Der Ökonom Claudiu Nasui war rumänischer Wirtschaftsminister, sitzt für die liberale Partei USR im Bukarester Parlament und ist glühender Europäer. „Krone“-Interview spricht er über Überregulierung in der EU, russischen Einfluss in Rumänien und warum man den „Wahnsinnigen“ Trump beschwichtigen muss.
„Krone“: Für ihren angekündigten Zoll-Deal mit Donald Trump hat EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen aus ganz Europa viel Kritik einstecken müssen. Hätte sie nicht nachgeben sollen?
Claudiu Nasui: Zölle schaden denen, die sie zahlen. In dem Fall die USA. Ich bin wirklich kein Fan von Ursula von der Leyen, aber sie hat die richtige Sichtweise auf die Zölle. Es sind die Konsumenten des Landes, das die Zölle einhebt, die draufzahlen. Wenn wir in Europa null Prozent Zölle zahlen, wenn wir Produkte aus den USA kaufen, aber sie 15 Prozent Zölle bei Importen zahlen, wird unsere Industrie etwas darunter leiden. Aber die Konsumenten werden davon profitieren. Wir können bessere Güter und Dienstleistungen aus den USA direkt kaufen. Und auf lange Sicht werden europäische Unternehmen durch den Wettbewerb aus den USA besser werden. Von der Leyen hat also keinen schlechten Deal gemacht. Ich weiß nicht, warum die Trump-Regierung so erpicht auf Zölle sind. Denn sie schaden vor allem US-Amerikanern. Ich freue mich tatsächlich auf diesen Handelsvertrag.
Ziel des Deals war vor allem, einen Handelskrieg zu vermeiden. Das wurde also erreicht?
Jetzt gerade haben wir keinen Handelskrieg. Aber Trumps Regierung bleibt unberechenbar und es könnte sein, dass es in sechs Monaten heißt: „Wir wollen neu verhandeln.“ Aber solange der Deal hält, ist er nicht so schlecht. Das Beste wäre natürlich gewesen, Null Zölle für Null Zölle. Wenn Trump auf das libertäre Lager in der MAGA-Bewegung gehört hätte, wäre er darauf eingegangen. Aber so isoliert er die USA. Die EU hat die richtige Antwort darauf: Sie besänftigt den Wahnsinnigen und macht alles Notwendige, um die besten Handelsbedingungen zu schaffen.
Die österreichische Rechtsaußen-Partei FPÖ hat von der Leyen außenpolitische Schwäche vorgeworfen. Sie würden widersprechen?
Ich wäre tatsächlich neugierig, was für sie ein Sieg gewesen wäre. Hätte die EU höhere Zölle auf Importe verlangen sollen, damit europäische Konsumenten weniger Optionen haben, US-Güter zu kaufen? Das ist lächerlich. Ich denke, sie wollten einfach die Möglichkeit nutzen, eine politische Gegnerin zu attackieren.
Auch der ungarische Premier Orban hat von der Leyen scharf kritisiert, und behauptet, Trump habe sie „zum Frühstück gegessen“.
Orban hat eine sehr gute Beziehung zu Trump. Er hätte uns zeigen können, wie gut er mit Trump kann und niedrigere Zölle verhandeln. Aber die Rechtsaußen-Politiker in Europa sind ziemlich interventionistisch. Sie wollen mehr Zölle, sie wollen, dass der Staat die Wirtschaft kontrolliert. Das hatten wir für 45 Jahre in Rumänien. Es war ein Desaster.
Wir sind der einzige Kontinent, wo Politiker damit prahlen, etwas reguliert zu haben, damit aber der europäischen Wirtschaft schaden.
Der wirtschaftsliberale Politiker kritisiert Überregulierung in der EU.
Wie sollte die EU solchen anti-liberalen Tendenzen begegnen?
Wir müssen definieren, welches Europa wir wollen. Ich liebe das europäische Projekt, aber es gibt zu viel Bürokratie und Überregulierung. Wir sind der einzige Kontinent, wo Politiker damit prahlen, etwas reguliert zu haben, damit aber in erster Linie der europäischen Wirtschaft schaden. Wenn wir auf unseren eigenen Füßen stehen und neben den USA und China bestehen wollen, brauchen wir eine starke Wirtschaft. Sonst werden wir immer zwischen zwei Imperien eingequetscht sein. Ich weiß, wovon ich rede: Rumänien lag immer zwischen großen Reichen: Österreich-Ungarn, den Osmanen, den Russen.
Jetzt liegt Rumänien an der NATO-Ostflanke und unterstützt seinen Nachbarn Ukraine. Die Sorge wächst, dass Putin schon in wenigen Jahren ein NATO-Land angreifen könnte. Eine strategische Herausforderung für Rumänien?
Die russische Wirtschaft leidet sehr. Ich bin mir nicht sicher, wie lang Russland einen weiteren Krieg durchhalten könnten. Die Russen kommen schon jetzt in der Ukraine kaum voran. Andererseits ist die Wirtschaft voll auf Krieg ausgerichtet. Um das aufrechtzuerhalten, muss der Krieg weitergehen. Europa muss sich also auf so ein Szenario vorbereiten. Ich bin für eine starke europäische Armee und vor allem für eine starke Infrastruktur. Denn Logistik gewinnt Kriege. Aktuell würde das Eisenbahnnetz nicht gut genug funktionieren, um Ausrüstung schnell an die Front zu bringen. Und ich glaube an Abschreckung durch Stärke: Wenn Russland denkt, dass es geschlagen wird, wird es Europa nicht angreifen.
Österreich hat seine Neutralität und wird deswegen oft als Trittbrettfahrer kritisiert. Denn wer uns angreifen will, müsste erst durch ein NATO-Land durch.
Das ist der klassische Fall des blinden Passagiers. Ich denke, ihr habt Glück, dass ihr nicht an Russland grenzt. Nicht jedes Land hat diesen Luxus. Rumänien hat eine gemeinsame Grenze mit Russland im Schwarzen Meer und grenzt an Serbien, einem Verbündeten Russlands. Aus rumänischer Sicht sollte die NATO so viele Mitglieder wie möglich haben.
Sie hätten also gerne, dass Österreich der NATO beitritt oder Teil einer europäischen Armee wird?
Natürlich, natürlich. Und wenn wir in zehn, 20, 30 Jahren noch eine Rolle spielen wollen, muss Europa sich zusammenraufen, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch militärisch. Wir müssen fähig sein, uns selbst und unsere Werte zu schützen. Wer ein starkes Militär will, braucht eine starke Wirtschaft. Die USA und China haben beides.
Das eine ist symmetrische, das andere ist asymmetrische Kriegsführung. Während der Präsidentenwahl in Rumänien gab es eine riesige Fake-News-Kampagne, auch Österreich wurde schon zur Zielscheibe russischer Hacker. Wie begegnen wir solchen Herausforderungen?
Es ist nichts Neues, dass ein Land, das stärkeren Gegnern gegenübersteht, auf andere Weise Krieg führt. Es nutzt Propaganda und Desinformation, um Zwietracht zu säen. Neu ist die Technologie, die dafür genutzt wird, die sozialen Netzwerke. In Rumänien etwa wurden 32.000 Fake-Accounts entdeckt. Sie posteten aber nicht selbst, sondern suchten sich echte Leute, die etwa auf einen bestimmten Politiker schimpften, und machten deren Postings groß. So funktionierte das in Rumänien und ich gehe davon aus, dass es nur ein Versuch war, um zu sehen, ob es auch in anderen Ländern funktioniert. Hier wäre eine Regulierung erforderlich. Die EU muss mit den sozialen Netzwerken zusammenarbeiten, um Bots zu bekämpfen.
Österreich war lange extrem abhängig von russischem Gas. Jetzt ist die OMV am Projekt Neptun Deep beteiligt, mit dem ab 2027 Erdgas vor der rumänischen Schwarzmeerküste gefördert werden soll. Eine Chance für Europa, langfristig unabhängig von russischem Gas zu sein?
Es wird jedenfalls gut für Europa und schlecht für die Gazprom sein. Russische Einflüsterer und korrupte rumänische Politiker haben alles Mögliche getan, um dieses Projekt zu stoppen und haben es bereits um viele Jahre verzögert.
Also gibt es noch immer viel russischen Einfluss in Rumänien?
Ja, und auch jetzt gibt es noch NGOS, die behaupten, sie wollen die Umwelt retten, aber sehr wählerisch sind bei den Projekten, die sie bekämpfen. Bei Neptun Deep wurde plötzlich jeder Käfer, jeder Wurm als Grund dafür angeben, warum kein Erdgas gefördert werden kann.
Aber gibt es Beweise dafür, dass diese NGOs etwa Geld aus Russland bekommen haben?
Nein, nein. Aber wenn sie immer nur solche Projekte angreifen, die Russlands Interessen zuwiderlaufen, und andere völlig ignorieren, dann ist das ein Hinweis.
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