"Krone"-Gespräch

Student (22): "Darum tötete ich meine Mutter"

Österreich
01.08.2015 20:30
Sabine W. wurde von ihrem Sohn im September 2014 in ihrer Wohnung im niederösterreichischen Strasshof mit 36 Messerstichen umgebracht. Kurz vor seinem Prozess spricht der Student über die Motive für seine Tat.

Die Kleidung gepflegt, das Haar kurz geschnitten, die Fingernägel sauber. Stefan W. sieht aus wie der "brave Junge von nebenan". Und er benimmt sich auch so. Wird ihm eine Frage gestellt, beantwortet er sie höflich. Worüber der 22-Jährige gerne spricht? Über Literatur. Tolstoi, Tschechow, Tennessee Williams, sagt er, seien seine Lieblingsautoren. Und er redet viel über die Natur. Über mystische Landschaften. Über die Ozeane. Über Tiere, die in der Wüste und im Urwald leben.

Bescheiden, angepasst, fast demütig. Stefan W.s Verhalten im Landesgericht Korneuburg, wo er seit acht Monaten in U-Haft sitzt, ist genauso, wie es immer war. Bis zum 1. September 2014. Als er seine Mutter tötete. Sabine W. (44) und ihr Sohn hatten damals, beim Abendessen in ihrer Wohnung in Strasshof, Niederösterreich, Streit. Der junge Mann griff nach einer Glaskugel. Schlug damit der Frau auf den Kopf, sie fiel zu Boden.

Leiche in Bettzeuglade versteckt
In der Folge stach er, wie im Akt zu dem Fall zu lesen ist, "mit einem Messer 36-mal in ihren Hals und Nacken ein, wobei es zu einer Durchtrennung der Halsschlagader kam und sie innerlich verblutete". Der Täter verpackte dann die Leiche in Folien, versteckte sie in einer Bettzeuglade - und setzte sich in die USA ab. Wo er eine Rundreise machte. Am 16. Oktober konnte er schließlich in Oregon ausgeforscht und verhaftet werden.

In wenigen Wochen wird dem Studenten der Prozess gemacht. Die Anklage lautet auf Mord. Denn die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass sein Delikt von langer Hand geplant war. Belastend für den 22-Jährigen: Im Vorfeld des Verbrechens hatte er auf seinem Laptop wiederholt Recherchen dazu angestellt, mit welchen Werkzeugen ein Mensch einfach umzubringen sei und wie ein Täter auf der Flucht agieren solle.

"Der Alltag mit meiner Mutter war sehr schwierig"
"Ja", erklärt Stefan W. nun, "es ist wahr, ich habe mir oft ausgemalt, wie es wäre, wenn meine Mama nicht mehr da sein würde. Aber das waren nur Fantasien." Wieso gab es diese Fantasien überhaupt? "Weil der Alltag mit meiner Mutter für mich sehr schwierig war, von klein auf."

Sabine W. zog ihren Buben alleine groß. Die Trennung vom Vater geschah bereits während der Schwangerschaft. "Seit ich mich zurückerinnern kann", behauptet Stefan W., "hat meine Mama mir den Kontakt zu meinem Papa verboten. Weil sie mich ganz für sich haben wollte. Das ging irgendwann sogar so weit, dass sie mir den Umgang mit Mitschülern verbat - und später, mit 17, als ich meine erste Freundin hatte, mich so sehr drangsalierte, dass ich die Beziehung beendete."

Sabine W. litt unter psychischer Erkrankung
Sabine W. und ihr Sohn: Über zwei Jahrzehnte hindurch lebten sie in einem Mikrokosmos des Irrsinns. Die Frau, geplagt von Verfolgungswahnideen, kapselte sich und ihr Kind völlig von der Umwelt ab. Nahm sie die Medikamente, die ihr Psychiater verschrieben hatten, ein - dann schaffte sie es, in ihrem Beruf als Apothekerin zu arbeiten. Setzte sie die Pillen ab, kündigte sie ihre Jobs. Weil sie davon überzeugt war, ihre Kollegen würden ihr bloß Böses wünschen.

"Wenn ich Freunde fand oder mich mit Familienmitgliedern traf", so der 22-Jährige, "erklärte mir meine Mutter, dass ich von ihnen nur ausgenützt würde. Viel zu lange habe ich ihr geglaubt, mit ihr ein einsames Dasein in unserer Wohnung geführt. Bis ich kapierte, dass meine Mama verrückt sein musste." Wann ist dieser "Knackpunkt" da gewesen? "Als ich so 14, 15 war und sich ihr seelischer Zustand noch mehr verschlechterte."

"An wen hätte ich mich wenden sollen?"
Inwiefern? "Sie begann, Selbstgespräche zu führen - und mich körperlich zu misshandeln. Bis in die späte Nacht musste ich jeden Tag lernen, und wenn ich am Schreibtisch einschlief, schlug sie mich. Das war sogar noch so, als ich zuerst Jus und später Politikwissenschaften studierte." Gab es niemals Befreiungsversuche? "An wen hätte ich mich wenden sollen?" Sein Verbrechen, beteuert Stefan W., sei nicht geplant gewesen, "es ist mir passiert. Als mir meine Mutter einen Urlaub verbieten wollte, sie mich beschimpfte und an den Haaren zog." Und dann sei "halt dieser Hass" in ihm hochgekommen...

"Ich fühle mich wohl im Gefängnis"
"Mein Klient", so Marcus Januschke, der Anwalt des 22-Jährigen, "ist kein Mörder. Seine Tat geschah im Affekt." Ähnlich sieht das Gerichtspsychiaterin Heidi Kastner. Der Täter leide an einer "schizoiden Persönlichkeitsstörung infolge einer fehlgeleiteten Erziehung", diagnostiziert die Seelenärztin in ihrem Gutachten über den Täter. "Ich weiß, es klingt seltsam", sagt Stefan W., "aber ich fühle mich wohl im Gefängnis. Es macht mir nichts aus, dass ich wahrscheinlich für längere Zeit hierbleiben werde. Denn ich will diese Zeit nutzen. Studieren. Und versuchen, mein Leben auf die Reihe zu kriegen."

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