Oldies but Goldies

Fettes Brot live in Wien

Musik
21.12.2007 21:16
Nach längerer Pause sind Fettes Brot, die Urgesteine der deutschen Hiphop-Szene, wieder da und stellen auf ihrer aktuellen Club-Tour das im März erscheinende Album vor. krone.at hat sich in die Szene Wien aufgemacht und die neuen Songs probegehört. Ergebnis: Klassischer Rap und witzige Geschichten haben basslastigem Elektro-Dancehall-Sound und viel Gesangseinlagen Platz gemacht.
(Bild: kmm)

Seit 1992 zieht Fettes Brot, bestehend aus Boris Lauterbach, Martin Vandreier und Björn Warns (jedes Album mit neuem Künstlernamen ausgestattet) plus DJ - derzeit Markus Pauli - durch die deutschsprachigen Lande. Von Klassikern wie "Jein" und "Nordisch by Nature" über neuere Hits wie "Schwule Mädchen", "Emanuela" und "An Tagen wie diesen" - mit kleinen Geschichten, verpackt in gewitzte Reime und Gesellschaftskritik light, eroberten Fettes Brot den deutschen Hiphop und begeistern ihre Fans abseits des derzeit so modernen Pseudo-Gangstarap.

Von ebenjenen spaßig-ironischen Texten à la Murphy's Law haben sich Fettes Brot mit dem noch namenlosen neuen Album, das im März 2008 erscheint, leider zum Großteil verabschiedet. Es dominieren Hooklines und Reime, deren Niveau mit älteren Hits nicht mithalten kann. Dementsprechend verhalten reagierte auch das Publikum auf viele neue Songs, die von harten, schnellen, basslastigen Beats bestimmt werden - eine Mischung aus Dancehall und Elektro. Auf der Bühne stand neben Fettes Brot und DJ eine komplette Band samt Trompetern - eine erfrischende, musikalisch sehr gelungene Mischung.

Die Texte der ersten Songs sind keine großen Meisterwerke - dass sich die mittlerweile über dreißigjährigen Nicht-Rebellen etwa anmuten, die "Sprache der Straße" zu sprechen, wirkt eher als Anbiederung denn ernstgemeintes Statement. Musikalisch gesehen ein Kracher, bleibt bei manchen Songs die Frage nach Sinn und Niveau der Texte im Raum stehen - "Bettina, pack die Brüste ein" etwa ist schlicht Effekthascherei, auch wenn das Publikum ob des bounzenden Sounds nichtdestotrotz das Tanzbein schwingt.

Glücklicherweise sind auch einige Perlen auf dem neuen Album zu finden. "Schieb es auf die Brote" heißt es etwa in einem Song, der mit witzigem Text zum täglichen Kleink(r)ampf des Lebens und 90er-Hiphop-Beat zu begeistern weiß - die Zuhörer danken es mit Begeisterungsstürmen. Auch das Lied rund um "Deutschlands größtes Liebespaar" wird heftig beklatscht - selbst wenn es mit Hiphop nicht mehr viel zu tun hat. Der poppige Song mit Gitarrensound ist wohl mit "Ö3-tauglich" am besten beschrieben.

Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren, in denen sich Fettes Brot aus den Diskussionen rund um deutschen Gangstarap à la Sido, Azad und Kumpanen herausgehalten haben, gehen sie diesmal mit gleich zwei Songs auf die vermeintlich coolen Spätzünder im deutschsprachigen Hiphop los. "Der beste Rapper Deutschlands bin immer noch ich", wissen die Fetten Brote zu berichten - dass gerade dieser Song mit Rap und Reimen nichts am Hut hat und stattdessen an Britpop erinnert, mutet merkwürdig an - soll aber wohl die ironische Ader herausstreichen. Ernster geht es zur Sache, wenn Fettes Brot in einem weiteren Lied darüber philosophieren, dass es nicht nur um "Kohle und Autos" gehe - und andere Rapper Gewalt propagieren: "Ihr wollt hassen, wir wollen lieben". Der Klavier-Sound gepaart mit schnellen Beats bietet einen guten Kontrast, erinnert jedoch in Bezug auf Text und Melodie stark an zahlreiche Lieder von Hiphop-Altmeister Curse.

Pascal Finkenauer hat Fettes Brot bereits beim vergangenen Album musikalisch unterstützt, diesmal kommt er unter anderem bei einem Song über die Liebe per Internet zum Einsatz. Im Verlauf des Liedes nimmt die kleine Geschichte rund um die große Liebe eine tragische Wendung und erinnert damit plötzlich an eine Mischung aus Tic Tac Toes "Warum?" und zahlreiche Xavier-Naidoo-Titel - das Publikum ist dementsprechend mäßig begeistert.

Wirklich ratlos hat die Zuhörer jedoch jener Song hinterlassen, der Hommagen an Marvin Gaye, Sophie Scholl und einen Trinker namens Herbert vereint - die Aufklärung, was es mit dieser Kombination und der Hookline "Marvin/Sophie/Herbert hörst du nicht, wir langweilen uns fürchterlich... ohne dich" auf sich hat, folgt in einem für Ende Jänner versprochenen Interview.

Nachdem das Publikum die neuen Songs freundlich aber ob des neuen Sounds verhalten beklatscht hat, folgt eine Klassiker-Show, die als "Best of Fettes Brot" am treffendsten beschrieben ist. Und spätestens hier wird klar, warum die meisten Konzertbesucher Mitte zwanzig sind: Sie zählen wohl zu Fans der ersten Stunde, und das haben Fettes Brot ihren einprägsamen Texten zu verdanken, die im Saal beinahe jeder auswendig mitsingen kann. So frenetischen Jubel, so viel Lärm um eine Band hat die Szene Wien wohl lange nicht mehr gehört - den Applaus hat sich die Partyband spätestens mit der zweiten Hälfte der Show dank vollem körperlichen und stimmlichen Einsatz aber wohlverdient.

Die Verabschiedung des immer noch tobenden Publikums durch den Bugs-Bunny-Klassiker " Wir sagen Dankeschön und auf Wiedersehen..." - vorgetragen a capella und ohne Mikro-Unterstützung - passt in das Bild dieser Band, die dankbar und wegen der Vorstellung der neuen Songs sehr erleichtert scheint über den Jubel ihrer Anhänger: Unkonventionell, frech und auch mit über dreißig sind Fettes Brot noch keinesfalls müde. Auf die im Sommer folgende Tour - dann im größeren Rahmen - dürfen sich Fans also trotz ungewohnter neuer Sounds auf jeden Fall freuen.

Von Bernadette Geißler

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