Nach Wiener Chaos-Demo

FPÖ reibt sich an Nehammer, Polizei kontert

Wien
07.03.2021 18:14

Die ehemaligen Koalitionspartner ÖVP und FPÖ haben sich am Sonntag nach den teilweise ausgeuferten Corona-Demos in Wien einen heftigen Schlagabtausch geliefert. Nachdem ein wütender Mob bestehend aus Demo-Chaoten den Sitz eines heimischen Versicherungskonzerns gestürmt und dabei zwei Personen verletzt hatte, warf die ÖVP den Blauen und insbesondere deren Klubobmann Herbert Kickl vor, eine „Stimmung der Gewalt“ erzeugt zu haben. Daraufhin konterte die FPÖ, dass Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) mitschuldig sei, weil er mit seiner Polizeiführung bewusst auf Eskalation gesetzt habe.

Zuvor hatte Kickl eine Rede am Wiener Heldenplatz gehalten und dabei zu einem gemeinsamen „Spaziergang“ in den Prater aufgerufen. Dort fand eine von den Freiheitlichen angemeldete Kundgebung statt, wo Kickl erneut zu den Corona-Maßnahmengegnern sprach. Immer wieder skandierten die Demo-Teilnehmer und auch der blaue Klubobmann selbst den Spruch: „Kurz muss weg!“ Später wurde er wegen Verstoßes gegen die Corona-Schutzmaßnahmen angezeigt.

Sicherheitsmitarbeiter schwer verletzt
Nach dem offiziellen Ende der FPÖ-Kundgebung kam es zur Eskalation, weil Hunderte Besucher der Veranstaltung, unter ihnen auch Rechtsextreme, Identitäre und Hooligans, weiter in Richtung Leopoldstadt zogen. Am Donaukanal wurden sie schließlich von der Polizei eingekesselt, woraufhin eine größere Gruppe von Demonstranten in die Tiefgarage des Gebäudes der Wiener Städtischen Versicherung eindrang und dabei zwei Sicherheitsmitarbeiter verletzte, einem wurde dabei das Bein gebrochen. Die Polizei nahm daraufhin 22 Personen fest, unter anderem wegen Hausfriedensbruchs. Auch aufseiten der Exekutive verletzten sich zumindest vier Beamte bei dem Einsatz.

Video: Demo-Chaoten stürmen Versicherungssitz

Kickl: Kanzler hat „totalitäre Visionen“
Kickl ging am Sonntag in einer Aussendung in die Offensive und warf Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) vor, „totalitäre Visionen“ zu haben und die „Corona-Zwangsmaßnahmen“ möglichst lange „durchdrücken“ zu wollen. Der Kanzler knüpfe seine „unverhältnismäßigen Maßnahmen“ an „Zufallszahlen und Taschenspielertricks“. Auf das Ausufern der Proteste am Tag davor ging er dabei nicht ein.

Demo-Teilnehmer „bewusst in die Falle gelockt“
FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer sprang seinem Klubobmann zur Seite: Für ihn ist Nehammer aufgrund der Polizeiführung verantwortlich für die „abendliche Eskalation“. Laut Amesbauer seien Hunderte Demo-Teilnehmer „bewusst in eine Falle gelockt, eingekesselt und sogar mit Pfefferspray attackiert“ worden. Da die Polizei die Brücken über den Donaukanal gesperrt habe, sei den Menschen der Heimweg „massiv erschwert“ worden.

Aus der FPÖ kam am Sonntag aber auch Dank für die Arbeit der Polizei, die laut Generalsekretär Michael Schnedlitz einen „extrem professionellen Job“ gemacht habe. Auch er warf Nehammer vor, bewusst auf Eskalation gesetzt zu haben.

Auch Kritik der Grünen
Kritik an der Polizeiführung gab es auch vom Koalitionspartner der Türkisen im Bund. Die Grünen empfanden die Vorkommnisse in der Leopoldstadt als „unerträglich“. Die Polizei habe „offenbar vor der Minderheit der Demonstranten kapituliert“, sagte der Wiener Gemeinderat Niki Kunrath. Außerdem habe die Exekutive großteils nur zugesehen, wie „Reichsflaggen geschwungen und Judensterne getragen“ wurden.

Video: Demo-Teilnehmer ziehen über die Praterwiesen

Festnahmen nach Verbotsgesetz
Polizeisprecherin Barbara Gass trat der Kritik, die Polizei habe rechtsextreme Äußerungen im Zuge der Corona-Demos ignoriert, entgegen: Es habe einige Anzeigen und zwei Festnahmen nach dem Verbotsgesetz gegeben - eine für den Hitlergruß, eine für „Sieg Heil“- und andere rechtsradikale Parolen, wobei sich der Betreffende selbst gefilmt und möglicherweise gestreamt haben soll. Zweckdienliche Hinweise sollten der Polizei übermittelt werden, damit sie ermitteln könne.

Pürstl: „Kritik an Polizei unangebracht“
Auch Landespolizeipräsident Gerhard Pürstl konterte: „Vorwürfe jeder Art gegen die Vorgangsweise der Wiener Polizei sind im Lichte der Sachlage mehr als unangebracht“, meinte er. Denn nach Ende der FPÖ-Versammlung bei der Jesuitenwiese habe ein großer Pulk geschlossen zurück in die Innere Stadt marschieren wollen. Deshalb habe die Polizei die Donaukanalbrücken gesperrt.

Der Aufforderung, die aufgelöste Versammlung zu verlassen, seien die Demonstranten nicht nachgekommen, sondern sie „marschierten mit Widerstand gegen die polizeilichen Maßnahmen“ den Donaukanal entlang. An taktisch günstiger Stelle kurz vor der Augartenbrücke habe die Polizei sie gestoppt - „worauf einige Manifestanten sofort mit Gewalt gegen die Polizeikräfte vorgingen und versuchten, die Sperren zu durchbrechen“. Kurz darauf seien „zahlreiche Personen unter Gewaltanwendung in die Tiefgarage einer Versicherungsanstalt“ eingedrungen. Da sei es „polizeilich geboten“ gewesen, die Identitäten aller Beteiligten aufzunehmen und die Demo mittels polizeilichen Zwanges aufzulösen, Gewalttäter festzunehmen und entsprechende Anzeigen zu erstatten, schildert die Landespolizeidirektion die abendliche Eskalation aus ihrer Sicht.

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