Hinter den Kulissen

Nehammers wieder saubere Hände und seine Chance

Politik
15.05.2022 08:08

Mister 100 Prozent wäscht seine Hände in Unschuld - im wahrsten Sinne des Wortes! Beim ÖVP-Bundesparteitag in Graz, dem besten Tag für Karl Nehammer, seit er in der Politik ist, war er während seiner gut einstündigen Rede unter anderem mit dem permanenten (Hand-)Griff ins Gesicht aufgefallen. Und das, nachdem er die Parteitagsdelegierten zuvor mit der mehr als diskussionswürdigen Aussage „So viele in einem kleinen Raum heißt auch, so viele Viren, aber jetzt kümmert es uns nicht mehr“ begrüßt hatte. 

Wir hatten danach geschrieben: „Nachdem er vor Beginn des offiziellen Teils Hunderte Hände geschüttelt hatte, griff er sich während seiner gut einstündigen Rede gefühlt mindestens einmal pro Minute an die Nase, an die Wange, an den Mund. Wie flüsterte es ein Beobachter? ,Sagen wir nicht seit zwei Jahren unseren Kindern: Greift euch nicht ins Gesicht!´“

Das wollte der frisch gewählte Bundesparteiobmann nicht auf sich sitzen lassen und reagierte noch in der Nacht. Die Hände waren desinfiziert, versicherte er, denn das sei für ihn schon vor Corona ein Standard gewesen. Er habe ein Desinfekt immer dabei. Und auch für den Griff ins Gesicht folgt eine Erklärung: „Es war brutal heiß auf der Bühne.“ Ja, das wollen wir glauben. Denn brutal heiß war es im Saal auch für die Gäste.

Brutal heiße Atmosphäre
Auch die Atmosphäre im Saal war aufgeheizt. Von der ersten Minuten an ging es nur um eines: ein Top-Ergebnis für den neuen Obmann. Der steirische ÖVP-Hausherr Hermann Schützenhöfer war nur einer der Einpeitscher. Er trieb die Delegierten in die richtige Spur, als er darauf hinwies: „Ganz Österreich schaut auf uns. Leider haben sich Parteitage darauf reduziert - auf das Ergebnis.“ Die Rechnung ist aufgegangen. Denn außer dem Ergebnis wird wenig in die österreichische Innenpolitik-Geschichte eingehen.

Knaller-Aussagen
Die viel zu lange Rede des neuen Obmannes - sie ist nicht dazu angetan, in die Geschichte einzugehen. Wie formulierte es ein ehemaliger Bundesparteiobmann nach der Nehammer-Ansprache? „Es ist bei Parteitagsreden immer eine schwierige Entscheidung: Setze ich auf zwei, drei Knaller-Aussagen, oder versuche ich alle zu bedienen?“ Nehammer hatte sich eindeutig für die zweite Variante entschieden: Nichts Kantiges, sondern für jeden etwas, „ein Kessel Buntes“, wie unsere deutschen Nachbarn gerne sagen. Vielleicht macht aber gerade das eine „Volkspartei“ aus.

Nehammers Chancen
„Werdet ihr ihm eine Chance geben?“, fragt uns einer aus der Volkspartei-Führungsriege appellativ. Und vermittelt gleichzeitig, dass man zuletzt mit Nehammer in den Medien wenig freundlich umgegangen sei. Mit der sonntäglichen Berichterstattung können die besorgten ÖVP-Granden einigermaßen zufrieden sein. „Nehammer neuer ÖVP-Supermann“ lautet die Schlagzeile der „Krone“. „Mehr geht nicht“, titelt der „Kurier“. Der Tenor querbeet: Beachtlich, diese 100 Prozent. Die Frage ist ja viel weniger, ob die Medien Nehammer eine Chance geben. Vielmehr, ob ihm die Wähler und letztlich vor allem seine Parteifreunde die Chance geben.

Zwischen 99,1 und 100 Prozent
Die größte Gefahr für den Obmann bleiben in der ÖVP stets seine Parteifreunde. Reinhold Mitterlehner - gewählt 2014 mit 99,1 Prozent - um schließlich von Sebastian Kurz gestürzt zu werden. Kurz noch im Spätsommer des Vorjahres mit demonstrativ lautem Getöse und 99,4 Prozent an die Spitze eindrucksvoll wiedergewählt - am Samstag mit nettem Applaus endgültig in die Polit-Frühpension geschickt. Werden sie Nehammer länger als die seit Jahrzehnten durchschnittlichen 3,3 Jahre an der Spitze belassen? Sogar die viel gescholtene Pamela Rendi-Wagner hält sich schon länger als SPÖ-Parteichefin als der durchschnittliche ÖVP-Obmann.

„Net wie die Roten“
Wobei Rendi-Wagner auch am ÖVP-Parteitag ein Thema war. Klubobmann August „Gust“ Wöginger, der in seiner Rede zu ganz großer Form auflief und die heiße Parteitagshalle zum Kochen brachte, schrie in die Delegierten-Menge: „Mach ma´s net wie die Roten: Standing Ovations für die Pam beim Parteitag, und dann wählt sie ein Viertel nicht. So sind wir nicht!“ Hat am Samstag funktioniert. Standing Ovations für Karl Nehammer - und alle, alle wählten ihn auch.

So weit, so gut. Was aber Wöginger auch noch hinzufügte: „Wir sind Kanzler und bleiben es auch.“ Aber wenn da die Wähler nicht mitspielen? Dann wackelt der nächste Obmann der Volkspartei garantiert!

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