Neue Wendung

Kölner Schüler hatten Massaker-Pläne aufgegeben

Ausland
20.11.2007 11:29
Überraschende Wende beim geplanten Amoklauf von Köln: Die beiden Schüler des Georg-Büchner-Gymnasiums hatten die Pläne für die Bluttat nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft bereits vor dem Eingreifen der Polizei aufgegeben. Die Anklage verzichtete darauf, den festgenommenen 18-Jährigen dem Haftrichter vorzuführen. Er wurde stattdessen in eine psychiatrische Klinik gebracht. Der 18-Jährige hatte gemeinsam mit einem 17 Jahre alten Kollegen einen Anschlag auf Lehrer und Mitschüler geplant, für den bereits einige Waffen sowie eine Todesliste mit 17 Namen bereit lagen. Der 17-jährige Komplize hatte Selbstmord begangen, nachdem die Polizei ihn wegen des Amoklauf-Verdachts verhört hatte.

Die Anklagebehörde stützt sich bei ihrer Einschätzung, dass der ursprüngliche Plan, an ihrer Schule ein Blutbad anzurichten, von den beiden Schülern schon vor Wochen aufgegeben worden war, auf die Aussagen des 18-Jährigen, aber auch auf Computerdateien und Chat-Protokolle, die auf den sichergestellten Computern der Jugendlichen gefunden wurden.

Danach hatten die beiden 17 und 18 Jahre alten Schüler zwar bereits zwei Armbrüste, 16 Pfeile und einige Softairwaffen zu Hause parat sowie eine Todesliste mit 17 Vornamen von Lehrern und Schülern erstellt. Doch vor vier Wochen habe der 18-Jährige dann einen Rückzieher gemacht. "Er hat wohl eingesehen, dass das doch kein gangbarer Weg für ihn ist", so der Staatsanwalt.

Der ältere Schüler habe die Pfeile für die von ihm beschaffte Armbrust zurückgefordert und dem 17-Jährigen sogar die Sehne der Waffe abgekauft, so dass diese nicht mehr funktionstüchtig war. Daraufhin habe auch der 17-Jährige kalte Füße bekommen und erklärt, allein werde er das wohl nicht machen, sagte Willwacher.

Schüler wegen Suizidgefahr in Psychiatrie
Die Staatsanwaltschaft verzichtete deshalb auch darauf, den 18-Jährigen dem Haftrichter vorzuführen. Der Vorwurf der Verabredung zu einem Verbrechen sei durch den Rückzieher der Jugendlichen vom Tisch, sagte der Anklagevertreter. Infrage komme möglicherweise noch eine Bestrafung wegen der Weitergabe der Armbrust an einen Minderjährigen. Doch handle es sich dabei um eine Ordnungswidrigkeit.

Statt in eine Jugendhaftanstalt wurde der junge Mann mit seinem Einverständnis in eine psychiatrische Klinik gebracht, da eine Suizidgefahr nicht ausgeschlossen wurde.

Die Polizei war zunächst davon ausgegangen, dass die Schüler für Dienstag einen Amoklauf am Kölner Georg-Büchner-Gymnasium geplant hatten und mit zwei Armbrüsten, möglicherweise aber auch mit Molotow-Cocktails und Rohrbomben ein Blutbad an ihrer Schule anrichten wollten.

Fast-Amokläufer hielt Referat über US-Schulmassaker
Auslöser für die Pläne zum Amoklauf sei möglicherweise gewesen, dass die Schüler im Rahmen des Unterrichtes über das Attentat von Columbine gesprochen hätten, bei dem im April 1999 zwei amerikanische Jugendliche im US-Bundesstaat Colorado zwölf Mitschüler und einen Lehrer getötet hatten. Der 18-Jährige habe sogar ein Referat über das Thema gehalten, sagte Willwacher. "Aber wer die Idee hatte, das wollen wir auch machen, ist nicht ganz klar. Irgendwann hatten wohl beide die Entscheidung getroffen."

Der Selbstmord des 17-Jährigen nach einer ersten Vernehmung sei möglicherweise eine Kurzschlussreaktion gewesen. Doch habe er auch zuvor schon Selbstmordabsichten angedeutet, sagte der Staatsanwalt.

Mitschüler meldeten Verdacht der Schulleitung
Dass der Plan aufflog, lag an der Wachsamkeit mehrerer Mitschüler: Sie sahen, dass der 17-Jährige Bilder des Massakers an der Columbine High School im US-Bundesstaat Colorado ins Internet gestellt hatte und alarmierten die Schulleitung.

Um eine Ausrede war der 17-Jährige zunächst nicht verlegen: Er habe die Bilder von dem Amoklauf ins Internet gestellt, um vor solchen Taten zu warnen, sagte er in einem Gespräch mit Schulleitung und Polizei, das bereits am Freitag stattfand. Bei dem Massaker von Littleton hatten zwei Schüler zwölf Mitschüler, einen Lehrer und schließlich sich selbst umgebracht.

17-Jähriger warf sich vor Straßenbahn
Nach dem Gespräch wurde der Bursch - er wurde als unauffällig beschrieben - nach Hause geschickt. Dort kam er aber nicht mehr an. Augenzeugen beobachteten, wie sich der 17-Jährige vor eine Straßenbahn warf. Wenig später erlag der Schüler seinen Verletzungen.

Als die Polizei erfuhr, dass es sich bei dem Selbstmörder um jenen Burschen mit den Amok-Fotos handelte, verschärften die Beamten ihre Ermittlungen und kamen bald auf die Spur seines 18-jährigen Freundes. Dieser gab den Plan für die Bluttat zu: Sie wollten in ihrer Schule Menschen verletzen und töten und sich danach selbst das Leben nehmen, gab die Polizei die Aussagen des 18-Jährigen wieder. Neben den Waffen stellte die Polizei auch die Computer der beiden Schüler sicher.

Mutmaßliche Täter passen "in das klassische Raster"
Von der Auswertung der Computer erhoffen sich die Ermittler weitere Hinweise auf die Gründe für den blutigen Plan. Vor allem die Motive des 17-Jährigen liegen noch im Dunkeln. Norbert Wagner von der Kölner Polizei sagte, der 18-Jährige passe "in das klassische Raster, das man bei solchen Tätern immer wieder findet." Er spielte damit auf die Mobbing-Klagen des 18-Jährigen an, der bis auf den 17-Jährigen nach ersten Erkenntnissen der Polizei wenig enge Freude hat.

Amoklauf in Emsdetten als Vorbild
Bei einer Umsetzung des Plans hätte es erneut einen schwarzen 20. November an einer Schule in Nordrhein-Westfalen gegeben. Vor genau einem Jahr hatte ein hasserfüllter Ex-Schüler im westfälischen Emsdetten mit einem Waffenarsenal von Gewehren, Sprengfallen und Rauchbomben seine frühere Schule überfallen, 37 Menschen verletzt und anschließend sich selbst getötet.

Auf solch ein Arsenal stieß die Kölner Polizei nicht, und auch Hinweise darauf, dass der 18-Jährige Molotow-Cocktails und Rohrbomben gebastelt habe, bestätigten sich zunächst nicht. Ermittler Wagner ist sich aber sicher: "Die Vorbereitung für diese Tat mussten wir ernst nehmen."

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