Die Pläne zur Einführung einer Bezahlkarte für Flüchtlinge sind nicht neu - aber aktueller denn je. Wer die Planungen vorantreibt, welche politischen Allianzen es geben könnte und was Asyl-Experte Lukas Gahleitner-Gertz zu dem System sagt.
Es ist ein Frühsommerabend am 30. Mai 2017 in Moskau. Die Österreichische Botschaft lud zu einem Empfang zu Ehren des damaligen Innenministers Wolfgang Sobotka - und prominente Gäste ein. Mit am Tisch sitzt Jan Marsalek, damals Finanzvorstand von Wirecard, heute einer der meistgesuchten Männer der Welt. Ein Bild, auf dem Sobotka und Marsalek gemeinsam zu sehen sind, sollte später öffentlich werden. Ob die beiden an diesem Abend über die geplante „Refugee-Card“, eine Art Bankomatkarte für Flüchtlinge in der Grundversorgung, der Firma Wirecard besprochen haben, ist nicht überliefert. Sieben Jahre später wird genau das wieder zum Thema. Und wieder sitzt bei den Planspielen ein einstiger hoher Schwarzer aus Niederösterreich mit am Tisch.
Der ehemalige ÖVP-Vizekanzler Michael Spindelegger ist Generaldirektor des in Wien ansässigen Zentrums für die Entwicklung von Migrationspolitik. Eben dort wurde offenbar auch ein Bezahlkarten-Modell entwickelt, das die Umstellung von Geld- auf Sachleistungen für Asylwerber in der Grundversorgung garantiert und das in Bayern bald zur Anwendung kommen könnte. Genau hinschauen wird man da auch im Innenministerium.
Treffen mit den Ländern geplant
Minister Gerhard Karner bestätigte, dass sein Parteikollege einer der Ansprechpartner für das mögliche rot-weiß-rote Modell sei. Bei einem Treffen im Juni will er das weitere Vorgehen bezüglich der Einführung einer solchen Karte mit den Bundesländern besprechen. So oder so, müsste der Auftrag erst noch ausgeschrieben werden. Es gehe darum, eine günstige und effiziente Lösung zu finden, meint der Minister.
Experte übt Kritik
Dass es solch eine Lösung überhaupt geben kann, bezweifelt mit Lukas Gahleitner-Gertz ausgerechnet einer der bekanntesten heimischen Asylexperten. „Wir reden darüber, ob man für diese Gruppe von nicht einmal 4000 Asylwerbern, die von 210 Euro im Monat Essen, Fahrtickets und Medikamente bezahlen müssen, ein eigenes Bezahlsystem einführen soll. Ein separates System bringt massive Mehrkosten, von dem hauptsächlich der Betreiber des Bezahlkartensystems profitiert“, verriet er der „Krone“.
Mikl-Leitner ortet positive SPÖ-Signale
Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner hat am Freitag bei einem gemeinsamen Termin mit Innenminister Gerhard Karner (beide ÖVP) in St. Pölten indes noch einmal erklärt, warum sie die Umstellung von Geld- auf Sachleistung für sinnvoll erachtet. Würden Bargeldauszahlungen eingeschränkt, gebe es deutlich weniger Anreize für illegale Migration und auch weniger Möglichkeiten, staatliche Unterstützung in die jeweiligen Herkunftsländer zu überweisen, erklärte die Landeshauptfrau.
Unterstützung dafür ortet sie mittlerweile aber nicht mehr nur von der FPÖ, mit der sie die Umstellung sogar im Regierungsprogramm schriftlich fixierte, sondern auch von der SPÖ. „Das ist eine Sachfrage, eine Frage der Vernunft. In Deutschland ist man sich dabei jetzt über die Parteigrenzen hinweg einig. Ich denke, dass kann auch bei uns noch gelingen. Ich habe dazu auch viele positive Signale aus der SPÖ gehört“, schildert sie gegenüber der „Krone“.
SPÖ warnt vor „Marsalek-Modell“
Von wem genau die „positiven Signale“ kommen, ist nicht überliefert. Hans Peter Doskozil äußerte sich jedenfalls kritisch zu dem Modell. „Wäre das Marsalek-Modell umgesetzt worden, wäre der Schaden für die Republik wohl enorm geworden, wenn die Karten von einem Tag auf den anderen nach Insolvenz nicht mehr funktioniert hätten“, meint ein roter Stratege und legt ob einer möglichen Involvierung von Spindelegger nach: „Ein Modell von dem am Ende nur Parteifreunde profitieren, sollte jedenfalls nicht herausschauen“.
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