„Krone“-Kolumne

„100 Prozent Kontrolle“: Frauen, die Sex kaufen

Kolumnen
24.02.2022 08:00

Soziologin und Sexualpädagogin Barbara Rothmüller diesmal zu den verborgenen Erfahrungen von Frauen, die für Sex bezahlen.

Man weiß nicht viel darüber. Frauen, die für Sex bezahlen, sind ein Tabu. Sie bestellen sich Männer für intime Momente über Escort Agenturen, suchen Befriedigung bei Sexarbeitern, wollen gleichgeschlechtlichen Sex mit Frauen ausprobieren oder tauschen Geschenke gegen neue sexuelle Erfahrungen im Urlaub. Weibliche Kundinnen von Sexdienstleistungen sind meist zwischen 30 und 50 Jahren alt. Was die Frauen gemeinsam haben: Sie wollen sich sexuell entwickeln. Und sie mögen Kontrolle.

Monika beispielsweise, die oft Schmerzen bei penetrativem Sex hatte und deshalb die Hilfe eines erfahrenen Sexarbeiters suchte, sagt dazu in einer Befragung: „Wir Frauen haben gelernt, dass wir nur 80 Prozent in Kontrolle einer Situation sind. In diesem Arrangement haben wir aber zu 100 Prozent die Kontrolle.“ Die Kontrolle gibt Monika sexuelles Selbstbewusstsein und eine Form von Macht, die sie sonst nicht so oft erlebt in Beziehungen zu Männern. Prostitution hat ihr Leben verändert.

Auch im Sextourismus spielt Macht eine wichtige Rolle. Eine Studie zitiert eine Interviewpartnerin, die regelmäßig Sex im Urlaub sucht - und dafür auch bezahlt: „Frauen, die nach Jamaika kommen, mögen Kontrolle. Sie brauchen keinen Mann in ihrem Leben, außer für Sex ... Es ist besser, jemanden zu haben, der ungebildet ist, der sich wie ein Lakai verhält und den du kontrollierst, sodass du sagen kannst, wann es anfängt und wann es aufhört.“ Reiche Frauen nutzen im Urlaub ihre ökonomische Überlegenheit aus, um ihre stereotypen exotischen Fantasien vom Sex in der Fremde auszuleben. Das zeigte zuletzt auch eine Studie über ältere britische Frauen und ihre jungen türkischen Urlaubs-Lover, die auf finanzielle Zuwendungen angewiesen sind.

Frauen, die für Sex bezahlen, fühlen sich bestärkt, sexuelle Handlungen zu initiieren und zu kontrollieren, wann und wie sie wollen. Sie suchen dabei allerdings eine andere Form der Kontrolle als Männer: Sie möchten die Kontrolle darüber haben, welche sexuellen Handlungen an ihnen vorgenommen werden. Männliche Kunden hingegen suchen Kontrolle bei sexuellen Dienstleistungen, um die Macht zu haben, sexuelle Handlungen an anderen vorzunehmen. Ein kleiner, aber relevanter Unterschied. Frauen fühlen sich deshalb manchmal sogar sicher, wenn sie für Sex bezahlen. Sie kaufen sich sozusagen den Respekt vor ihren Wünschen und Grenzen. Männer sind als Kunden hingegen oft ein Sicherheitsrisiko, wie die Forschung zeigt.

Frauen nehmen sehr viel seltener als Männer sexuelle Dienstleistungen in Anspruch, so viel ist klar. Aber auch Frauen suchen Macht, Lust, Intimität und neue sexuelle Erfahrungen - und sind teilweise bereit, dafür Geld zu zahlen. Sie weigern sich, ihre Konsumentscheidung als sexuelle Ausbeutung zu verstehen und kritisieren das Stigma rund um Sexarbeit. Das ist auch der Hauptgrund, warum sie lieber über ihre Erfahrungen schweigen. Frauen, die für Sex zahlen, sind de facto unsichtbar. Auch wenn neueste wissenschaftliche Forschungen etwas (Rot-)Licht ins Dunkel bringen, weiß man bislang nur wenig über die Motive der Frauen. Viele Menschen können sich gar nicht vorstellen, dass Frauen überhaupt für Sex zahlen. Wie viele Witze beginnen mit: „Gehen drei Männer ins Puff ...“, und sorgen für verlässliche Schenkelklopfer. Aber kennen Sie einen Witz über eine Frau, die ins Puff geht? Eben. Undenkbar. Nicht einmal als Witz.

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