Christoph Wiederkehr:

„Pflicht-Kurse im Sommer für Schüler mit Defizit“

Wien
14.02.2021 11:15

Er ist Wiens Vizebürgermeister und Stadtrat für Bildung, Integration und Transparenz. Christoph Wiederkehr (NEOS) über die Generation Corona, Angsthasen bei der FPÖ, Gernot Blümel und den Fall Ernst Nevrivy.

„Krone“: Herr Wiederkehr, der ehemalige Bürgermeister Michael Häupl hat über das rot-pinke Regierungsprogramm gesagt, dass es sich liest, als wäre es das einer SPÖ-Alleinregierung. Haben Sie sich für den 1. Mai schon ein rotes Winktuch gekauft?
Christoph Wiederkehr: Ich kann den Ex-Bürgermeister nur einladen, das Programm genau zu lesen.Denn dann wird er herausfinden, dass viele Herzensanliegen der NEOS Realität werden. Wie zum Beispiel eine Whistleblower-Plattform gegen Korruptionsfälle, die wir bald vorstellen werden. Das wäre unter Häupl unmöglich gewesen.

Als Mitarbeiter der Stadt Wien stoße ich auf Korruption und melde das dann ausgerechnet dort, wo ich die Korruption entdeckt habe. Welchen Sinn soll das haben?
Im Regierungsübereinkommen ist vorgesehen, dass wir eine unabhängige Stelle für Antikorruption schaffen. Und diese Stelle wird allen Fällen nachgehen, denn es ist in unserem Interesse, dass auch die letzten Korruptionsrouten geschlossen werden.

Zitat Icon

Ich halte eine Föderalismusreform für ein sinnvolles Projekt, allerdings nicht in der Krise.

Christoph Wiederkehr über den Föderalismus

Als Opposition wollten Sie immer den Vertrag von Ex-Stadträtin Renate Brauner öffentlich machen, die jetzt teure Daseinsvorsorge-Beraterin der Stadt ist. Frage an den Transparenzstadtrat: Was verdient sie?
Wir selbst haben ja ein Prüfersuchen eingereicht beim Stadtrechnungshof, und da wird es bald einen Bericht geben. Der Stadtrechnungshof ist unabhängig, und das ist gut so. Da habe auch ich als Transparenzstadtrat kein Weisungsrecht und bekomme auch die Informationen nicht vorher.

Reden wir über das Thema Bildung. Es droht die Generation Corona. Sollten alle Schüler ein Jahr wiederholen?
Davon halte ich nichts, weil es den Schülerinnen und Schülern sagen würde, das Jahr war nichts wert. Viele Schüler haben ja auch Neues gelernt. Selbstständig arbeiten zum Beispiel.

Sollen die Sommerferien verkürzt werden, um zumindest mehr Präsenzunterricht zu erreichen?
Nicht grundsätzlich, weil die Sommerferien schon auch eine Planungssache sind für die Eltern. Viele freuen sich ja auf den Urlaub. Allerdings kann ich mir vorstellen, verpflichtende Kurse im Sommer einzuführen. Für diejenigen, die Defizite haben, um Stoff wieder aufholen zu können. Es ist sicher der bessere Weg, als haufenweise alle durchfallen zu lassen.

Diese Nachhilfen müssten in den Sommerferien die Lehrer geben. Glauben Sie, dass genug Pädagogen freiwillig mitmachen?
Ich bin mir sehr sicher! Natürlich muss es extra bezahlt werden über Überstunden. Und wenn es zu wenige gibt, kann man auch Lehramtsstudierende mit hineinnehmen.

Was halten Sie von der Idee der Wochenend-Lockdowns?
Das ist ein innovativer Ansatz, damit wir wegkommen von den dauerhaften Lockdowns. Ich hab mir die mathematische Berechnung genau angesehen, die viel für sich hat. Es gibt noch keinen finalen Vorschlag, aber die Idee ist verfolgenswert.

Nach diesem Plan könnte ich zum Beispiel am Donnerstag in einem Wirtshaus, so ich das will, bis in der Früh weiße Spritzer in mich hineinschütten, aber am Morgen danach nicht einmal in einem Geschäft einen Pullover kaufen. Die virologische Sinnhaftigkeit erschließt sich mir nicht.
Es heißt nicht, dass unter der Woche Halli Galli angesagt ist und man alles machen darf. Es wird weiterhin Regeln geben, die einzuhalten sind. Aber diese kurzen, harten Lockdowns brechen möglicherweise Infektionsketten. Und es muss danach viel getestet werden, sonst wird das nicht sinnvoll sein.

Kommen wir zum Thema Integration. Nach mehreren Vorfällen wie etwa den Ausschreitungen in Favoriten, haben Sie ein Deradikalisierungsprogramm vorgestellt und wollen die Sozialarbeiter von 5 auf 10 aufstocken. Das kann nur der Anfang sein. Wie wollen Sie einen jungen Mann, der in einer illegalen Moschee auf den Glaubenskrieg eingeschworen wird, in die Gesellschaft integrieren?
Das wird schwer gehen. Da braucht es die Sicherheitsbehörden, einen Geheimdienst, der effektiv arbeiten kann, und ein Innenministerium, das sich um Abschiebungen von Gefährdern kümmert, anstatt Kinder abzuschieben, die hier geboren sind. Worum ich mich bemühen kann, ist, dass es gar nicht so weit kommt. Indem Kinder und Jugendliche, die hier aufwachsen, auch universelle Wertvorstellung mitbekommen über die Schule.

In einem Interview haben Sie vor Kurzem gesagt, dass Sie sich in Favoriten sehr sicher fühlen. Das kann man leicht sagen, wenn man in Hernals wohnt, oder?
Ich bin aber oft in Favoriten. Ich war seitdem ich Stadtrat bin, mindestens siebenmal in Favoriten. Auch am Reumannplatz. Ich fühle mich sicher dort. Aber natürlich gibt es auch Probleme, vor allem in der Nacht, wo die Polizei auch gefordert ist, im öffentlichen Raum sichtbarer zu sein. Aber ich bin kein Angsthase wie vielleicht manche anderen Politiker.

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Wir brauchen für mehr Sicherheit auch mehr Polizisten. 500 statt 300 für Favoriten wären angebracht.

Christoph Wiederkehr über die Exekutive

Wer denn zum Beispiel?
Viele Rechte, die auf starker Mann tun, haben ganz viel Angst, wenn es um Favoriten geht.

Also hohe Angsthasendichte bei der FPÖ?
Es gibt durchaus Angsthasen bei der FPÖ.

Aber was sagen Sie Wienern, abseits der FPÖ, die sich in Favoriten eben nicht mehr daheim und sicher fühlen?
Ich kann das nachvollziehen. Und drum müssen wir in die Sicherheit investieren. Wir tun es über die Kameraüberwachung am Reumannplatz und zusätzliche Jugend- und Sozialarbeit.

Sprechen wir über die Bundespolitik. Gernot Blümel gilt für Sie als der schlechteste Finanzminister, den die Republik je hatte. In der Causa Casinos ist er als Beschuldigter geführt. Soll er zurücktreten?
Blümel ist rücktrittsreif. Als Finanzminister für die Casinos zuständig zu sein, dann als Beschuldigter geführt zu werden und eine richterlich bewilligte Hausdurchsuchung zu bekommen, das geht sich beim besten Willen nicht mehr aus.

Es ist mir bewusst, dass das eine ganz andere politische Dimension hat: Auch gegen SPÖ-Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy wird aktuell wegen Bestechlichkeit ermittelt. Soll er zurücktreten?
Es ist wichtig, dass volle Aufklärung stattfindet, denn in der Causa Wienwert geht es um viele Kleinanleger, die um ihr Geld umgefallen sind. Und es gibt mehrere Beschuldigte, bei denen die Justiz lückenlos ermitteln soll. Auch im Verfahren um den Bezirksvorsteher Nevrivy. Wir sind aber weit davon entfernt - wie bei Minister Blümel, bei dem es eine Hausdurchsuchung gab.

Vor ein paar Monaten haben wir uns noch darüber unterhalten, dass Sie kein Mensch kennt. Jetzt sind Sie Vizebürgermeister. Wie hat sich Ihr Leben verändert?
Ich arbeite noch mehr als davor. Gestern hatte ich um Mitternacht den letzten Kontakt mit Gesundheitsstadtrat Peter Hacker, um die Zahlen der Woche abzugleichen. Aber ich mache es sehr, sehr gerne, weil ich die Möglichkeit habe, Wien noch besser zu machen.

Was sind die nächsten Ziele? Bürgermeister?
Erfolgreicher Stadtrat zu sein. Und die NEOS und die erste Koalition dieser Art zu stärken. Bürgermeister-Ambitionen habe ich nicht.

Sie wollen nicht Bürgermeister werden?
Ich finde es jetzt einmal schön, dass ich Stadtrat bin. Ich glaube, die NEOS können noch stärker werden. Und das sehe ich jetzt einmal als meine Aufgabe.

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