Sturm der Entrüstung

Künstler will Ratte von Usern erschießen lassen

Web
15.03.2015 12:21
"11 TAGE" nennt Florian Mehnert sein Projekt, das derzeit für einen Sturm der Entrüstung sorgt. Denn der Künstler will vor einer laufenden Webcam eine Ratte erschießen lassen - von den Usern, die seine Projektswebsite besuchen. "Ich rechne mit einem Massaker", so der Deutsche.

Geht man auf 11tage.florianmehnert.de, wird man von einer kurzen Erklärung des Künstlers empfangen: "Willkommen!", steht da zu lesen, "Sie sehen einen live stream. Tragen Sie Ihren Namen ein und klicken Sie 'Login'. Sie sind an der Reihe, wenn die Statusleiste grün aufleuchtet. Sie können die Kamera bewegen: im Videobild linke Maustaste klicken und ziehen. HINWEIS: SIE MÜSSEN 18 JAHRE ODER ÄLTER SEIN, UM TEILZUNEHMEN!"

Sobald man dies bestätigt, erscheint das bis dahin von der Willkommensnachricht überlagerte Livebild vom Käfig der Ratte. Ihr Gefängnis, ein weißer Kasten, dürfte etwa einen Meter mal einen halben Meter groß sein, ist ausgelegt mit Spänen und ausgestattet mit einem Unterschlupf für das Tier, einem Rohr zum Durchkriechen und zwei Ästen zum Klettern oder Nagen. Rechts hinten stehen eine Wasserschüssel und ein Tellerchen mit Essen drauf - und schnell kommt man drauf, dass das unscharfe Etwas im Vordergrund der Lauf einer Waffe ist. Und durch genau diese Waffe soll die Ratte in nunmehr zehn Tagen, am 25. März, sterben.

User können Ratte schon jetzt anvisieren
Den Abzug drücken sollen die User, die die Website besuchen und die auch jetzt schon auf der Site den Lauf der Waffe bewegen und das weiße Tier anvisieren können. Am 25. März um 19 Uhr soll die Waffe scharfgestellt werden - und wer dann am Abzug ist, soll das Tier auch abschießen dürfen. Wie der Künstler schreibt: "Die Ratte kann dann von jedem Smartphone, von jedem Computer aus über das Internet getötet werden." Er rechne mit einem "Massaker", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Denn: "Es wird sicher einige geben, die es witzig finden, auf die Ratte zu schießen."

"Über das Internet zu töten, ist längst Realtität"
Er selber tut dies offenbar nicht. Was er aber damit bezwecken will? "Ich will den Leuten drastisch vor Augen führen: Man kann über das Internet töten. Das ist kein Schreckensszenario, sondern längst Realität." Mehnert meint damit die Drohnenkriege, die überall auf der Welt bereits passierten. Das Töten sei einfacher, wenn man anonym vor einem Bildschrim sitzt und nur einen Knopf drücken muss.

Auch die Medien würden mit "ihrer täglich gezeigten Gewalt zur Abstumpfung, zu einer Herabsetzung der Hemmschwelle" führen, ebenso wie brutale Games. "In zahlreichen Egoshooter-Spielen sind Aggressionen gekonnt in Szene gesetzt und wird die Bereitschaft zum Töten initiiert", so Mehnert auf seiner Website. "Durch 'Gamification' werden erfolgreich Soldaten rekrutiert und trainiert. Drohnen senken die Angriffsschwelle und lassen eine Kultur der 'gezielten Tötung' entstehen. '11 TAGE' inszeniert den bewaffneten Drohneneinsatz und zeigt, was er ist: die gezielte Tötung als Gamification und Konsequenz der totalen Überwachung."

Ob die Ratte am Ende des sadistischen Countdowns tatsächlich sterben muss oder nicht, werden wir sehen. Fest steht jedenfalls, dass Mehnert durch dieses Projekt einen Sturm der Entrüsung ausgelöst hat. Im Internet gibt es bereits eine Petition mit dem Titel "Stoppen Sie das Rattenexperiment!", die sich an Mehnert richtet. Und auf der Projektswebsite können User Kommentare und Botschaften hinterlassen. Die meisten davon sind gegen Mehnert gerichtet, in manchen wird er sogar selbst bedroht: "Wenn die Ratte stirbt, hoffe ich, dass du dich als Nächstes vor den Lauf legst. Bei der Ratte würde ich länger zögern als bei dir."

Wälder verwanzt und Spaziergängergespräche veröffentlicht
"11 TAGE" ist übrigens nicht das erste medienwirksame Projekt von Mehnert. Vor zwei Jahren hatte er laut der Zeitung "Die Welt" deutsche Wälder verwanzt und die aufgezeichneten Gespräche von Spaziergängern veröffentlicht - sein Protest zur Abhöraffäre der NSA. Eine Strafanzeige hat ihm die Aktion eingebracht, die Anklage wurde aber fallengelassen.

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