Album „Rock Believer“

Scorpions: Noch immer ausreichend Benzin im Tank

Musik
27.02.2022 06:00

50 Jahre nach ihrem Debütalbum „Lonesome Crow“ und 40 Jahre nach ihrem Rock-Brecher „Blackout“ wollen es die Hannoveraner Scorpions noch einmal wissen. „Rock Believer“ ist ein Statement für Beharrlichkeit, Teamwork, Spielfreude und Rock‘n‘Roll-Liebe. Sänger Klaus Meine sprach mit uns über ein doch unerwartetes Comeback und was in prekären Zeiten wie diesen von der Message „Wind Of Change“ übrigblieb.

(Bild: kmm)

„There’s got to be some more gas in the tank. Come on, give me a dirty riff my friend.“ Kann man noch einmal so richtig rocken? Auch wenn die Uhr tickt? Diese Fragen hat sich Klaus Meine vor knapp drei Jahren gestellt und leicht umformuliert in Form des eingangs angeführten Textes ein paar Tausend Kilometer von Deutschland nach Thailand geschickt. Dort befand sich sein Gitarrist und Kumpel Rudolf Schenker, der lieber seine Stromgitarre als sich selbst in den Dialog schickte und eindeutig mit „ja“ antwortete. So entstand primär der Song „Gas In The Tank“ und sekundär das brandneue Scorpions-Album „Rock Believer“, das selbst langjährige Fans der seit mehr als fünf Dekaden umtriebigen Hard Rocker überraschen wird. Von sanften Balladen oder entschlackten Momenten keine Spur. Auf ihrem mittlerweile 19. Album rocken die honorigen Herren so aktiv und motiviert, als wären die letzten 30 Jahre einfach so an ihnen vorbeigezogen.

Herausforderung angenommen
Den zündenden Funken für diesen dritten Rockfrühling darf man in Griechenland verorten, wie uns Meine im „Krone“-Gespräch verrät. „2018 hatten wir ein Konzert in Athen, das ein guter Freund von uns organisiert hat. Er ist ein Riesenfan unseres 1982 erschienenen Albums ,Blackout‘ und meinte zu uns, er würde einfach alles dafür geben, wenn wir noch einmal so ein Teil raushauen würden. 40 Jahre später geht so etwas natürlich nicht von selbst, aber wir haben das als Herausforderung verstanden und angenommen. Wir haben das Album nicht wegen der Pandemie gemacht, weil es uns langweilig war. Sie war für uns nur ein Segen, weil sie uns so viel Zeit verschafft hat.“ Normalerweise sind die Scorpions immer auf Tour, gönnen sich kaum Ausruhpausen. Der günstige Plan ermöglichte es Meine und Co., dass man trotz der Pandemie nur einen geplanten Auftritt absagen musste und ansonsten die Zügel selbst in die Hand nahm.

Aus dem geplanten Aufenthalt bei Slipknot- und Metallica-Produzent Greg Fiedelman in Los Angeles wurde nichts, stattdessen mussten die weniger glamourösen Peppermint Park Studios im niedersächsischen Hannover herhalten. „Von Mai 2020 bis Mitte 2021 waren wir immer wieder hier. Wir haben Greg per Zoom zugeschalten und trotz der neun Stunden Zeitunterschied die ganze Vorproduktion auf diesem Wege abgehandelt. Es gab einige Stolpersteine, aber wir haben sie alle gemeistert und uns selbst vertraut.“ Dass es noch einmal zu einem solchen Werk kommen würde, sieben Jahre nach dem letzten Album „Return To Forever“, war alles andere als selbstverständlich. „Ich war anfangs nicht so ganz davon überzeugt, dass wir das schaffen“, gibt Meine zu, „aber wir sind Schritt für Schritt gegangen. Wir wollten ein authentisches, echtes Hard’n’Heavy-Album kreieren, das unsere Fans mitten ins Herz trifft.“

Familienangelegenheit
Die 80er-Vibes der legendären Scorpions-Phase vermischen sich mit einer zeitgemäßen Produktion und die Songs begeistern mit einer Frische, die man sich von den Mittsiebzigern vielleicht so nicht mehr erwartet hätte. Einen erklecklichen Anteil am Punch hat ex-Motörhead-Drummer Mikkey Dee, der mittlerweile seit einigen Jahren fixer Teil der deutschen Hard-Rock-Legende ist. „Wir hatten einfach so viel Freude an der Arbeit, es ging wie von selbst. So Gott will hätten wir auch ohne neues Album noch endlos weiterspielen können, aber wir waren lange genug mit denselben Songs, derselben Show und derselben Produktion unterwegs.“ Die „Rock Believer“ sind nicht nur die Scorpions selbst, sondern alle Liebhaber von Stromgitarrenklängen. „Die Metal- und Rock-Community ist eine Familie. Früher durch Grunge und Alternative und heute durch Hip-Hop wurde unsere Musik schon so oft totgesagt. Aber jedes Mal wenn wir auf der Bühne stehen, sehen wir genau das Gegenteil.“

Auch wenn ein „Wind Of Change“ nicht mehr vorhanden ist, gibt es - in wesentlich rockigerer Form - den Song „Peacemaker“ zu bejubeln. Vom globalen Frieden sind wir so weit entfernt wie lange nicht mehr und das macht auch Meine Sorgen. „Wenn man daran denkt, wie viel Hoffnung vor 30 Jahren in ,Wind Of Change‘ steckte, dann tut die aktuelle Lage besonders weh. Damals haben wir in Echtzeit miterlebt, wie sich die Welt zum Positiven verändert. Heute haben wir die Pandemie, die Klimakrise und ringsum kriegerische Auseinandersetzungen und Spannungen. Das macht uns traurig. Das Lied dreht sich darum, dass wir alle die Welt verändern und zu einem besseren Ort machen können. In der Musik sehen wir, dass wir alle eine große Gemeinschaft sind. Egal ob im Libanon, in Tel Aviv, in Moskau oder in Kiev. Wir nehmen die Menschen für eineinhalb Stunden mit in eine andere Welt und hoffen, dass sich dieser Spirit dann auch außerhalb der Musik weiterzieht.“

Fehler sind erlaubt
Das Brückenbauen fällt in diesen Tagen schwerer als sonst. Vielleicht ganz gut, dass man sich mit „Rock Believer“ in warmer Nostalgie suhlen und dem guten alten Rock’n’Roll der 70er- und 80er-Jahre huldigen kann. Dass die Scorpions schon vor zwölf Jahren ihre Abschiedstour verkündeten, daran kiefelt der Sänger noch immer ein bisschen. „In unserer langen Karriere sind kleine Fehler hoffentlich erlaubt. Wir hatten damals wirklich das Gefühl, dass es reicht. Dann kam 2010 ,Sting In The Tail‘ raus und wir waren drei Jahre auf Tour, die Fans haben uns gefeiert. Darauf folge das MTV-Unplugged-Projekt samt Tour und irgendwann mussten wir einsehen, dass wir doch noch nicht in die Zielgerade einbiegen möchten. Hinterher ist man immer schlauer.“ Ob „Rock Believer“ nun wirklich der Album-Abgesang einer legendären Karriere ist, lässt Meine als gebranntes Kind natürlich offen. „Zu sagen, dass es das jetzt war, das haben wir uns abgewöhnt.“

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