Österreichs Integrationsministerin Claudia Plakolm (ÖVP) über Deutschkurse, das Kopftuchverbot und Flüchtlinge. Sie sagt: „Die Bundeshauptstadt wirkt wie ein Magnet, weil es hohe Sozialleistungen gibt.“
„Krone“: Frau Integrationsministerin, welchen Beitrag zur gelungenen Integration von Zuwanderern haben Sie seit Ihrer Ernennung geleistet?
Claudia Plakolm: Wir fahren einen harten Kurs und haben im Frühling als eine der ersten Maßnahmen den Rahmen für das verpflichtende Integrationsprogramm beschlossen, das auch mit der Reform der Sozialhilfe verschränkt werden muss.
Wiens SPÖ-Sozialstadtrat Peter Hacker wirft Ihnen vor, nicht genügend Deutschkurse anzubieten. Er erwägt eine Klage. Unentwegt die fehlenden Deutschkenntnisse der Zuwanderer zu beanstanden, dann aber nicht genügend Sprachkurse anzubieten, wirkt wahrlich konfus.
Wir bieten über 50 Prozent aller Kurse des Österreichischen Integrationsfonds in der Bundeshauptstadt an. Mit dem Integrationsprogramm gehen wir den richtigen Weg, dass es mehr Verbindlichkeiten gibt. Die Bundeshauptstadt wirkt wie ein Magnet, weil es hohe Sozialleistungen gibt und man gleichzeitig wenig Sanktionen fürchten muss. Hackers Klage nehme ich gelassen.
Die AMS-Studie „Neue Geflüchtete aus Syrien am österreichischen Arbeitsmarkt“ beklagt die mangelnde Qualität genau dieser Deutschkurse. Die angegebenen Probleme: zu lange Wartezeiten zwischen Kursen aufeinanderfolgender Niveaus, schlechte Kurse und Lernmethoden, häufig wechselnde Lehrkräfte, fehlende Praxistauglichkeit des Gelernten, logistische Hürden im Zugang zu Deutschkursen. Ein desaströses Zeugnis.
Wo wir besser werden müssen, ist die engmaschige Begleitung von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten. Ich habe das Gefühl, dass Integration verstanden wird als eine Einladung, die man annehmen kann, aber nicht muss. Wer in Österreich eine Perspektive haben möchte, der muss Verpflichtungen nachkommen. Sobald man einen Arbeitsmarktzugang hat, muss man sich zum Beispiel um einen Job kümmern.
Nun soll das Kopftuchverbot für Mädchen unter 14 Jahren jetzt fix kommen. 2020 wurde ein ähnliches Verbot vom Verfassungsgericht aufgehoben. Erklärung damals: Es verstoße gegen das Gebot der religiösen und weltanschaulichen Neutralität des Staates, da es defacto nur auf Muslime abzielt. Wie wollen Sie das Problem lösen?
Dieses Mal orientieren wir uns in der Argumentation stark am Themenbereich Kindeswohl. Mir geht es vor allem um eine mädchenpolitische Sichtweise. Eine Achtjährige hat nichts hinter einem Kopftuch verloren. Es hat auch im Glauben nichts verloren. Die Religionsmündigkeit beginnt in Österreich mit 14 Jahren. Dann kann jede junge Frau selbst entscheiden, wie sie es mit dem Kopftuch handhabt.
Aber das Kindeswohl stand ja 2020 auch schon im Fokus.
2020 ist es primär um das religiöse Symbol des Kopftuches gegangen. Was der Verfassungsgerichtshof damals kritisiert hat, war, dass es keine Begleitmaßnahmen gegeben hat. In der Elternarbeit wird es verschiedene Möglichkeiten geben, das Gespräch zu suchen und beispielsweise die Kinder- und Jugendhilfe heranzuziehen. Wir werden aber auch in der Burschenarbeit bei sogenannten Sittenwächtern Maßnahmen setzen und natürlich Mädchen in ihrer Selbstbestimmung stärken.
Es wurde aufgehoben, weil es das Verbot dezidiert nur auf Muslime abzielt. Daran hat sich mit dem neuen Kopftuchverbot nichts geändert, oder?
Es geht darum, dass dieses Symbol als Zeichen der Unterdrückung verstanden wird, bei Mädchen unter 14 Jahren.
Das heißt, es wird nächste Woche im Ministerrat beschlossen?
Wir sind aktuell in der finalen Abstimmung und ich gehe davon aus, dass wir zeitnah den Gesetzesentwurf in Begutachtung schicken können.
Aber wie soll das sanktioniert werden? Angenommen, ich bin Lehrer und in meiner Klasse sitzen fünf Neunjährige mit Kopftuch. Was mache ich?
Es beginnt damit, dass es nicht einmal so weit kommen soll, dass Mädchen überhaupt mit dem Kopftuch zur Schule kommen. Eltern tragen klar die Verantwortung, dass ihre Kinder ordentlich gekleidet sind. Wo gegen das Kopftuchverbot verstoßen wird, kommt es zu Verwaltungsstrafen.
Bleiben wir dabei. Ich bin Lehrer. Drei der fünf Schülerinnen halten sich nicht an das Verbot. Was mache ich?
Wie bei jedem Delikt wird eine Verwaltungsstrafe verhängt.
Also rufe ich den Polizeinotruf 133?
Die Eltern werden verständigt. Ja, es wird zur Anzeige kommen. Es muss aber nicht extra die Polizei gerufen werden.
Das Kopftuchverbot soll auch in islamischen Schulen gelten. Wie hoch ist aus Ihrer Sicht die Wahrscheinlichkeit, dass eine muslimische Religionslehrerin, die selbst ein Kopftuch trägt, Schülerinnen zur Anzeige bringt, die das Gleiche tun?
Wie gesagt, es ist uns wichtig, dass wir im Sinne des Kindeswohls Mädchen bestärken. Und über 14-Jährige können selbst entscheiden, wie sie es mit dem religiösen Symbol des Kopftuches handhaben.
Es hätte 2015 gar nicht so weit kommen dürfen, dass Menschen überhaupt bis an die EU-Außengrenze kommen.
Plakolm über die Flüchtlingswelle
Inhaltlich habe ich es verstanden. Ich frage mich nur, wie alltagstauglich das Verbot sein wird.
Ich habe den sehr breiten Rechtsrahmen bereits angesprochen. Das wird wie bei jedem anderen Delikt sein, ob etwas zur Anzeige kommt oder nicht.
Sie haben es vorher schon angesprochen. Wien ist durch die Sozialleistungen also ein Flüchtlingsmagnet?
Ja.
Nun kann ein Magnet nur anziehen, was in unmittelbarer Nähe ist. Seit 2015 haben acht Millionen Asylwerber die EU erreicht, knapp vier Millionen haben Asyl erhalten. Drei Viertel dieser Flüchtlinge wurden in nur fünf der 27 EU-Länder untergebracht. Umgerechnet auf die Bevölkerung sind nirgendwo mehr als in Österreich aufgenommen worden. Die ÖVP ist seit beinahe 40 Jahren in Regierungsverantwortung. Seit 2017 gab es, von Brigitte Bierlein abgesehen, nur Bundeskanzler der ÖVP – Kurz, Löger, Kurz, Schallenberg, Nehammer, Schallenberg, Stocker. Wieso haben Sie so viele Flüchtlinge ins Land gelassen?
Wir sprechen von einer Entwicklung der letzten zehn Jahre. Gerade, wenn wir 2015 betrachten, wo bestimmt Fehler passiert sind. Denn es hätte damals gar nicht so weit kommen dürfen, dass Menschen überhaupt bis an die EU-Außengrenze kommen. Es hat sich aber auch der Kurs in der Politik deutlich verändert. Auch international. Das sehe ich auch als Europaministerin.
Um Österreich zu entmagnetisieren, will die Regierung die Sozialhilfe bundesweit einheitlich gestalten. Wann kommt das?
Die Sozialministerin hat in den vergangenen Wochen die vorbereitenden Maßnahmen getroffen und die Verhandlungen werden in Bälde starten.
Würden Sie als Integrationsministerin einen Deckel für Großfamilien begrüßen?
Nicht nur begrüßen. Ich werde mich dafür einsetzen, dass es eine Staffelung bei Mehrkindfamilien gibt, so wie es in einigen Bundesländern schon der Fall ist, damit solche Fälle wie 9000 Euro an Sozialleistungen für eine syrische Großfamilie der Vergangenheit angehören.
Und das ist mit der SPÖ zu machen?
Das werden die Verhandlungen zeigen. Wir werden trotz unterschiedlicher Ansätze auf eine gemeinsame Lösung kommen. Durch das Integrationsprogramm ist es in den Verhandlungen meine Zuständigkeit, dass es deutliche Abstriche für Menschen gibt, die nur nach Österreich kommen, um sich ein gut finanziell abgesichertes Leben zu machen.
Sie sind heute 30 Jahre alt.Vor ein paar Jahren haben Sie gesagt: „Drei Dinge muss man bis zum 30er erledigt haben: Man muss a Kind zeugen, man muss a Haus bauen, und das Dritte ist einen Baum setzen.“ Was haben Sie selbst geschafft?
Diese Aussage war mit einem gewissen Augenzwinkern meinem Vorgänger in der Jungen ÖVP gewidmet. Ich habe sehr viele Bäume seit meiner Kindheit gepflanzt. Vielleicht kompensiert dies das eine oder andere.
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