BAWAG-Prozess

Anwalt: “Ich vertrete einen Unschuldigen”

Österreich
25.06.2008 17:24
Am 114. Tag im BAWAG-Prozess sind die Schlussplädoyers fortgesetzt worden. Zu Beginn hob Verteidiger Gerald Toifl die "Kämpfer"-Qualitäten seines Mandanten Johann Zwettler, ehemals BAWAG-Vorstand und ab 2003 als Nachfolger von Helmut Elsner BAWAG-Generaldirektor, hervor. Mario Schmieder, der zweite Verteidiger Zwettlers, plädierte auf eine bedingte Strafe, wodurch Zwettler nicht ins Gefängnis müsste. Der Verteidiger des angeklagten Ex-Vorstands Peter Nakowitz (im Bild rechts) forderte für seinen Mandanten sogar einen Freispruch. "Ich vertrete hier einen Unschuldigen", sagte Anwalt Rudolf Breuer (im Bild links). Der Anwalt von Christian Büttner fand drastische Worte: "Machen sie aus Büttner keinen Verbrecher, das ist er nicht!"

"Zwettler war immer ein Kämpfer, er wollte das Beste für die Bank machen", sagte Anwalt Gerald Toifl. Zwettler habe nicht alles hingeschmissen, als er 1998 von den hohen Verlusten durch Wolfgang Flöttls Geschäfte erfuhr, sondern habe eine ihm vom damaligen BAWAG-Chef Helmut Elsner präsentierte Lösung "mitgetragen". Als Zwettler am 21. Oktober 1998 durch einen spätabends erhaltenen Anruf von Elsner aus New York erstmals von den Verlusten erfahren habe, hätte er auch sagen können, "damit will ich nichts mehr zu tun haben".

Welt der Reichen und Schönen "nicht seine Welt"
"Es war ohnehin nicht seine Welt, die Welt der Schönen und Reichen, sondern seine Welt war es mit seinen Freunden, mit seiner Familie, beim Heurigen Zeit zu verbringen", charakterisierte der Anwalt den früheren Bank-Manager mit Wohnsitz in Floridsdorf. Zwettler hätte in die Öffentlichkeit gehen können, "aber das ist nicht seine Lösung, er schiebt die Verantwortung nicht ab", meinte Toifl. Daher habe er den "Elsner-Flöttl"-Plan, der bereits vorbereitet war, akzeptiert.

In der Infobox findest du die Zusammenfassung der Schlussplädoyers des ersten Tages und die besten Zitate!

"Zwettler wurde nicht die Wahrheit gesagt"
Dass Flöttls Vermögen, das er der Bank zum Ausgleich der Verluste übertrug, nicht die erhofften 800 bis 1 Milliarden Dollar wert war, das habe Zwettler damals im Oktober 1998 noch nicht gewusst. Erst bei der Reise nach Paris, wo die "Pariser Verträge" geschlossen wurden, habe Zwettler gesehen, dass die Anschaffungskosten der Gemälde viel geringer gewesen seien. Zwettler habe erkannt, dass ihm irgendwer nicht die ganze Wahrheit gesagt habe - Flöttl oder Elsner, wer genau wisse er nicht. Trotzdem habe er immer noch das Beste für seinen Eigentümer machen wollen. "Jetzt kommt, was er in seinem Geständnis schon gesagt hat, er macht die Augen zu und durch. Er drückt nicht die Stopptaste, wahrscheinlich wäre es schon noch möglich gewesen".

Bei Zwettler fehle der subjektive Vorsatz zur Untreue, argumentierte der Anwalt. Untreue verlange den Vorsatz betreffend des Schadenseintritts. "Dass man glaubt, es wird schon nichts passieren, das ist noch keine Untreue". Toifl bemühte einen Vergleich mit dem Verkehr, wer an einer unübersichtlichen Stelle überhole und einen Motorradfahrer überfahre, habe kein vorsätzliches Tötungsdelikt begangen. Zwettler habe "unübersichtlichen Krediten an Flöttl zugestimmt", meinte der Anwalt, "muss man ihn nicht auch so behandeln wie jemanden, der an unübersichtlicher Stelle überholt?"

"Milderungsgründe überwiegen"
"Die Milderungsgründe überwiegen die Erschwerungsgründe bei weitem", sagte Mario Schmieder, Zwettlers zweiter Anwalt, unter Hinweis auf Richterin Claudia Bandion-Ortner, wonach ein Geständnis ein wesentlicher Milderungsgrund im Falle einer Verurteilung sei. Daher forderte er eine bedingte Haftstrafe für den Ex-BAWAG-Generalsekretär. Auch die bisherige Unbescholtenheit und Länge des Verfahrens sollte das Gericht als weitere Milderungsgründe für Zwettler anerkennen.

Im Falle einer Verurteilung müsste auch auf die Gefährlichkeit eines Täters Rücksicht genommen werden, von Zwettler gehe aber keine Gefahr mehr aus, Zwettler sei pensioniert und werde nie wieder einen ähnlichen Fehler begehen, führte der Verteidiger aus. Ein weiterer Milderungsgrund sei die Erkrankung von Zwettler. Trotz eines Spitalsaufenthaltes während des laufenden Verfahrens habe sich sein Gesundheitszustand nicht verbessert. Wie schon Elsner-Anwalt Wolfgang Schubert wies auch Schmieder auf das Alter seines Mandanten hin. Zwettler wird im September 67 Jahre alt.

Anwalt: Rolle von Nakowitz "untergeordnet"
Der Anwalt von Peter Nakowitz (45) argumentierte den für seinen Mandanten geforderten Freispruch damit, dass Nakowitz erst 1998 BAWAG-Generalsekretär geworden war, zuvor habe er in der Abteilung Beteiligungen als "kleiner Angestellter" gearbeitet. Als Generalsekretär sei Nakowitz dann lediglich "Überbringer der Wünsche des Vorstands" gewesen. Auch Staatsanwalt Georg Krakow habe in seinem Plädoyer die Position von Nakowitz in der BAWAG als "untergeordnet" bezeichnet.

Allerdings sei dem Staatsanwalt in seiner Anklage "sicherlich in der Eile" ein Fehler passiert, rügte der Anwalt den Anklagevertreter: Krakow habe nämlich in der ursprünglichen Anklage keine Wissentlichkeit beim gegen Nakowitz erhobenen Vorwurf der Beihilfe zur Untreue erwähnt. "Nakowitz war immer überzeugt, dass das was ihm aufgetragen wurde, mit dem Gesetz in Übereinstimmung steht". Er habe keinen Befugnismissbrauch annehmen können, weil die Vorstände, zahlreiche Anwälte, Wirtschaftsprüfer Robert Reiter und letztlich auch Fritz Verzetnitsch für den Eigentümer ÖGB alles richtig gefunden hätten.

Appell an die Schöffen
Breuer mahnte die Schöffen, sie könnten einen Schuldspruch nachher bereuen. Als drastisches Beispiel führte er einen Mordprozess in Linz an, wo sich die Geschworenen für eine Revision des Urteils eingesetzt hatten. "Sie werden sich als Schöffe nachher Gedanken über das Urteil machen, 42 Jahre Berufstätigkeit vermittelt mir diese Sicherheit", meinte der Anwalt. "Ich bitte Sie ganz genau zu überprüfen, ob Sie hier tatsächlich ohne Durchführung der Beweisanträge entscheiden können".

Weninger-Anwalt fordert Freispruch zu Untreue-Vorwurf
Der Verteidiger des angeklagten Ex-ÖGB-Finanzchef und Ex-BAWAG-Aufsichtsratsvorsitzenden Günter Weninger ersuchte in seinem Schlussplädoyer darum, seinen Mandanten vom Vorwurf der Untreue freizusprechen. Zum ebenfalls in der Anklageschrift angeführten Tatbestand der Bilanzfälschung sei sein Mandant weiter geständig, führte Richard Soyer aus. Das Beweisverfahren habe die Verantwortung von Weninger voll und ganz bestätigt.

Soyer beschrieb Weninger als geraden Menschen, als einen Gewerkschafter der alten Schule, parteiverbunden, sozial und mit integerer Persönlichkeit, der im Verlauf des Prozesses kein beschönigendes oder schonendes Aussageverhalten an den Tag gelegt habe. Als selbstkritischer Mensch habe er auch Fehler eingestanden. Von Anfang  an habe er sich bei der Verteidigung an der wahrheitsgemäßen Erinnerung von Weninger orientiert, und deshalb bereits im Eröffnungsplädoyer das Vergehen der Bilanzfälschung in den Raum gestellt - zudem sich Weninger wenig später auch schuldig bekannt hat. Weninger wird laut Anklage ein Schaden von 437 Millionen Euro vorgeworfen. Im Falle einer Verurteilung wegen Bilanzfälschung drohen Weninger bis zu zwei Jahre Haft, für Untreue drohen ihm bis zu zehn Jahre.

Büttners Anwalt: "Machen Sie aus ihm keinen Verbrecher"
Mit drastischen Worten hat der Verteidiger des angeklagten Ex-BAWAG-Vorstands Christian Büttner in seinem Schlussplädoyer für seinen Mandanten einen Freispruch gefordert. "Machen sie aus Büttner keinen Verbrecher, das ist er nicht", sagte Erich Müller, der früher als Staatsanwalt tätig war. Büttner (51) habe als einziger Bank-Vorstand gegen weitere Geschäfte mit Wolfgang Flöttl gestimmt. Er habe die Bank nicht schädigen wollen und habe die Vertreter des ÖGB nicht falsch informiert, sondern nur seine falschen Informationen weitergegeben. Büttner sei in der Bank wegen seines Widerstands gegen die Flöttl-Geschäfte "isoliert" gewesen.

Müller hatte selber als Staatsanwalt im Jahr 1994 eine anonyme Anzeige zu den Flöttl-Geschäften in der BAWAG behandelt. Als er nachforschen wollte "sind die Telefone heiß gelaufen", berichtete Müller. Als er Spitzenvertretern der Anklage die Unterlagen vorlegte, habe er in ihren erschrockenen Gesichtern gesehen, dass sie sich nicht trauten den Vorwürfen nachzugehen. Von der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) sei daraufhin bestätigt worden, dass kein Schaden durch die Geschäfte entstanden sei. Daraufhin wurde von der Justiz nichts unternommen. Die Karibik-1-Geschäfte seien aber damals nicht genau geprüft worden, ist Müller noch heute überzeugt.

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