Häufig unerkannt

Bipolare Störung: Gefangen im Hoch und Tief der Gefühle

Gesund
03.05.2013 16:50
Wenn manische Phasen mit Zeiten tiefer Depression wechseln, sind Betroffene an der sogenannten bipolaren Störung erkrankt. Doch nicht immer verläuft das Leiden so eindeutig, dass es sofort erkannt wird. Oft dauert es Jahre, bis die richtige Diagnose gestellt wird. Die Behandlung ist anders als bei alleiniger Depression. Es bedarf eines gezielten Therapiepaketes für beide Phasen der Krankheit.

Vergleichbar mit einer Hochschaubahn wechseln die Gefühle von Menschen mit bipolarer Erkrankung. "Etwa 42 Prozent der Patienten leiden unter stark ausgeprägten Symptomen, die sie bei ihrer Arbeit belasten oder diese sogar unmöglich machen", berichtet Univ.-Prof. Dr. Christian Simhandl, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie vom Bipolar-Zentrum Wiener Neustadt. "Bipolar-I-Betroffene befinden sich etwa ein Drittel der Zeit in einer depressiven Phase, Bipolar-II-Betroffene sogar die Hälfte."

Die starken "Hochs" dagegen sind oft kurz. Während ihnen werden außergewöhnliche Pläne geschmiedet, große Vorhaben begonnen oder viel Geld ausgegeben, was sich Betroffene dann während der Depression gar nicht mehr vorstellen können und sogar darunter leiden. Jede Phase der Krankheit muss daher gezielt behandelt werden, ohne die jeweils andere zu begünstigen.

Die Behandlung ist auf drei Säulen aufgebaut, wobei Medikamente allein oder in Kombination zur Stabilisierung der jeweiligen Stimmungslage – gezielt auf die Bedürfnisse abgestimmt – eine große Rolle spielen. Simhandl erklärt die Einteilung:

  • Akutphase:
    Diese Phase dauert meist zwei Monate. Dabei ist das Ziel, die Symptome – möglichst vollständig – zum Abklingen zu bringen, damit nicht das Auftreten einer neuen Episode beschleunigt wird. Weiters ist die Wiederherstellung des Tag-Nacht-Rhythmus (Schlafstörungen treten oft während der manischen Antriebssteigerung auf) bedeutend.
  • Erhaltungstherapie:
    In diesem Abschnitt der Krankheit, der sich über drei bis sechs Monate erstreckt, wird versucht, die erreichte Besserung zu stabilisieren. Dabei sollte die Medikation nicht zu früh reduziert werden. Die für den Notfall verordneten Arzneien muss man unter strenger Überwachung ausschleichen.
  • Rückfällen vorbeugen:
    Wenn Besserung bzw. Beschwerdefreiheit eingetreten ist, neigen Patienten dazu, die Langzeitarzneien abzusetzen. Auch wenn sich Betroffene wieder gut fühlen, sollten sie die Medikamente weiter einnehmen, um diesen Erfolg zu erhalten bzw. Rückfällen vorzubeugen. Da nicht alle Patienten auf Rückfall verhindernde Medikamente ansprechen, muss der Arzt gemeinsam mit dem Betroffenen die am besten passende Einzel-Arznei oder eine Kombination eruieren.

"Nicht genügend Angebote zur Verfügung"
Außerdem können Psychotherapie und spezielle Psychoedukation (umfangreiches Aufklärungsprogramm) einen wichtigen Beitrag zum Erfolg leisten. "Leider stehen in Österreich noch nicht genügend solcher Angebote zur Verfügung", bedauert Simhandl.

Die Patienten schildern dem Arzt oder Therapeuten ihre Erfahrungen mit den Stimmungsschwankungen, umgekehrt erhalten die Betroffenen wichtige Informationen darüber, was Bestandteil der Erkrankung ist und wobei es sich um alltägliche Situationen handelt. So lernen Betroffene nach und nach den Umgang mit ihrer Krankheit und sind ihr nicht mehr ausgeliefert.

Regelmäßiger Tag-Nacht-Rythmus wichtig
Für Bipolar-Erkrankte ist ein gleichmäßiger Tag-Nacht-Rhythmus sehr wichtig und hat sogar Rückfall verhütende Wirkung. Wer einen Langstreckenflug plant, sollte sich schon einige Tage vorher auf die andere Zeitzone umstellen, um Jetlag zu verhindern. Empfehlenswert ist es, einen Verlaufskalender zu führen, in dem täglich Befindlichkeit, Schlafzeiten usw. eingetragen werden. So können Patienten selbst ein Frühwarnsystem aufbauen, damit der Beginn einer depressiven bzw. manischen Phase rasch erkannt wird und rechtzeitig gegengesteuert werden kann.

Durch die stark wechselnden Stimmungen des Patienten sind auch Angehörige oft sehr belastet. Sie sollten sich Freiräume schaffen, in denen sie Kontakt mit Freunden haben oder Hobbys nachgehen, die nichts mit der Erkrankung zu tun haben. Experten der Österreichischen Gesellschaft für Bipolare Erkrankungen haben für Betroffene und Angehörige weitere Tipps im Umgang mit den Stimmungsschwankungen erarbeitet.

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