Brexit, neue EU-Chefs

Diese Themen werden Europa 2019 prägen

Ausland
25.12.2018 14:57

Es ist ein „9er-Jahr“, und entsprechend wird 2019 auch außenpolitisch viel umgerührt. Wahlen in der bevölkerungsreichsten Demokratie Indien, im größten afrikanischen Staat Nigeria, dem größten muslimischen Staat Indonesien, in Australien, Argentinien und Kanada. Die Blicke ruhen aber vor allem auf der Europäischen Union, die erstmals schrumpft - und eine komplett neue politische Führung bekommt.

Wenn sich die Briten nicht doch im letzten Moment eines Besseren besinnen, ist es am 29. März so weit: Der Brexit wird Realität. Bis 21. Jänner will Premierministerin Theresa May ihren umstrittenen Brexit-Deal durch das Unterhaus bringen. Gelingt dies nicht, droht ein ungeordneter Austritt des Vereinigten Königreichs. Das von den EU-Befürwortern herbeigesehnte zweite Brexit-Referendum ist nämlich unwahrscheinlicher als ein Sturz Mays und vorgezogene Unterhauswahlen, bei denen die oppositionelle Labour Party das bessere Ende für sich haben könnte.

Brexit-Turbulenzen
Die EU-27 werden sich die Brexit-Turbulenzen weiterhin erste Reihe fußfrei ansehen, Nachverhandlungen schließt man diesseits des Ärmelkanals strikt aus. Politisch wird in der Europäischen Union im ersten Halbjahr kaum etwas weitergehen, was nicht nur an der wegen populistischer Politik und Übergriffen auf die Justiz umstrittenen rumänischen EU-Ratspräsidentschaft liegt, die am 1. Jänner von Österreich übernimmt.

Wahlkampfmodus in Europa
Europa startet das neue Jahr nämlich im Wahlkampfmodus, denn Ende Mai wird in den 27 verbleibenden EU-Staaten das Europaparlament neu gewählt. Die konservative Europäische Volkspartei (EVP) hat beste Chancen, ihre führende Rolle zu verteidigen, was aber vor allem an der Schwäche der Sozialdemokraten liegt. Erstmals dürften die beiden großen Parteienfamilien gemeinsam keine absolute Mehrheit in der Straßburger Volksvertretung mehr haben. Deutliche Zugewinne werden rechtspopulistischen Parteien vorhergesagt, die aber wohl weiter zerstritten bleiben dürften.

EVP-Spitzenkandidat Weber als Nachfolger Junckers 
Die Europawahl gibt auch den Startschuss für das große Sesselrücken in Brüssel, wählt das neue Europaparlament doch die künftige EU-Kommission. Der gesundheitlich angeschlagene Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker strebt kein zweites Mandat an, nachfolgen will ihm der bayrische Christsoziale Manfred Weber als EVP-Spitzenkandidat. Das System, wonach der Listenführer des bei der EU-Wahl siegreichen Parteienbündnisses Kommissionspräsident werden soll, hat diesmal aber einflussreiche Gegner - insbesondere in den Reihen der Liberalen, die sich als Zünglein an der Macht sehen. Nominiert wird der Kommissionspräsident voraussichtlich im Juni von den Staats- und Regierungschefs. Ihr Amt tritt die Brüsseler Behörde, in der jeder Staat einen Vertreter hat, am 1. November an.

Ebenfalls frei wird der Posten des EU-Ratspräsidenten, da Donald Tusk nach zwei Amtszeiten nicht noch einmal antreten darf. Als Favorit für die mit Dezember fällige Nachfolge wird der rechtsliberale niederländische Premier Mark Rutte genannt, der auch unter den konservativen Regierungschefs viele Unterstützer hat. Zu vergeben sind auch der Posten der EU-Außenbeauftragten sowie des EU-Parlamentspräsidenten. Politisch steht der Beschluss des EU-Mehrjahresbudgets für 2021 bis 2027 ganz oben auf der EU-Agenda, ein Beschluss soll unter finnischem Ratsvorsitz im zweiten Halbjahr erfolgen.

Nationale Wahlen 
Der Verlauf der EU-Personaldebatten wird nicht nur vom Ausgang der Europawahl abhängen, sondern auch von nationalen Wahlen. Belgien (spätestens Juni), Estland (März), Finnland (April), Dänemark (Juni), Griechenland und Portugal (Oktober) sowie Polen (November) wählen kommendes Jahr ihre Parlamente - und könnten danach neue Regierungen bekommen. Mit Spannung wird auch die weitere politische Entwicklung in den beiden führenden EU-Staaten Deutschland und Frankreich verfolgt, deren Regierungen deutlich an Autorität verloren haben. Während der französische Präsident Emmanuel Macron wegen Protesten gegen seine Sozialpolitik massiv unter Druck steht, muss die einst mächtigste Frau Europas, Kanzlerin Angela Merkel, ihre Macht seit Dezember mit der neuen CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer teilen.

Nationalratswahlen finden im Oktober auch in der Schweiz statt, deren Beziehungen zur EU in der Schwebe hängen. Brüssel hat den Eidgenossen nämlich eine Frist bis Juni gesetzt, einem neuen Rahmenabkommen zuzustimmen - oder das Scheitern der bestehenden bilateralen Verträge zu riskieren.

Poroschenko muss sich Wählervotum stellen
Politische Weichenstellungen könnte es 2019 auch im Ukraine-Konflikt geben. Präsident Petro Poroschenko, der jüngst mit der Verhängung des Kriegsrechts wegen eines militärischen Zwischenfalls mit Russland Asowschen Meer die Muskeln spielen ließ, muss sich Ende März dem Wählervotum stellen. Seine schärfste Kontrahentin ist die Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko, der eine bessere Gesprächsbasis mit dem Kreml attestiert wird.

Bürgerkrieg in Syrien
In einem anderen langjährigen Konflikt gibt es einen kleinen Hoffnungsschimmer. Anfang 2019 soll in Syrien ein Verfassungsausschuss erstmals tagen, der die politische Grundlage für eine Beendigung des im Jahr 2011 ausgebrochenen blutigen Bürgerkriegs schaffen soll. Bisherige Friedensgespräche waren im Sand verlaufen. Beobachter bezweifeln aber, dass das syrische Regime zu Kompromissen bereit ist, nachdem es seine Gegner mit Unterstützung Russlands und des Iran niederringen konnte.

Voraussichtlich im Frühjahr wird in Israel ein neues Parlament gewählt. Einen neuerlichen Sieg des konservativen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu dürfte wohl nur die Justiz verhindern können, die wegen Korruptionsvorwürfen gegen ihn ermittelt. Netanyahus Position ist durch außenpolitische Erfolge gestärkt. So gelang es ihm, das Iran-Atomabkommen aus den Bahnen zu bringen, während er zugleich diskret Kontakte zu arabischen Ländern knüpfen konnte.

Parlamentswahl in Indien
In Indien möchte Rahul Gandhi bei der Parlamentswahl im Mai in die Fußstapfen seines Vaters Rajiv und seiner Großmutter Indira treten, die beide Regierungschefs der größten Demokratie der Welt waren. Umfragen sehen aber den nationalistischen Premierminister Narendra Modi mit seiner BJP noch deutlich vor Gandhis Kongresspartei. Weitere Amtszeiten streben auch der nigerianische Präsident Muhammadu Buhari (Februar), sein afghanischer Kollege Ashraf Ghani und der indonesische Staatschef Joko Widodo an (jeweils April). In Südafrika bemüht sich Präsident Cyril Ramaphosa nach der Absetzung seines umstrittenen Vorgängers Jacob Zuma darum, die Vorherrschaft des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) bei der Parlamentswahl zu sichern.

Trudeau in Kanada als politisches Gegenmodell zu Trump
In Australien muss sich die Minderheitsregierung des konservativen Ministerpräsident Scott Morisson spätestens im November den Wählern stellen. In Kanada, Argentinien und Bolivien werden im Oktober die politischen Karten neu gemischt. Während sich der sozialistische Präsident Boliviens Evo Morales trotz verfassungsrechtlicher Bedenken um eine vierte Amtszeit bemüht, stellt sich der kanadische Premier Justin Trudeau erstmals den Wählern. Er präsentierte sich in seiner ersten Amtszeit als politisches Gegenmodell zum rechtspopulistischen US-Präsidenten Donald Trump. In Argentinien könnte es der konservative Präsident Mauricio Macri indes mit einem ganz besonderen „Dream Team“ zu tun bekommen. Medienberichten zufolge plant nämlich die linkspopulistische Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner einen Comebackversuch mit Fußball-Ikone Diego Maradona als Vize-Kandidaten.

Demokraten bekommen Kontrolle über das Repräsentantenhaus
Neue politische Zeiten brechen nächstes Jahr auch in den USA an, wenn die oppositionellen Demokraten am 3. Jänner die Kontrolle über das Repräsentantenhaus übernehmen. Damit enden zwei Jahre, in denen Trumps Republikaner im Kongress politisch schalten und walten konnten. 2019 werden auch erste Weichen für die nächsten Präsidentenwahlen gestellt, die im Jänner 2020 mit Vorwahlen im Staat Iowa beginnen. Während Trump wohl keine Herausforderer in den eigenen Reihen fürchten muss, bringen sich bei den Demokraten zahlreiche Kandidaten in Stellung. Durchsetzen wird sich wohl derjenige, dem am ehesten zugetraut wird, Trump zu schlagen. Hoch im Kurs stehen derzeit neben dem hemdsärmeligen Obama-Vize Joe Biden und dem Linksaußen-Senator Bernie Sanders auch der texanische Ex-Abgeordnete Beto O‘Rourke, der bei der Senatswahl im November die traditionelle Republikanerhochburg beinahe „umgefärbt“ hätte.

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