Kehrtwende

Urteil: Nun doch Schadenersatz für Diesel-Kläger

Motor
26.06.2023 12:48

Tausende Dieselkläger dürften Hoffnung schöpfen - der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) hat den Weg zum Schadenersatz erleichtert. In einem Urteil zog der Diesel-Senat am Montag anhand von drei exemplarisch abgehandelten Fällen neue Leitplanken für die künftige Rechtsprechung ein: Verbraucher, in deren Wagen eine unzulässige Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung verbaut wurde, sollen grundsätzlich Anspruch auf Entschädigung haben.

(Bild: kmm)

Für ihr Auto bekommen sie einen pauschalen Ausgleich in Höhe des Wertverlustes gezahlt, der ihnen durch im Motor verbaute Abschalteinrichtungen - etwa das Thermofenster - entstanden ist. In welcher Höhe genau dies der Fall sein kann, müssen die Instanzgerichte jeweils entscheiden. Die Vorsitzende Richterin sprach von 5 bis 15 Prozent des Kaufpreises. Ein Sachverständigen-Gutachten sei dafür nicht nötig. Der finanzielle Ausgleich werde dafür gezahlt, dass dem Auto eine Stilllegung drohen könnte. Kläger müssen im Verfahren dann zunächst eine Abschalteinrichtung nachweisen und Hersteller müssten im zweiten Schritt darlegen, dass sie kein Verschulden treffe.

Bisherige Urteile aufgehoben
Der BGH hob Urteile von Gerichten auf, die Schadenersatzklagen abgewiesen hatten, und verwies sie zurück. Die Berufungsgerichte müssten die Haftungsfrage weiter aufklären, erklärte Richterin Eva Menges. Dabei sei es Sache der Autohersteller, das ordnungsgemäße Funktionieren eines Thermofenstern nachzuweisen.

Die unteren Instanzgerichte haben es künftig leichter, den Minderwert eines Wagens zu berechnen. Außerdem trugen die Richter der Tatsache Rechnung, dass arglosen Käufern ein Vertrauensschaden entstanden sei: In der Annahme, sie würden ein besonders umweltfreundliches Auto erwerben, hatten sie sich für das jeweilige Auto entschieden. Sie hatten zudem darauf vertraut, dass das Auto europäischen Umweltnormen entspreche. Dafür müssten sie entschädigt werden, hieß es weiter.

Drei Hersteller konkret abgehandelt
Exemplarisch wurden dabei am Montag drei Fälle von Dieselautos der Hersteller VW, Audi und Mercedes abgeurteilt. Alle Kläger hatten darauf geklagt, den Vertrag rückabwickeln, also das Auto gegen Erstattung des Kaufpreises zurückgeben zu können. Dem gab der BGH zwar nun nicht statt. Der Diesel-Senat stellte aber klar, dass Fahrzeughaltern für ihr manipuliertes Auto eine finanzielle Entschädigung zusteht.

Es reicht Fahrlässigkeit
Der BGH hat wegen eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) umdenken und es auf deutsches Recht umlegen müssen. Die Luxemburger Richter hatten im März entschieden, dass auch fahrlässiges Handeln der Autohersteller Grund für Schadenersatz sein kann - und nicht nur bewusste, sittenwidrige Täuschung. Letzteres war nach bisheriger BGH-Rechtsprechung bisher immer die Voraussetzung für Schadenersatz gewesen. Der EuGH hatte außerdem klargestellt, dass europäische Normen nicht nur dem Umweltschutz dienen, sondern auch den einzelnen Autokäufer schützen.

Wegen des EuGH-Urteils liegen derzeit etwa 2000 Fälle am BGH auf Eis. Zehntausende Fälle sind bei den unteren Instanzgerichten anhängig. Sie dürften die vom BGH angedachte pauschalierte Regelung zum Schadenersatz begrüßen. Experten rechnen damit, dass Dieselklagen auf dieser Basis künftig schneller und einfacher entschieden werden können. Der BGH hatte drei Musterfälle der Autobauer Mercedes, Audi und VW verhandelt.

Das sogenannte Thermofenster sorgt dafür, dass die Verbrennung von Abgasen je nach Außentemperatur zeitweise gedrosselt wird. Das ist nach EU-Recht prinzipiell möglich, die Grenzen dafür wurden durch Rechtsprechung infolge des Dieselskandals aber eng gezogen. Unabhängig vom Hersteller sind Thermofenster bei Diesel-Autos weit verbreitet - nun könnten Klagen gegen weitere Autobauer die Folge sein.

Offen dazu sind noch mehr als 100.000 Verfahren in Deutschland. Die Autobauer verweigerten bisher Schadenersatz, weil ihre Technik rechtlich einwandfrei und vom deutschen Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) genehmigt sei.

 krone.at
krone.at
Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare
Eingeloggt als 
Nicht der richtige User? Logout

Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

(Bild: kmm)



Kostenlose Spiele