Ersehnter neuer Alfa

Alfa Romeo Tonale: Hart, herzlich und direkt

Motor
24.06.2022 12:18

Man hat es in Zeiten wie diesen nicht leicht als Automarke, die das tönende, verbrennende „cuore sportivo“ in der DNA trägt. Zumal wenn die Modellpalette quasi vertrocknet ist und Fans sich längst fragen, ob bereits das Ende naht wie bei Lancia. Doch ab sofort ist alles anders, Alfa Romeo schlägt nun eine andere Tonart an: Der Tonale soll der Beginn einer Zukunft des dolce vita sein.

(Bild: kmm)

Zuletzt war das Tun der sportlichen italienische Automarke eher von dolce far niente geprägt, vom Nichtstun also. Mito gestorben, Giulietta eingestellt, längst altersschwach geraten. Aktuell sind nur noch Giulia und Stelvio im Programm, beide auf derselben Plattform namens Giorgio aufbauend.

(Bild: Stephan Schätzl)

Angekündigt wurde viel, umgesetzt so wenig, dass Lancia vom letzten Mohikaner Ypsilon, der nur in Italien angeboten wird, mehr verkauft hat als Alfa Romeo in Europa. Doch die Marke überstrahlt noch immer alle Probleme, sodass die Fans 2019 in helle Verzückung gerieten, als der Alfa Romeo Tonale im März auf dem Genfer Salon stand. Und vorsichtig glaubte man den Ankündigungsweltmeistern, dass er wirklich in Serie kommen würde. Dann hat’s halt noch ein bisserl gedauert.

Der Tradition verpflichtet
In echt steht er fast genauso da wie auf der Messe. Viel schöner und emotionaler kann man ein kompaktes SUV kaum zeichnen. Der Scudetto prangt vorn in der Mitte wie eh und je, das Kennzeichen ist seitlich montiert. Alfa weiß, was Romeos wünschen. Wunderbare Proportionen (für ein SUV), herrliches dreigeteiltes Tagfahrlicht in den (optionalen) LED-Matrixscheinwerfern. Das dreiteilige Motiv ziert auch die Heckleuchten. Und dann die klassischen Alfa-Alus!

Im Innenraum geht’s digital zu. Zeitgemäß, aber auf adäquate Art und Weise, denn zwar prangt da ein 12-Zoll-Tachodisplay, aber anders als BMW haben sie bei Alfa Romeo nicht den klassischen Stil geopfert, sondern es bleibt bei Rundinstrumenten in tiefen Tuben. Schon allein dafür gehören sie geliebt! Und vielleicht bleiben Fans der Marke deshalb so treu, weil sie sich selbst so treu bleibt. Zudem ist die Anzeige übersichtlich und höchst informativ. Nur der zentrale Touchscreen dürfte mit seinen 10 Zoll gerne etwas größer sein, ist er aber auch in höheren Ausstattungen nicht.

Alles schaut hochwertig aus, die Materialien sind so gelungen wie das Design. Die Sportsitze in den Testwagen, die wir rund um Frankfurt bewegen durften, tragen sogar das Siegel der Aktion Gesunder Rücken. Sehr gelungen.

Platz, auch für die Familie
Das Raumgefühl in dem 4,53 Meter langen SUV ist hervorragend. Auf der Rückbank finden auch groß Gewachsene hinter ebensolchen genügend Kniefreiheit vor, sogar mit 1,90 Meter streift der Scheitel nicht am Dachhimmel. Der Kofferraum fasst 500 bis 1550 Liter, wobei die Rücksitzlehne nur zwei-, nicht dreigeteilt umklappbar ist.

Motorenprogramm lässt Luft nach oben
Auf eine andere Art konsequent sind sie bei der Motorisierung. Eine Quadrifoglio-Version wäre zwar theoretisch möglich, praktisch wird man aber darauf verzichten. Sie würde zwar zur Marke passen, aber nicht mehr in die Zeit. Andererseits wird der Alfa Romeo Tonale definitiv nicht als Elektroauto kommen, weil das die SCCS-Plattform nicht erlaubt. Die teilt er sich mit dem Jeep Compass. Elektrisch wird Alfa erst 2024 mit dem kleinen Brennero.

Bleiben wir beim Tonale. Bei dem hat man zunächst die Wahl zwischen zwei Mildhybriden mit 130 und 160 PS (jeweils von einem 15 kW/20 PS starken Startergenerator unterstützt), später im Jahr kommen ein 130-PS-Diesel sowie im November ein Plug-in-Hybrid (1,3-Liter-Benziner, 275 PS, 60 km E-Reichweite) dazu. Geschaltet wird per Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe.

Die Schaltpaddles sind fest stehend montiert, nicht am Lenkrad. (Bild: Stephan Schätzl)
Die Schaltpaddles sind fest stehend montiert, nicht am Lenkrad.

Wir waren im stärkeren Mildybrid unterwegs, der eine Alfa-exklusive Veredelung des Compass-Antriebs ist, die sich vor allem in einer variablen Geometrie des Turboladers manifestiert. Da merkt man, dass man zwar konsequent ist, aber eben nicht auf die bekannte Alfa-Art. Der Motor soll vor allem sparsam sein (WLTP-Verbrauch 5,7 bis 6,3 Liter, nicht schlecht für ein nach DIN 1525 kg schweres SUV). Daher hat er auch nur 1,5 Liter Hubraum. Man kommt mit ihm aus und kann in 8,8 Sekunden auf Tempo 100 sprinten, aber er animiert nicht zu sportlicher Fahrweise. Dazu wirkt er etwas zu schwachbrüstig und oft auch angestrengt. Was man dem Tonale zugutehalten muss: Es wird auch bei Vollgas nie laut im Auto, sie haben ganz offensichtlich sehr viel Wert auf Geräuschdämmung gelegt.

Fahrwerk und Lenkung sind deutlich sportlicher ausgelegt. Die serienmäßigen Adaptivdämpfer bieten die Auswahl zwischen sehr hart und richtig hart. So entspannend das geringe Geräuschniveau während der Fahrt ist, so fordernd ist das Fahrgefühl. Dazu trägt wiederum auch die Lenkung bei. Die ist superdirekt, aber leider völlig gefühllos. Hey, das könnt ihr besser! Das habt ihr in der Giulia und im Stelvio bewiesen! Im Sportmodus kommt eine Spur von Lenkkräften dazu, weshalb man ruhiger lenken kann, aber mehr Gefühl wird es nicht.

Die 275 PS des PHEV werden besser zum Fahrwerk passen. Hoffen wir, dass sie an der Lenkung noch Hand anlegen.

Untraditionell gut verarbeitet
Neu ist das Qualitätsempfinden im Alfa Romeo Tonale. Das scheint Teil der Umsetzung eines Versprechens zu sein, denn Qualität und Hochwertigkeit bis hin zu echtem Premiumempfinden haben sie sich in Italien aufs Wappen geschrieben. Im Stellantis-Konzern haben sie Alfa Romeo als die einzige Premiummarke mit Weltruf ausgemacht (abgesehen von der Luxusmarke Maserati), und da wollen sie sich jetzt draufsetzen. Dazu gehört auch, dass es beim Händler keinen Cent Rabatt auf den Tonale geben wird. Das soll Vertrauen schaffen und zu stabilen Wiederverkaufswerten führen.

Dieses Ziel wird unterstützt durch eine Art digitalen Pass fürs Auto, in dem Blockchain-geschützt (per Non Fungible Token) alles, was den Wagen betrifft, dokumentiert wird. Fälschungssicher.

Die Preise sind eine Ansage
Dass es keinen Rabatt gibt, scheint angesichts der Preisliste leicht verschmerzbar zu sein. Der Alfa Romeo Tonale ist ab 35.000 Euro zu haben und als fett ausgestattete „Edizione Speciale“ ab 39.000 Euro zur Markteinführung besonders wohlfeil.

Die Ausstattungsstufen tragen klassische Namen: Super, Sprint, ti, Veloce. Vom Motorwunsch hängen die möglichen Ausstattungsstufen ab - oder umgekehrt. Für den hier gefahrenen 160-PS-Benziner muss es mindestens ti um 42.300 Euro sein.

Unterm Strich
Alfa Romeo ist wieder da und hat Großes vor. Da würde es uns nicht wundern, wenn auch die irgendwann angekündigte große Limousine irgendwann kommen würde. Festlegen will man sich dahingehend aber nicht. Auf eines aber schon: Ab 2027 wird Alfa zur reinen Elektromarke. Sie kommen also spät, aber konsequent. Mit dem cuore elettrico.

Warum?
Diese Nase!
Digitaler, aber trotzdem klassischer Innenraum

Warum nicht?
Motor etwas müde für einen Alfa

Oder vielleicht …
… BMW X1, Cupra Formentor, Audi Q3, Kia Sportage, Hyundai Tucson, VW Tiguan

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(Bild: kmm)



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