Teilweise Totalausfall

Durchwachsene Ernte: „Extremwetter wird zur Regel“

Steiermark
31.10.2023 14:34

Ein normales Erntejahr ist den steirischen Landwirten nicht mehr vergönnt. Heuer hat vor allem der Regen in der Anbauzeit für Ausfälle und Kopfzerbrechen gesorgt. „Das Extremwetter wird zur Regel“, sagt Kammerpräsident Franz Titschenbacher. Er sieht derzeit insbesondere den Ölkürbis „am Prüfstand“. 

„Der Klimawandel schreitet rascher voran, als es die Experten prognostiziert haben.“ Mit Sorge blickt Landwirtschaftskammerpräsident Franz Titschenbacher auf die Erntebilanz 2023 - und in die Zukunft. Denn das regelmäßige extreme Wetter drückt die Erträge und fordert die bäuerlichen Betriebe immens.

Dauerregen in der Anbauzeit
War es im Vorjahr die Trockenheit gewesen, die zu erheblichen Schäden geführt hatte, so sorgte heuer - nach einem viel zu warmen Winter - der starke Regen im Frühjahr für Probleme. Gerade zur wichtigen Anbauzeit im April und Mai war es auch zu kalt. Spätfröste haben beispielsweise abermals Marillen, Kirschen, Pfirsiche und Zwetschken kalt erwischt - bis hin zum Totalausfall. Auch die Apfelernte ging um ein Drittel zurück, bei Birnen betrug das Minus 70 Prozent. Bei Aronia wurde die kleinste Ernte seit zehn Jahren verzeichnet.

Beim Mais war das Zeitfenster für die Aussaat nur auf wenige Tage beschränkt. Die Pflanzen hatten Stress und bildeten vielfach nur ein schwaches Wurzelsystem aus, die durchschnittlichen Erträge sanken um 20 Prozent. Mit ähnlichen Problemen war man bei der Gerste konfrontiert. Bei Erdäpfeln gibt es auf sehr schweren Böden teils sogar Totalausfälle - während die Erträge auf leichten Böden gut waren.

Ölkürbis „steht auf dem Prüfstand“
Der Dauerregen im Frühjahr setzt auch dem Ölkürbis gehörig zu, dazu kam verschärfend ein nicht mehr zugelassenes Beizmittel. In Summe ging die Anbaufläche um 30 Prozent zurück. Die Bauern hoffen, dass das Beizmittel im nächsten Jahr wieder zum Einsatz kommen kann. Der Ball liegt bei der EU-Kommission, die sich auf Einschätzungen der Lebensmittelagentur EFSA stützen wird - Ausgang völlig ungewiss.

Ist damit zu rechnen, dass die Anbaufläche für das identitätsstiftende Kürbiskernöl weiter zurückgehen wird? Möglich ist es, auch wenn viele Direktvermarkter ihren Kundenstock nicht aufgeben wollen und durchbeißen werden. Titschenbacher sagt aber offen: „Das grüne Gold der Steiermark steht auf dem Prüfstand.“

Gutes Jahr für Grünlandbauern
Es gibt aber auch einige wenige Gewinner im Erntejahr 2023. Dazu zählt neben Soja und Hirse auch der Bereich Grünland, der immerhin 185.000 Hektar umfasst. Nach fünf viel zu trockenen Jahren haben diese Bauern heuer von der feuchten Witterung profitiert - auch wenn die Ernte sehr herausfordernd war.

Millionen-Schäden

  • Bei der österreichischen Hagelversicherung gingen heuer 2538 Überschwemmungsmeldungen ein - ein Rekordwert. 
  • Der Gesamtschaden durch Wetterkapriolen lag 2023 in der Steiermark bei 39 Millionen Euro, wovon 23 Millionen Euro durch Frost und 16 Millionen Euro durch Hagel entstanden sind.

Generell erwarten die Kammerexperten in naher Zukunft keine ganz großen Verschiebungen, was den Anbau der wichtigsten Kulturen betrifft. Beispiel Steinobst: Obwohl es seit 2016 nur eine normale Ernte gab, können die Betriebe nicht von einem Tag auf den anderen umstellen, die Nutzungsdauer von Obstbaukulturen liegt bei zehn bis 15 Jahren. Einzig der einst forcierte Anbau von Raps ist zu einer Liebhaberei geworden.

Preise für Bauern steigen nicht
Der ökonomische Grundsatz, dass bei einer Verknappung der Ware die Preise steigen, trifft auf die steirischen Bauer nicht zu, betonten sie. Im Gegenteil: Ihre Einnahmen sinken, auch weil global gesehen teils Rekordmengen eingefahren werden. „Wenn im Handel die Preise steigen, haben die Ur-Produzenten damit nichts zu tun“, betont Kammerdirektor Werner Brugner.

Humus wird immer bedeutender
Den Bauernvertretern war es am Dienstag aber auch wichtig, darauf hinzuweisen, wie intensiv sich die Landwirte mit den neuen (klimatischen) Herausforderungen auseinandersetzen. So erarbeiten Humusberater gemeinsam mit bald elf Gemeinden erosionsmindernde Maßnahmen, um bei Starkregen Abschwemmungen von Erde auf Straßen oder Privatgrundstücke zu vermeiden. Somit sollen auch Konflikte zwischen Landwirten und Anrainern verhindert werden, sagt Kammer-Vizepräsidentin Maria Pein. 

Zitat Icon

Bester Boden und fruchtbare Humusschichten bleiben am Acker, die Gemeinden ersparen sich erhebliche Kosten in der Straßenerhaltung.

Kammer-Vizepräsidentin Maria Pein

Ackerflächen ganzjährig begrünt
Einer der von Pein angesprochenen „Praktiker“, der Ackerbauer, Direktvermarkter und Buschenschankbetreiber Herbert Lebitsch aus dem oststeirischen Altenmarkt bei Fürstenfeld, setzt schon seit einigen Jahren auf dauerhafte Ackerbepflanzung: „Es ist möglich, in kurzer Zeit zusätzliche Biomasse auf den Acker zu bringen.“ Er pflanze zum Beispiel Winterweizen für Brot, Ackerbohne für Viehfutter und Ölkürbisse. Mittels einer Begrünungssaatmischung mit elf Sorten, die gleich nach einer Ernte ausgebracht werden, habe er 90 bis 100 Prozent seiner Ackerflächen ganzjährig begrünt.

Lebitsch präsentierte bei der Pressekonferenz fast mannshohe Pflanzen, die in neun Wochen angewachsen seien - darunter Sonnenblume und Ölrettich. Da werde kaum Erde abgeschwemmt, die Pflanzen seien Nahrung für Insekten und Wild und vor allem für das Bodenleben. Und: „Wir konnten 20 Prozent mehr Wasser speichern, das haben wir mit Bodensonden gemessen. Diese Böden sind trotz kleinere Erntefenster auch schneller wieder befahrbar. Begrünung ist sozusagen die Fotovoltaik auf unseren Äckern - und bringt mehr CO₂-Einspeicherung.“

Rinderbauern steigen Eiweiß-Erzeugung
Innovativ sind auch Grünlandbauer, die verstärkt selbst Eiweiß produzieren, um unabhängiger vom Zukauf von Kraftmitteln für ihre Rinder zu sein. Karge Wiesenstandorte werden weniger genutzt und für Kräuter und Gräser „freigegeben“, gute Standorte werden im Gegenzug umso intensiver genutzt. Erfolgreich diesen Weg ging beispielsweise der Niklasdorfer Jungbauer Andreas Steinegger, der einen Bio-Betrieb mit 30 Milchkühen führt und den Eiweißanteil auf der Weide und in der Silage um zehn Prozent gesteigert hat.

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