Meinungsmache im Netz

Wagner-Chef gesteht Gründung von „Trollfabrik“

Web
15.02.2023 08:41

Der Chef der russischen Söldnertruppe Wagner hat erstmals die Gründung einer berüchtigten „Trollfabrik“ eingeräumt. Er habe die Internet Research Agency in St. Petersburg „erschaffen und lange Zeit geleitet“, erklärte Wagner-Gründer Jewgeni Prigoschin am Dienstag via Telegram. Aufgabe der Agentur sei es gewesen, Russland vor der „aggressiven Propaganda der antirussischen Thesen des Westens“ zu schützen.

Als Trolle werden Internetnutzer bezeichnet, die durch ihre Kommentare bewusst Online-Diskussionen stören und die Atmosphäre in Chatrooms vergiften. Dadurch richten sie nicht nur inhaltliche Schäden an, sondern versuchen auch, Konflikte innerhalb der Internetgemeinde zu schüren.

Der Internet Research Agency werden Desinformationskampagnen im Netz und die Einmischung in die US-Präsidentschaftswahl 2016 vorgeworfen. Die „Trollfabrik“ setzt dafür insbesondere gefälschte Konten in Online-Netzwerken ein. Die USA hatten 2018 gegen mehrere mutmaßliche Mitarbeiter der Internet Research Agency Sanktionen verhängt.

Guter Verdienst für Trolle
Reporter der russischen Oppositionszeitung „Nowaja Gaseta“ hatten das Online-Propagandazentrum 2013 undercover besucht. Demnach arbeiteten damals rund 400 Mitarbeiter dort in einem kleinen Gebäude am Stadtrand von St. Petersburg. Im Jahr darauf zog die Agentur in ein größeres, vierstöckiges Gebäude, wo bereits 1000 Mitarbeitende Platz gefunden haben sollen, was ihr schließlich von Lokalmedien auch den Namen „Trollfabrik“ einbrachte. Ende 2017 soll die „Internet-Forschungsagentur“ einem Bericht der Online-Zeitung DP.ru zufolge erneut innerhalb der Stadt umgezogen sein.

Die ominöse Agentur ist für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Einziges Zeichen ihrer Existenz sind Jobanzeigen im Internet, in denen scheinbar unverfängliche Posten wie der eines „Redakteurs“ oder „Content-Managers“ angeboten werden.

„Unser Job bestand darin, Putin und seine Politik zu loben“
2015 hatte sich die damals 34-jährige Ljudmilla Sawtschuk aus St. Petersburg dem Blatt gegenüber als ehemalige „Trollin“ im Dienste Putins geoutet. „Unser Job bestand darin, im Sinne der Regierung zu schreiben, Putin und seine Politik zu loben und seine Gegner niederzumachen“, berichtete sie damals. Als angebliche Hausfrau, Studentin oder Sportlerin postete sie pro Tag an die hundert Kommentare und Beiträge und erhielt dafür ein monatliches Salär von 40.000 bis 50.000 Rubel (nach damaligem Kurs umgerechnet rund 640 bis 800 Euro). Zum Vergleich: 2021 betrug der Durchschnittslohn in Russland rund 600 Euro.

Sawtschuk beschrieb die Tätigkeit als hart. Pausenlos müssten die Mitarbeiter große Mengen Kommentare im Internet veröffentlichen, längst nicht jeder habe das Zeug dazu. Viele Leute würden entlassen, weil sie die geforderten Ansichten nicht in die richtigen Worte kleiden könnten, die Rotation sei hoch. Ihre Kollegen seien überwiegend jung gewesen, viele Studenten. „Politik war ihnen vollkommen gleichgültig, sie nahmen nichts ernst. Für sie war es bloß eine Art, Geld zu verdienen.“ Daneben habe es einige ältere Beschäftigte gegeben, die ihre Arbeit als „wirkliche Mission“ verstanden hätten und vollständig darin aufgegangen seien.

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