Gewalt kehrt zurück

Erdogan macht Ernst: Großeinsatz am Taksim-Platz

Ausland
11.06.2013 22:09
Zehn Tage nach ihrem Rückzug vom Istanbuler Taksim-Platz geht die türkische Polizei nun wieder mit aller Gewalt gegen die Demonstranten vor. Nach einem ersten Vorstoß auf den Platz am frühen Morgen feuerte die Polizei am Dienstagabend mit Tränengas und aus Wasserwerfern in eine große Kundgebung der Protestbewegung. Außerdem wurden 44 Juristen festgenommen, die Ermittlungen zu den brutalen Polizeieinsätzen gefordert hatten.

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan verteidigte den Einsatz und warf den Demonstranten erneut vor, sie hätten sich von Extremisten und internationalen Finanzkreisen instrumentalisieren lassen. In einer Rede vor Abgeordneten seiner islamisch-konservativen Regierungspartei AKP in Ankara dankte Erdogan der Polizeiführung. Den Demonstranten warf er erhebliche Zerstörungen im Zuge der Proteste in den vergangenen zwei Wochen vor.

Nach ersten Zusammenstößen am Morgen (siehe Video in der Infobox) strömten am Abend Zehntausende Menschen auf den Taksim-Platz und in umliegende Straßen. Die Polizei zog sich zunächst zurück, griff dann aber an. Die Einsatzkräfte feuerten mit Gummigeschoßen, Demonstranten schossen mit Steinschleudern und warfen Steine.

Aktivisten: Von Polizei bestellte Provokateure am Werk
Am Morgen hatten die Protestierenden Brandsätze gegen Wasserwerfer geworfen. Aktivisten in einem Camp am Rande des Taksim-Platzes distanzierten sich nach Medienberichten von dieser Aktion und erklärten, die Täter seien von der Polizei bestellte Provokateure gewesen.

Der Gouverneur der Provinz Istanbul, Hüseyin Avni Mutlu, wies den Vorwurf zurück. Obwohl das gewaltsame Vorgehen der Polizei auch auf Fernsehbildern klar zu erkennen war, erklärte er zudem über den Kurznachrichtendienst Twitter, mit dem Einsatz sollten nur Plakate und Spruchbänder auf dem Platz entfernt werden. Das Protestlager der Demonstranten im Gezi-Park werde nicht angerührt. Die Polizei drang später jedoch sehr wohl auch in das Lager vor, erklärten Aktivisten.

Ursprünglich hatten sich die schon seit Tagen andauernden Proteste an einem Plan zur Überbauung des Gezi-Parks am Rande des Taksim-Platzes entzündet. Die Protestwelle bekam starken Auftrieb, als die Polizei mit Gewalt ein Zeltlager im Gezi-Park räumte. Inzwischen richten sich die Demonstrationen vor allem gegen den als autoritär kritisierten Kurs Erdogans.

Anwaltskammer protestiert gegen Festnahme von Juristen
Die türkische Anwaltskammer protestierte unterdessen scharf gegen die Festnahme von 44 Juristen in einem Gerichtsgebäude in Istanbul. Die Rechtsanwälte hätten Ermittlungen zu den brutalen Polizeieinsätzen gefordert, sagte der Präsident der Kammer, Metin Feyzioglu. Stattdessen seien sie selbst festgenommen worden.

"Die türkische Polizei hat bei den Demonstrationen der vergangenen Tage mit ihren Tränengasgewehren direkt auf Menschen gefeuert. Sie haben sie wie scharfe Waffen eingesetzt. Deswegen gibt es so schlimme Verletzungen", sagte Feyzioglu. "Die Anwälte wollten die blinden Augen und tauben Ohren der Staatsanwalt erreichen", sagte er. Der für die Sicherheit im Gericht zuständige Staatsanwalt habe aber die Polizei gerufen, die die Männer abführte. "Es waren schreckliche Szenen", so Feyzioglu.

Erstes Gespräch am Mittwoch
Am Mittwoch soll es erstmals seit Beginn der Demonstrationen ein Gespräch zwischen Erdogan und Vertretern der Protestbewegung geben. Das Treffen ist für 15.00 Uhr am Sitz der Regierungspartei AKP in der türkischen Hauptstadt Ankara angekündigt. Die Vertreter der Demonstranten würden "über die Fakten informiert, und unser Ministerpräsident wird sich anhören, was sie zu sagen haben", sagte Erdogans Stellvertreter Bülent Arinc am späten Dienstagabend.

Insgesamt sind bei den landesweiten Protesten, deren Zentren Istanbul und Ankara sind, nach Angaben des türkischen Ärztebunds bisher rund 5.000 Menschen verletzt worden. Drei junge Demonstranten und ein Polizist seien während der Unruhen ums Leben gekommen, erklärte Erdogan. Die Sicherheitskräfte wurden wegen ihres harten Einschreitens nicht nur in der Türkei, sondern auch international kritisiert.

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