Sohn Martin (8) tot

Eltern wollen keine Todesstrafe für Boston-Bomber

Ausland
18.04.2015 20:45
Im Alter von acht Jahren starb Martin Richard im April 2013 beim Anschlag auf den Bostoner Marathonlauf, dem schwersten Terroranschlag in den USA seit dem 11. September 2001. Seine Schwester Jane, damals sieben Jahre alt, verlor bei der Explosion ein Bein. Doch die Eltern des jüngsten Todesopfers, Denise und Bill Richard, haben sich jetzt - nur wenige Tage vor der Verhandlung über das Strafmaß für den verurteilten Attentäter Dzhokhar Tsarnaev - überraschend gegen die Todesstrafe für den 21-Jährigen ausgesprochen.

Denise und Bill Richard gingen am Freitag mit einem offenen Brief an die Öffentlichkeit: Im "Boston Globe" erklärten die leidgeprüften Eltern des jüngsten Anschlagopfers, dass sie den Mörder ihres Sohnes nicht tot sehen wollen. "Wir wissen um die Abscheulichkeit und Brutalität des Verbrechens. Wir waren da. Wir mussten es leben", schreiben die Richards. Dennoch wünschen sie sich, dass der Verurteilte nicht hingerichtet wird. "Stattdessen soll er den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen - und nie wieder freikommen."

Leidenszeit der Opfer nicht "unerträglich verlängern"
Die Opfer-Eltern argumentieren, dass das Wegsperren des Attentäters ihn endgültig von der Bildfläche verschwinden lassen würde. "Dann erst können wir damit beginnen, unser Leben und unsere Familie neu aufzubauen." Ein Todesurteil gegen Tsarnaev könne hingegen eine Revision nach sich ziehen und so "die Leidenszeit der Opfer unerträglich verlängern", so die Begründung des Paares, das neben Tochter Jane noch einen Sohn, den zum Zeitpunkt des Anschlags neun Jahre alten Henry, hat.

Zuvor hatte sich bereits Jennifer Lemmerman, die Schwester des von den Tsarnaev-Brüdern erschossenen Polizisten Sean Collier, auf ihrer Facebook-Seite ebenfalls gegen die Todesstrafe für den überlebenden Boston-Bomber ausgesprochen. Die Postings wurden allerdings mittlerweile gelöscht.

Die Verhandlung über das Strafmaß für den in allen Anklagepunkten schuldig gesprochenen Dzhokhar Tsarnaev beginnt am 21. April. Die Geschworenen entscheiden in dem zweiten Prozessabschnitt, ob der 21-Jährige zum Tode verurteilt wird oder lebenslang ins Gefängnis muss. Die Jury hatte ihn am 8. April für schuldig befunden, den Anschlag am 15. April 2013 im Zielbereich des Boston-Marathons gemeinsam mit seinem später getöteten Bruder Tamerlan verübt zu haben. Drei Menschen wurden bei dem Anschlag getötet, mehrere der 264 Verletzten verloren Arme oder Beine.

Mehrheit der US-Amerikaner weiter für Todesstrafe
Anders als die Eltern von Martin Richard steht die Mehrheit der US-Amerikaner allerdings weiter hinter der Todesstrafe, wenn auch mit 56 Prozent auf dem niedrigsten Stand seit 40 Jahren. Einer aktuellen Analyse des Washingtoner Pew Research Centers zufolge ging die Unterstützung für die Todesstrafe seit 2011 um sechs Prozent zurück. 1996 betrug der Anteil der Befürworter noch 78 Prozent. Während die Haltung zur Todesstrafe seitens männlicher Befragter seit 2011 praktisch unverändert bei 64 Prozent blieb, sank die Zustimmung unter Frauen von 59 auf 49 Prozent.

Überdurchschnittlich großen Rückhalt finden Hinrichtungen übrigens bei Protestanten und Katholiken weißer Hautfarbe. Trotz leichter Einbußen finden noch 71 Prozent der Evangelikalen und 66 Prozent von Mitgliedern der protestantischen Hauptkirchen die Tötung von Straftätern in Ordnung. Unter weißen Katholiken stieg die Zustimmung sogar von 61 Prozent im Jahr 2011 auf jetzt 63 Prozent.

Papst: "Todesstrafe heute nicht mehr zulässig"
Die katholische Bischofskonferenz der USA fordert seit Langem ein Ende der Todesstrafe. Im Jänner erklärte der für das Thema zuständige Bostoner Kardinal Sean Patrick O'Malley, es gebe genügend andere Wege, die Gesellschaft zu schützen. Papst Franziskus hatte im März erklärt, die Todesstrafe sei "heute nicht mehr zulässig, egal wie schwer das Verbrechen war".

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