App bis zum fertigen Foto liegt das technische Limit bei unter vier Sekunden. Geht man mit geöffneter Kamera-App ins Standby, vergehen vom Entriegeln bis zum Schnappschuss überhaupt nur zwei Sekunden. Die Bilder sind im Schnitt zwischen 1,5 und drei Megabyte groß, wobei man bei besonderer Farbenpracht auch bis zu vier MB zusammenbekommen kann. Dankenswerterweise bietet jetzt die E-Mail-App an, die JPEGs in vier Stufen herunterzurechnen, sodass man Schnappschüsse auch ohne 3G-Empfang bzw. das Datenguthaben schonend verschicken kann. Bei Drittanbieter-Apps wie Facebook oder Flickr ist das derzeit aber nicht möglich.
Mit der Größe des Sensors ist auch die Größe der Videos, die man mit dem iPhone 4 ebenfalls herstellen kann, gewachsen. Die Auflösung beträgt nun 720p, also 1280 mal 720 Pixel. Wirkliches HD ist das trotzdem nicht, weil das "Futter" im Bild klarerweise nicht reicht, um die entsprechende Qualität zu liefern. Beim Versenden per E-Mail wird das Video automatisch auf 568 × 320 Pixel komprimiert, ein YouTube-Upload ist bereits im Menü integriert. Holt man sich die Dateien per USB-Verbindung auf den Rechner, bekommt man recht passable Aufnahmen zu sehen, mit denen man sich auch auf einem Videoportal sicher nicht schämen muss. Im Urlaub schnell einen Klippensprung mitfilmen - ja. Festhalten, wie Oma zum Achtziger im schlecht beleuchteten Wirtshaussaal die Kerzen auf der Torte nicht ausblasen kann - na ja. Für rund fünf Euro kann man auch eine iPhone-Version des Apple-Videoschnittprogramms iMovie erstehen und die Videos dann am Handy zurechtschneiden sowie mit Übergängen, Hintergrundmusik und einfachen digitalen Effekten versehen.
Videotelefonie (fast) Wirklichkeit
Eine zusätzliche App ist für FaceTime nicht notwendig, die iPhones erkennen selbstständig, ob der gewünschte Gesprächspartner "facetimen" kann. Die Video-Anrufe kann man somit direkt aus dem Telefonbuch und ohne Telefongebühren starten, oder auch während eines normalen Anrufes auf die Videocall-Funktion wechseln. Das GSM-Telefonat dürfte dann allerdings weiter aktiv bleiben und auch abgerechnet werden. Dass Apple, wie auf seiner Website behauptet, damit die Videotelefonie quasi neu erfunden hat und "endlich Wirklichkeit" macht, ist natürlich Humbug. Das iPhone-Fans sie öfters nützen werden als andere, die schon seit fünf Jahren videofonieren könnten, käme da wohl schon eher hin. Das einzig wirklich neue an der Videofonie mit FaceTime ist die Möglichkeit, während der Session auf die rückseitige Kamera umzuschalten, wenn man dem Gesprächspartner abseits der eigenen Mimik Wichtigeres zu zeigen hat.
Neues Betriebssystem und mehr Leistung
Etwas gewöhnungsbedürftig ist zu Beginn der veränderte Modus operandi des Betriebssystems, bedingt durch das mit iOS4 eingeführte Multitasking. Das iPhone 4 erlaubt die gleichzeitige Ausführung mehrer Anwendungen. Mit einem Doppelklick auf die Hometaste kann man nun jede App, die vom Anbieter auf die Mindestanforderung OS 3.1 gebracht wurde, "einfrieren" (z.B. Spiele, News-Portale, Videos) und danach ohne Nloads), um sich anderen Dingen zuzuwenden. Bei den Systemfunktionen wie E-Mail und auch den Dienstprogrammen (Einstellungen, Uhr, usw.) friert das iPhone 4 den Status quo generell ein. Verändert man z.B. die Einstellungen im System-Menü "Netzwerk" und schließt es danach, so findet man sich beim nächsten Aufrufen des System-Menüs innerhalb einer gewissen Timeout-Spanne an derselben Stelle in "Netzwerk" wieder und muss für einen anderen Menüpunkt über das Hauptmenü zurücknavigieren. Störend wirkt das aber weniger bei den System-Applikationen sondern eher bei Apps von Drittanbietern, wo dies dann und wann die Aktualisierung erschwert. Die Applikation der New York Times hat etwa Schwierigkeiten die Schlagzeilen neu zu laden, wenn man sie ein paar Mal mit einem Doppelklick zur Seite gelegt hat. Alles in allem ist Multitasking aber ungleich mehr Segen als Fluch.
Akku hält länger
Fazit: Sieht man einmal vom "Antennagate" ab, das in diesem Test weder bestätigt noch ausreichend widerlegt werden konnte, so hat Apple mit dem iPhone 4 einmal mehr eine handliche Kommunikationsmaschine vorgestellt, die sowohl Hard- als auch Software-seitig ein bedeutendes Update zum Vorgänger darstellt. Die Welt niederreißen tut man in Cupertino mit der vierten Generation des Wunderwuzzi-Handys heute aber nicht mehr. Einzig das wirklich herausragende Display darf zu Recht als Pionierarbeit in die Geschichte der Unterhaltungselektronik eingehen. Videotelefonie, Multitasking und eine 5-MP-Kamera mit Lichterl bekommt man gleichwertig oder besser auch bei anderen Smartphones. Selbst beim Touchscreen legt die Konkurrenz die eigene Latte schon gefährlich nah zum Klassenprimus. Kaufargumente bleiben weiterhin in erster Linie die hervorragende Usability, das unverwechselbare Design sowie das Geltungsargument, das beim höherpreisigen iPhone 4 - das 3Gs-Modell bekam man zuletzt ja für 99 Euro, dann für einen und jetzt sogar 0,- Euro - wieder eine größere Rolle spielt. Im Testbericht bewusst ausgelassen, weil unverändert, aber bei einer Kaufentscheidung bedeutend, ist natürlich noch die Geschlossenheit des Systems iPhone, in dem der Kunde stets nach Apples Pfeife zu tanzen hat. Die trällert zwar meistens schöne Melodien, aber eben nicht immer. Kann man sich damit arrangieren oder findet andere Wege, lässt es sich mit dem iPhone 4 aber gehörig "bumpern".
Die Preise für das wahlweise mit 16 oder 32 GB Speicher und in Schwarz oder Weiß erhältliche iPhone 4 in Österreich beginnen für Neukunden übrigens bei 199 Euro und können sich - je nach Provider - auf bis zu 600 Euro ausweiten. Dabei gilt: Je niedriger die Monatsgrundgebühr desto teurer das iPhone. Bei Orange beträgt die niedrigste Grundgebühr 10 Euro, mit Datenpaket 17 Euro. T-Mobile bietet drei Tarife mit unterschiedlichen Flatrates zu 29, 39 und 49 Euro Grundgebühr an. Entsperrt bekommt man das iPhone in Österreich bei den Providern nicht, nur bei einigen Elektronikhändlern - und dort gehen die Preise ins Vierstellige. iPhone-4-Fans müssen die nächsten Wochen übrigens stark sein: Bis zu einen Monat kann es dauern, bis das Apple-Handy für jene verfügbar ist, die seit Wochenbeginn ein iPhone kaufen wollten. Orange meldete am Dienstag 7.000 offene Bestellungen. Bei T-Mobile wurden "mehrere tausend Stück" verkauft, weiters befänden sich "Tausende Interessierte" auf der Warteliste.
von Christoph Andert
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