Nordic by Plug-in

Volvo XC90 T8: Reisen wie Thor in Schweden

Motor
21.03.2016 15:01

Alter Schwede, ist das ein schönes Auto! Diese nordische Klarheit, die elegante Zurückhaltung im Design. Mein Volvo XC90 T8 Inscription - in "Crystal Weiß-Perleffekt" lackiert - wirkt aus jedem Blickwinkel wie die Skulptur einer Gottheit. Nicht nur wegen "Thors Hammer" in den Scheinwerfern. Wir befinden uns hier ja auch im technologischen Olymp der Volvo-Palette mit allen Assistenzsystemen und vor allem mit dem 407 PS starken Plug-in-Hybridantrieb.

(Bild: kmm)

Der sorgt dank eines Normverbrauchs von nur 2,1 l/100 km für einen regelrechten Ätsch-Effekt gegenüber dem Fiskus: 99.814 Euro Kaufpreis inklusive Extras, aber kein Cent NoVA - das lässt den kleinen Anarchisten in mir grinsen. Real brauche ich im Testdurchschnitt 11,7 Liter, auch weil ich eben nicht ständig lade und auch weiter fahre, als mich die Akkukapazität tragen würde.

Überhaupt hängt der Verbrauch bei diesem 2343-kg-Wikingerschiff extrem von der Art des Einsatzes ab. Einerseits komme ich problemlos mit reinem Elektroantrieb morgens aus Niederösterreich südlich von Wien in die "Krone"-Redaktion in Wien 19, andererseits schaffe ich es nur knapp zum Flughafen München, nachdem ich an der Grenze in Suben vollgetankt habe. Dabei lasse ich den Volvo XC90 T8 zwar mit echten 230 km/h über die Autobahn rauschen, der eigentlich begrenzende Faktor ist dabei aber der Tank: 50 Liter Kapazität sind lächerlich und machen den zügigen Autobahnfahrer zum Tankstellendauergast. Wenigstens verzichtet der Volvo auf einen Tankdeckel hinter der Klappe.

Dass es so was gibt: ein seidiger Vierzylinder
Die Art der Fortbewegung ist erstklassig - und das, obwohl die Verbrennungsmaschine ein Vierzylinder ist (wie inzwischen alle Motoren bei den Schweden). Den hört man kaum und auch dann nur angenehm seidig (!), nie angestrengt. Aus zwei Liter Hubraum schöpft er 320 PS und ein maximales Drehmoment von 400 Nm bei 5700/min. Die Durchzugslücke füllt der 87 PS starke Elektromotor, der sich je nach Fahrmodus mehr oder weniger ins Geschehen einschaltet. Je nach Neigung drückt man drauf und ist nach 5,6 Sekunden 100 km/h schnell oder fährt realistische 30 Kilometer elektrisch. Richtig beeindruckend wird es, wenn im Sportmodus alle Kräfte zusammenwirken und das Trumm vorwärtswuchten.

Das Zusammenspiel der Twin-Engines funktioniert perfekt; mal der eine, mal der andere, mal beide. Vor allem im Sport- oder Save-Modus lädt der Benziner auch die Akkus mit. Beim Bremsen wird zuerst per Generator Energie zurückgewonnen, erst bei stärkerem Druck aufs Pedal greift die Betriebsbremse. Auch das funktioniert gut; nur wenn man langsam an eine Ampel "hinbremst", kann es hin und wieder an Geschmeidigkeit fehlen. Geschaltet wird per formidabler Achtgangautomatik, die allerdings keine echte manuelle Schaltgasse oder Schaltpaddles (die gibt es nur für die sportliche R-Design-Variante) aufweist. Zieht man den Schalthebel zurück, schaltet man manuell herunter, schiebt man ihn nach vorn, ist man sofort wieder auf Automatik.

Schwedisches Gleiten
Der Testwagen ist mit dem optionalen adaptiven Luftfahrwerk ausgestattet - sehr empfehlenswert. Wie man's braucht komfortabel schwebend oder präzise, Hut ab. Da wird jede Reise zum Genuss, auch wegen der herrlichen Ruhe im Innenraum. Das gilt sogar bei hohem Tempo, wo weder Wind noch Motor aufdringlich wird. Eine Kleinigkeit, die für manche Autofahrer einen Unterschied macht: Das dezente Blinkerklicken ist eine Wohltat in Zeiten, da sich Sounddesigner gerade da immer mehr glauben verwirklichen zu müssen.

Ein Genuss auch der Innenraum
Der Innenraum fängt das Auge mit seinen wunderbaren Materialien, die das Nappaleder (Sonderausstattung) stimmig ergänzen. Platz ist reichlich vorhanden, auch die dritte Sitzreihe (es lassen sich zwei Sitze ausklappen) ist verwendbar. Wie wertig sich alles anfühlt, findet sich konzentriert im Automatik-Wählhebel: Der besteht aus Kristall der schwedischen Edelmarke Orrefors und wird nachts von innen beleuchtet. Sehr edel.

Bedient wir im Wesentlichen alles über den zentralen Touchscreen und einige Tasten am Lenkrad, die je nachdem wechselnde Aufgaben übernehmen. So fungiert die Mitteltaste auf der rechten Seite mal als Stumm-Taste, mal zum Annehmen oder Beenden eines Telefongesprächs etc. Auf der linken Seite werden die Tempomat, Limiter und Staupilot bedient. Übrigens lässt sich der Adaptivtempomat nur in 5-km/h-Schritten verstellen und die Abstandsregelung ist nicht deaktivierbar.

Das ganze Navitainment ist recht kreativ und mit bestem Willen programmiert, verlangt dem Fahrer aber doch ab, sich damit tiefer auseinanderzusetzen. Zum Beispiel sind Navi-Funktionen recht verteilt und nicht auf Anhieb zu finden. Top ist die Integration von Echtzeit-Verkehrsdaten.

Grundsätzlich muss ich hier wieder den Sinn der gerade so beliebten Touchscreens in Frage stellen, weil sie bei Bedienung während der Fahrt ein Sicherheitsrisiko darstellen. Zu lange muss man hinschauen, zu schwierig ist es, in einem ruckelnden Auto kleine Schaltflächen exakt zu treffen. Ich will zumindest Drehknöpfe für die Klimaanlage und Tasten für die Sitzheizung. Immerhin prangt ein dicker Lautstärkeregler in der Mitte.

Sehr modern ist die digitale Tachoanzeige. Zwar nicht so elegant wie bei Audi, sie kann aber mehrere Darstellungen und zeigt auf Wunsch auch Navikarten.

Allgegenwärtige Sicherheitsassistenten
Der Volvo ist voll bis unters Dach mit Fahrerassistenzsystemen, von der Auto-Notbremse bis zum Von-selber-im-Stau-Mitschwimmer. Der folgt einfach dem Vordermann, was bis Tempo 50 funktioniert, in der nächsten XC90-Generation bis 130. Der Notbremser nimmt seinen Job sehr ernst und warnt hin und wieder auch grundlos, etwa beim Durchfahren eines Autobahntunnels, ohne dass andere Autos in der Nähe wären. Auch die Bremskraft hat er mir einige Male unnötig erhöht. Unangenehm, wenn das Auto plötzlich voll in die Eisen geht.

Unterm Strich
Bravo. Seit Volvo unter chinesischer Führung (Geely) agiert, machen die Schweden viel richtig. Auch weil man sie lässt (ähnlich wie das bei Jaguar Land Rover und den Indern funktioniert). Die Entscheidung auf größere Motoren als Vierzylinder zu verzichten, muss nicht jeder gut finden, die Motoren an sich sind aber absolut gelungen. So wie auch der im XC90 T8. Warum man hier jedoch nur einen 50-Liter-Tank verbaut, ist absolut unverständlich und sogar ärgerlich - angesichts des sonst rundum gelungenen Groß-Schweden.

Warum?

  • Traumhaftes Design
  • Ebenso komfortables wie präzises Fahrverhalten

Warum nicht?

  • Mit dem kleinen Tank kann man sich als Kunde gefrotzelt fühlen.
  • Allrad beim T8 nur via E-Antrieb

Oder vielleicht …

… BMW X5 40e, Mercedes GLE 500 e

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(Bild: kmm)



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