350-Mrd.-"Geldhahn"

Johannes Hahn wird Herr über ein Drittel des EU-Budgets

Österreich
28.11.2009 09:32
Österreichs Kandidat für die EU-Kommission, Wissenschaftsminister Johannes Hahn, hat jetzt doch ein bedeutenderes Ressort in der Mannschaft von Jose Manuel Barroso erhalten als bisher angenommen. Wie Barroso am Freitag bekanntgab, ist Hahn als Kommissar für Regionalpolitik und Kohäsion vorgesehen. Er wird damit zum Verwalter eines Drittels des EU-Budgets. Aus dem "Geldhahn der EU" sprudeln bis 2013 fast 350 Mrd. Euro.

Bisher wurde Hahn stets als Wissenschafts- oder Forschungs-Kommissar gehandelt - zwei eher wenig prestigeträchtige und einflusslose Ämter. Auch als Umwelt-Kommissar war er im Gespräch, dort hätte Hahn jedoch gänzlich die Erfahrung gefehlt. 

Als Regionalkommissar wird Hahn für etwa ein Drittel der EU-Gelder und für das zweitgrößte Budget nach dem Agrarressort verantwortlich. In der EU-Kohäsionspolitik, für die aufgrund einer Personalrochade seit Juni 2009 der Pole Pawel Samecki zuständig ist, fließen zwischen 2007 und 2013 bis zu 347 Milliarden Euro in die ärmeren Regionen der EU. In diesem Zeitraum werden ungefähr 1,5 Milliarden Euro nach Österreich fließen.

Rückkehr zu den politischen Wurzeln
In einer ersten Stellungnahme erklärte Hahn im ORF, er kehre mit dem Ressort Regionalpolitik in seiner neuen Funktion als EU-Kommissar zu seinen politischen Wurzeln zurück. Er verwies diesbezüglich auf die "Europapolitik als solche" und auf seine Zeit als Wiener Stadtpolitiker, was wesentlich dazu beigetragen habe, dass ihm Barroso für diese Aufgabe das Vertrauen geschenkt habe. 

Hahn sah aber auch Zusammenhänge zwischen seinem bisher letzten Amt als Wissenschaftsminister und der Regionalpolitik: "Regionalpolitik heißt ja nicht nur Kohäsionspolitik, sondern auch Zukunftsorientierung, Weiterentwicklung der Regionen Europas." Barrosos Schwerpunktsetzung sehe auch eine Stärkung der regionalen Forschungsaktivitäten vor.

Als EU-Kommissar "hat man europäisch zu agieren, zu funktionieren und auch zu denken", betonte Hahn. "Ich habe eine europäische Funktion, das heißt aber nicht, dass ich - sozusagen – nicht weiß, woher ich komme", ergänzte er. Es sei daher auch seine Aufgabe, die Europapolitik gerade in seiner Heimat zu erklären.

Reaktionen auf Hahns Ernennung findest du in der Infobox!

"Zuschüsse-Verwalter" mit Einfluss auf Zukunft
Viel Politik kann der Regionalkommissar im Alltagsgeschäft für gewöhnlich aber nicht machen, sind die Förderungsprojekte doch auf Jahre festgelegt. Außerdem der Regionaltopf nur alle sieben Jahre gefüllt, der Kommissar ist dadurch die meiste Zeit über ein "Zuschüsse-Verwalter" und muss sich jedes Jahr vom Europäischen Rechnungshof vorrechnen lassen, wieviele Milliarden in den osteuropäischen Staaten "versickert" sind. Im Jahr 2008 waren es rund 11 Prozent des Gesamterstattungsbetrags von fast 25 Milliarden Euro (siehe krone.at-Bericht in der Infobox).

In Hahns Amtszeit fällt jedoch die Festlegung des Mehrjahreshaushalts der EU von 2014 bis 2021. Hier steht die Neuverhandlung sämtlicher regionalpolitischer Förderprogramme der EU an. Der Kommissar hat dabei hohen Einfluss auf Grundsatzentscheidungen für den ländlichen EU-Raum.

Barroso: Neues Kommissionsteam ist "gute Mischung"
EU-Kommissionspräsident Barroso hat das neue Kommissionsteam (siehe Liste aller Namen oben) am Freitag in Brüssel als eine "gute Mischung" bezeichnet. Es handle sich um ein "perfektes Team aus Erfahrung und Neuem". Barroso verwies auch darauf, dass 13 Kommissare wieder im Amt seien.

Die Schlüsselposten: Der Spanier Joaquin Almunia übernimmt mit dem Wettbewerbsportfolio ein wichtiges Ressort, der Franzose Michel Barnier bekommt die Zuständigkeit für Binnenmarkt inklusive Finanzdienstleistungen, der Finne Olli Rehn ist künftig für Wirtschaft und Währung zuständig. Die Dänin Connie Hedegaard besetzt den neu geschaffenen Posten für Klimaschutz.

"In der Regionalpolitik zeigt sich die Solidarität der EU"
Auf der Website der EU-Kommission heißt es zum Regionalkommissar: "Die Generaldirektion Regionalpolitik hat die Aufgabe, den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt (Kohäsion) durch Verringerung der Entwicklungsunterschiede zwischen Regionen und Mitgliedstaaten zu stärken. So trägt die Regionalpolitik zur allgemeinen Wirtschaftsleistung der Union bei. […] Sie kofinanziert Infrastrukturprojekte und setzt sich für die Weiterentwicklung der Informationsgesellschaft und einen schnelleren Wissenstransfer ein. Damit hilft sie weniger wohlhabenden oder strukturschwachen Regionen, ihr Wirtschaftswachstum nachhaltig voranzubringen. In der Regionalpolitik zeigt sich die Solidarität der EU."

Der Regionalkommissar verwaltet drei wichtige Fonds:

  • den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung in allen Mitgliedstaaten, mit dem Investitionen schwerpunktmäßig in den Regionen mit dem geringsten Bruttoinlandsprodukt je Einwohner kofinanziert werden
  • den Kohäsionsfonds, der Verkehrs- und Umweltprojekte in Mitgliedstaaten kofinanziert, deren BSP weniger als 90 % des EU-Durchschnitts beträgt
  • das strukturpolitische Instrument zur Vorbereitung auf den Beitritt (ISPA), das die Bewerberländer dabei unterstützt, die Verkehrsnetze auszubauen und die Umweltinfrastruktur zu verbessern

Kommission frühestens ab Februar 2010 im Amt
Die gesamte EU-Kommission muss noch vom Europaparlament bestätigt werden, was aber als Formsache gilt. Die Hearings mit den einzelnen Kommissaren sind im Jänner angesetzt, die Abstimmung am 26. Jänner. Damit kann die Kommission frühestens im Februar 2010 ihre Arbeit aufnehmen und wäre bis Ende Jänner 2015 im Amt.

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