Kurz vor der Sommerpause gibt es in Brüssel Aufregung über eine Personalie: Ausgerechnet eine frühere US-Regierungsbeamtin und Beraterin von Amazon und Apple soll genau diesen Internetriesen im Auftrag der Europäischen Union auf die Finger schauen. Fiona Scott Morton tritt den Posten in der mächtigen Brüsseler Generaldirektion Wettbewerb eigentlich im September an. Doch es formiert sich Widerstand, auch bei deutschen Politikern.
Die EU-Kommission verweist auf das Spitzenprofil Scott Mortons. Sie ist Wirtschaftsprofessorin an der US-Eliteuniversität Yale und war von 2011 bis 2012 unter Präsident Barack Obama im US-Justizministerium für Kartellrecht zuständig. Die Amerikanerin habe bei den Vorstellungsgesprächen für den Posten mit Abstand die beste Figur gemacht, betont eine Kommissionssprecherin.
Als Chefökonomin in der Wettbewerbsdirektion der EU-Kommission würde Scott Morton künftig mit darüber wachen, dass Google, Apple oder Facebook ihre Marktmacht nicht missbrauchen. In den vergangenen Jahren hatte die Brüsseler Behörde unter Ursula von der Leyen bereits Rekordstrafen gegen die Internetriesen verhängt.
Beraterverträge mit Apple und Amazon
Holt sich von der Leyen mit der US-Professorin etwa eine Lobbyistin genau dieser Tech-Konzerne ins Haus? Darauf deuten US-Medienberichte aus den vergangenen Jahren hin. Danach hat Scott Morton während ihrer Tätigkeit für die US-Regierung Beraterverträge unter anderem mit Apple und Amazon nicht offengelegt.
Vor allem in Frankreich schlägt der Fall Scott Morton hohe Wellen: Von einem „Skandal“ ist die Rede, bis hin zu einer „Annexion unseres Kontinents durch die Nordamerikaner“. Aber auch die französische Außenministerin Catherine Colonna rügt die Personalentscheidung: „Die Internet-Regulierung ist eine zentrale Frage für Frankreich und für Europa“, schrieb sie im Onlinedienst Twitter. Die EU-Kommission müsse die Nominierung deshalb „überdenken“.
Wir sehen die Personalie skeptisch in Bezug auf Interessenkonflikte.
Rasmus Andresen, Grünen-Abgeordneter
Das seien beileibe nicht nur anti-amerikanische Reflexe aus Frankreich, heißt es in Brüssel. „Wir sehen die Personalie skeptisch in Bezug auf Interessenkonflikte“, sagt etwa Rasmus Andresen, der für die deutschen Grünen im Wirtschaftsausschuss des Europaparlaments sitzt. „Fiona Scott Morton hat in den vergangenen Jahren Großkonzerne wie Apple, Amazon und Microsoft beraten - auch in Kartellfragen.“
Beschwerden über „Geschenk an die USA“
Auch mehrere EU-Kommissare haben sich nach AFP-Informationen bei von der Leyen über das „Geschenk an die USA“ beschwert. Eine Sprecherin der deutschen Kommissionschefin versichert, Scott Morton werde in der Wettbewerbsdirektion „nicht an Dossiers beteiligt, mit denen sie in ihrer früheren Tätigkeit zu tun hatte“, um Interessenkonflikte zu vermeiden.
Das allerdings hält der deutsche Grünen-Politiker Andresen für völlig unrealistisch: „Das würde zu dem absurden Szenario führen, dass die Chefökonomin der Behörde bei wichtigen Fällen außen vor wäre“, sagt er. „Hochproblematisch“ nennt er dieses Vorgehen auch mit Blick auf künftige Fälle. Denn mit einem neuen Gesetz für digitale Märkte will die EU die Internetriesen noch stärker an die Kandare nehmen.
Das letzte Wort im Fall von Scott Morton ist noch nicht gesprochen. Denn ihr Vertrag ist bisher nicht unterschrieben, wie aus der EU-Kommission heißt.
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