Unternehmer berichten von Bewerbern, die nicht arbeiten wollen, sondern nur den „Stempel“ fürs AMS suchen. Die ÖVP Wien fordert strengere Regeln bei der Sozialhilfe und warnt vor einer Stadt, die vom „Wirtschaftsmotor“ zum „Sozialhilfemagneten“ geworden sei.
Die Arbeitslosigkeit steigt. Dennoch finden Firmen keine Mitarbeiter. Wiens ÖVP-Chef Markus Figl macht dafür das großzügige Sozialsystem verantwortlich. Drei Wiener Unternehmer unterstützen diese These. Der Tenor: Das System setze falsche Anreize, ermögliche Bequemlichkeit – und erschwere jenen den Alltag, die Personal suchen. Figl fordert: „Wer arbeitet, darf nicht der Dumme sein.“ Die Situation beschreibt Figl als „Schieflage“: Wien stelle gut ein Fünftel der Bevölkerung, trage aber fast drei Viertel der österreichweiten Mindestsicherungsfälle und -kosten. Aus Sicht der ÖVP Wien müsse „Leistung wieder mehr ziehen als Sozialleistung“.
Unternehmer-Berichte: Bewerbungen für Stempel
Wie sich das in der Praxis auswirkt, berichteten drei Wiener Unternehmer. Konditor und ÖVP-Bezirksrat Markus Frömmel schilderte wochenlange Krankenstände neuer Mitarbeiter, häufige Terminabsagen und Bewerber, die Vollzeit kündigten, aber nur 20 oder 25 Stunden arbeiten wollten – vorzugsweise ab zehn Uhr. Einschulungen platzten, Dienste mussten das Stammpersonal auffangen.
Wir hätten genug Arbeit und Lehrstellen – aber Bewerber, die wirklich kommen und durchhalten, sind zur Seltenheit geworden.
Unternehmer Markus Frömmel
Bild: Philipp Stewart
Drei neue Mitarbeiter, alle im Krankenstand
„Zu einer gewissen Zeit hatten wir dann drei neue Mitarbeiter und kein einziger war tatsächlich anwesend.“ Besonders frustrierend für Frömmel ist die Lage bei den Lehrlingen. Trotz vieler offener Lehrstellen bewerben sich kaum Jugendliche. „Die wenigen Interessenten hätten nach der Pandemie oft Schwierigkeiten, überhaupt ein Bewerbungsgespräch zu führen.“ Ein Verdacht: Ärzte würden zu schnell lange Krankenzeiten bescheinigen. Das würde bewusst ausgenutzt werden.
SPÖ und Neos müssen dafür sorgen, dass Wien vom Sozialhilfemagneten wieder zum Wirtschaftsmotor wird.
Markus Figl, ÖVP-Wien-Chef
Bild: ÖVP WIen
„Hab Bäcker in der Türkei gesucht“
Gastronomin Damla Örme erzählt von zwei Jahren vergeblicher Suche nach einem Bäcker. Bewerber hätten allzu oft Ausreden gefunden – fehlende Sprachkenntnisse, Kurszeiten, „Work-Life-Balance“ – oder seien gar nicht erst erschienen. Häufig sei es nur um Bestätigungen für das Arbeitsmarktservice (AMS) gegangen. Am Ende stellte Örme einen Bäcker als Schlüsselkraft aus der Türkei an. Getränkehändler Marwen Khanoussi berichtet von Personen, die in sein Zentrallager kämen und „beim Vorbeigehen“ um Bestätigungen bitten würden: „Ey Bruder, kannst du mir da einen Stempel geben?“ Teilweise sei sogar Geld für eine fingierte Arbeitszusage angeboten worden.
Sozialausgaben nicht mehr leistbar
Die ÖVP argumentiert, Mindestsicherung in der aktuellen Form sei für Wien „nicht mehr leistbar“ – hat auf Bundesebene aber zumindest Mitschuld am schlechten finanziellen Zustand der Gemeinden.
Die Volkspartei drängt auf rasche Schritte auf Stadtebene: subsidiär Schutzberechtigte sollten nur Leistungen in Höhe der Grundversorgung erhalten, degressive Richtsätze für Wohngemeinschaften strikt zur Anwendung kommen, Kinderrichtsätze nach dem Vorbild Ober- und Niederösterreichs gestaffelt werden. Das Ziel formuliert Figl so: „SPÖ und Neos müssen dafür sorgen, dass die Stadt Wien vom Sozialhilfemagneten wieder zum Wirtschaftsmotor wird.“
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